Nach dem Attentat auf Charlie Hebdo bin ich gefragt worden, ob unser Institut aktiv reagieren wird. Ich bin nicht sicher, was ich vorschlagen soll, und meinen Kollegen geht es wohl ähnlich. Ich kann nur sagen, dass es mir gerade schwer fällt, über etwas anderes nachzudenken. Ich habe vor langer Zeit in Paris studiert, deshalb reagiere ich besonders empfindlich auf Terrorakte, die dort begangen werden.
Ich halte es für verkürzt, von islamistischem Terror zu sprechen. Wir sollten nicht den Ursprung, sondern die Ziele benutzen, um solche Aktionen zu bezeichnen: erst die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Satire, und dann wieder einmal die Juden. Diese Täter gehören in das totalitäre und antisemitische Spektrum, und das mit einer islamistischen Ausrichtung. Für den Islam in Europa können solche Aktionen—wie der Terror von IS und Boko Haram—zur Katastrophe werden, so wie ja wohl die Nazis dem deutschen Nationalismus den Hals gebrochen haben. Aber mit dem Islam haben diese Terroristen so viel zu tun wie die Nazis mit dem deutschen Wesen oder einer angeblichen arischen Rasse.
Als Journalismus- und Kommunikationsstudiengang sind wir zu klein, um öffentlichkeitswirksame Aktionen durchzuführen, wenn bereits die ganze Öffentlichkeit alarmiert ist. Sicher sollten wir diese Attentate als einen weiteren Anlass verstehen, die Mechanismen der Öffentlichkeit zu analysieren, die dabei wirksam werden und die von den Terroristen für ihre Inszenierung (einschließlich der Selbstinszenierung als Gotteskrieger) benutzt werden. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang vor allem mit der Berichterstattung über die Anderen beschäftigen. Das ist an unserem Studiengang kein neues Thema. Mein Kollege Thomas Wolkinger arbeitet gerade mit Studierenden an dem Projekt Vielfalt als Chance. Vor zwei Monaten war Gudrun Harrer an unserem Studienang.
Je länger ich über diese Attentate nachdenke, desto mehr verstehe ich sie als Mahnung, in der Ausbildung von Journalisten die Komfortzonen zu verlassen. Zukünftige Journalisten müssen lernen, sich mit dem zu befassen, was nicht in die bequemen Mechanismen unserer europäisch-westlichen Öffentlichkeit passt. Oder: Sie müssen sehen, wie relativ diese Mechanismen sind, und was wir normalerweise abblenden. Wir müssen ihnen so viel Weltwissen vermitteln wie möglich.
Eine befriedigende Antwort auf die Frage, was wir tun können und tun sollen, ist das nicht. Jeder Vorschlag und jeder Diskussionsbeitrag ist willkommen.

7 Kommentare zu “Charlie Hebdo: Was kann ein Journalismus-Studiengang tun?

  1. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass (zukünftige) JournalistInnen wissen, dass sie eine große Verantwortung haben, wie Menschen die Welt lernen und wahrnehmen. Dass sie keine Allgemeinplätze verbreiten, das sie abwägen, dass sie auf ihre Sprache achten, dass sie genau hinschauen, nachfragen, hinterfragen, nicht dem Mailstream nachlaufen, keine Dogmen nachbeten, alles in Frage stellen – Recherche und Veranwortung eben. Das wird immer schwieriger, weil Medien immer weniger in Qualität und Recherche investieren können und/oder wollen. Auch das müssen wir hinterfragen. Terrorismus ist auch eine Reaktion auf den Neoliberalismus, darauf, dass alles zur Ware geworden ist, dass Menschen ausgegrenzt werden, keine Chancen sehen für ihr Leben. Dieser Neoliberalismus (oder wie immer wir das nennen wollen), will auch den Journalismus instrumentalisieren und zur reinen Ware machen, wo nur Profit zählt.

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