Vor ein paar Tagen ist das steirische Klimaschutzbarometer 2023 erschienen. Das Gallup Institut hat es für die steirische Landesregierung erhoben. Die wichtigsten Ergebnisse finden sich – außer in der Präsentation des Instituts (Gallup Institut, 2023) – auch auf der Website der Landesregierung (Jammernegg, n.d.) und in einem Artikel der Kleinen Zeitung (Pilch, 2023a). Günter Pilch hat außer diesem Artikel selbst auch einen lesenswerten Kommentar dazu verfasst (Pilch, 2023b).
Nach der ersten Lektüre finde ich zwei Dinge bemerkenswert:
- Die Zahl der Steirer:innen, die davon überzeugt sind, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt und/oder ihm hohe Priorität für die Politik zusprechen, ist im Vergleich zu den letzten Jahren leicht, aber deutlich gesunken.
- Was in der Umfrage (und offenbar auch von einem großen Teil der Bevölkerung) als Klimaschutz angesehen wird, hat mit einer ernsthaften Bekämpfung der Klimakrise nur sehr eingeschränkt zu tun.
Was den ersten Punkt angeht: Es liegt nahe, eine Beziehung zum Zunehmen wissenschaftsfeindlicher und rechtsradikaler Haltungen in der Bevölkerung anzunehmen, wie sie sich auch in den wachsende Sympathien für die FPÖ zeigt. Günter Pilch vermutet in seinem Kommentar eine solche Verbindung. Pilch stellt auch eine Beziehung zur Verbreitung von Falschinformationen in sozialen Medien her.
Hier wäre es interessant zu erforschen, ob es auch einen Zusammenhang zu bewusst verbreiteter wissenschaftsfeindlicher Propaganda gibt, wie sie in Österreich auch auf Medienplattformen außerhalb des Social Web gestreut wird, die kapitalkräftigen Oligarchen gehören – also etwa von Servus TV (prie, 2023) oder dem Magazin Pragmaticus (Brudermann, n.d.). Für die USA haben Yochai Benkler und andere vor einigen Jahren aufgezeigt, wie polarisierende Ideologie-Brocken zuerst von traditionellen Medien und dann in den Sozialen Medien verbreitet wurden (Benkler et al., 2018).
Dass die Denialists und die Delayer mehr Rückhalt in der steirischen Bevölkerung finden, obwohl die Folgen der Erderhitzung im Alltag immer spürbarer sind und jeden Tag in den Zeitungen und Nachrichten von ihnen berichtet wird, hängt auch damit zusammen, wie verzerrt das Phänomen „Klimawandel“ in der Öffentlichket diskutiert wird und wie selten kausale Zusammenhänge erklärt werden. Dafür ist diese Umfrage selbst ein Beispiel. Sie wird von der Landesregierung benutzt (und wurde wohl auch in Auftrag gegeben), um sich als wirksame Akteurin gegen den „Klimawandel“ zu präsentieren. Gefragt wird aber an keiner Stelle nach politischen Schritten, die man tatsächlich als „climate action“ bezeichnen kann – nämlich wirksamer und messbarer Reduzierung von Emissionen. Gefragt wird vor allem nach individuellem Handeln von Verbraucherinnen und Verbrauchern und politischer Unterstützung dafür. Individuelles Handeln ist sicher auch hilfreich, reicht aber bei weitem nicht aus, um die Emissionen deutlich zu reduzieren. Und selbst bei diesem individuellen Handeln bewertet das Gallup Institut Konsumentenentscheidungen als klimafreundlich, die den CO2-Ausstoß weiter auf hohem Niveau halten: die Verwendung von Fernwärme und das Heizen mit Holz oder Holzprodukten. Fernwärme kommt in der Steiermark zu einem großen Teil aus fossilen Quellen[¹], trägt also zur Klimakatastrophe bei. Heizen mit Holz ist nur unter „sehr eingeschränkten“ Bedingungen klimafreundlich (Bundesumweltministeriums, 2022) – nämlich dann, wenn sichergestellt ist, dass das verwendete Holz so ersetzt wird, dass die CO2-Bilanz nicht negativ ist, dass also Holz nachwächst, das mehr CO2 bindet, als verfeuert wird.
In der Umfrage stellt die Bevölkerung der Klimapolitik der Landesregierung ein gutes Zeugnis aus – man hält sie für wirksamer als die Klimapolitik des Bundes oder der EU (dabei ist die EU mit Sicherheit eine viel entschlossenere klimapolitische Akteurin als unsere Landesregierung). Und die Mehrheit der Bevölkerung ist auch selbst davon überzeugt, klimafreundlich zu handeln – obwohl die Emissionen in Österreich insgesamt und ziemlich sicher auch in der Steiermark in den letzten Jahren kaum gesunken sind (Kirchengast & Schleicher, 2022). Die Ergebnisse der Umfrage sind interessant, vor allem, was die Verschiebungen im Verhältnis zu den vergangenen Jahren angeht. Aber insgesamt ist diese Umfrage ein Teil des Problems: Sie trägt dazu bei, dass Klimapolitik nicht als das begriffen wird, was sie ist: schneller Verzicht auf fossile Energien, auf eine Landnutzung, die CO2 produziert und die Bindung von CO2 verhindert, und auf das Bauen mit konventionellem Beton.
[¹]: Die Energie Graz stellt auf ihrer Website fest, dass ihr Gaskraftwerk „das Rückgrat der Grazer Fernwärmeversorgung“ darstellt (Wärmeversorgung – Fernwärme – Geschäftsbereiche – Unternehmen, n.d.).