Resilient Web Design von Jeremy Keith ist zugleich eine Website und ein Buch. Das hat verschiedene Vorteile:

  1. Zugänglichkeit, Findbarkeit, Benutzbarkeit: Man braucht keine besondere Software für dieses Buch, also keinen speziellen E-Book-Reader. Ein Browser reicht aus. Leserinnen und Leser können alle Möglichkeiten der aktuellen und auch die zukünftigen Browser-Technologie nutzen, wenn sie das Buch lesen oder mit ihm arbeiten. Dazu gehören zum Beispiel die verschiedenen Browser-Erweiterungen. Man kann also Lesezeichen anlegen, man kann eine Software wie Instapaper benutzen, um das Buch oder Teile des Buchs in einer anderen Darstellung zu lesen. Man kann auch beliebige Programme verwenden, um Anmerkungen und Kommentare zu machen – hoffentlich wird man das bald auf der Basis von Web-Standards tun.
  2. Verlinkung: Man kann auf die einzelnen Kapitel des Buchs verlinken, das Buch ist also ganz einfach über URIs zitierbar. Es gibt keinen Medienbruch zwischen Hyperlinks und herkömmlichen Zitaten beziehungsweise Quellenangaben. Man kann auch umgekehrt aus dem Buch heraus jedem Link folgen, ohne seinen Browser zu verlassen. Das Buch hat im Web volle Bürgerrechte.
  3. Individuelle Gestaltung. Zu den Vorteilen dieser Art der Publikation gehört auch, dass Resilient Web Design individuell gestaltet ist, dass es also nicht den mehr oder weniger monotonen Eindruck eines Buchs macht, das sich in seinem Layout einer E-Reader Software anpasst. Diese individuelle Gestaltung wäre wenigstens zu großen Teilen auch bei einer EPUB-Veröffentlichung möglich, aber wohl kaum bei einem Kindle E-Book. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind hier nur durch die Möglichkeiten der Browser-Technologie begrenzt, nicht durch die Möglichkeiten einer zusätzlichen Ebook-Lesesoftware.

Man kann das Design dieser Publikation aus verschiedenen und komplementären Perspektiven betrachten. Man kann sagen, dass Elemente der herkömmlichen Buch-Gestaltung, und zwar einer anspruchsvollen, kultivierten Gestaltung, ins Web übersetzt wurden. Man kann auch umgekehrt sagen, dass Keith für Resilient Web Design Qualitäten von Websites auf die Buchgestaltung übertragen hat.
Keith hat für das Buch eine neue Technologie für Web-Applikationen benutzt, die Service Worker. Zu dem Buch gehört ein Skript, dass dafür sorgt, dass man das Buch auf dem Homescreen eines mobilen Gerät installieren und es komplett lesen kann, auch wenn man nicht mit dem Internet verbunden ist. Die Technik der Service Worker wurde für Progressive Web Apps entwickelt, eine Web-basierte Alternative zu den an ein Betriebssystem gebundenen mobilen Apps.
Für mich ist dieses Buch ein Durchbruch, eine Veröffentlichung jenseits der herkömmlichen Trennung von Büchern und Websites. Weder die Bezeichnung Ebook noch die Bezeichnung Website wird diesem Format gerecht. Es ist sicher am besten, von einem Buch zu sprechen, wie es der Autor selbst tut.
Mich interessiert dieses Buch nicht nur, weil ich mich für Publikationsformate im Web interessiere. Ich bin nicht nur von ihm begeistert, weil ich handwerklich sorgfältig gestaltete Veröffentlichungen mag. Ich glaube, dass es ein Muster für die Veröffentlichungen sein kann, die wir in Zukunft im Studiengang Content-Strategie herausbringen wollen, insbesondere für die Master-Arbeiten. Wenn wir sie so ins Netz stellen wie Jeremy Keith sein Buch, dann sind sie nicht nur optimal auffindbar und benutzbar.1 Wir zeigen auch, welche Ansprüche wir an Webveröffentlichungen haben und geben ein Best-Practice-Beispiel. Um dieses zu Ziel zu erreichen, ist sicher noch einiges an Konzeptions- und Entwicklungsarbeit notwendig. Aber das Beispiel Resilient Web Design zeigt, dass andere E-Book Formate und erst recht PDFs hinter dem Möglichkeiten zurückbleiben, die die das Web heute zur Verfügung stellt.
Ich habe Resilient Web Design gelesen, kurz nachdem es veröffentlicht wurde. Die Möglichkeiten dieses Formats und sein Beispielcharakter gehen mir aber erst jetzt auf, angeregt durch ein Blog-Post von Jeremy Keith, durch das ich erst darauf aufmerksam geworden bin, dass man dieses Buch auch offline benutzen kann. Ich freue mich über jeden Hinweis auf ähnliche Projekte, und ich bin dankbar für Korrekturen vor allem zu den technischen Aspekten dessen, was ich hier über digitale Bücher geschrieben habe.


  1. Dazu gehört es auch, dass wir Tabellen und Abbildungen ohne Einschränkungen in eine Veröffentlichung integrieren beziehungsweise auf sie verlinken können. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.