Die Nationalisten ersetzen eine an Regeln, Rechten und Konsens orientierte Politik durch Machtpolitik im Interesse von Cliquen. Orbán ist damit in den bisher demokratischen Ländern am weitesten gekommen. Das Mittel ist die demagogische Mobilisierung mit Symbolen und ideologischen Versatzstücken.
Die Nationalisten selbst sind an keine Regeln gebunden und passen sich opportunistisch an, sie sind zugleich antieuropäisch und proeuropäisch, antisemitisch und proisraelisch, antikapitalistisch und neoliberal. Weil sie den Regelverstoß zur Regel machen, können sie immer wieder Tabus brechen und provozieren. Durch ihre Provokationen bringen sie die konsensorientierten Verteidiger des Multilateralismus und der liberalen Ordnung in die Defensive, wie jetzt gerade Seehofer (der eine herrschende Clique vertritt, nämlich die Bayern als Privateigentum betrachtende CSU) Merkel und die Liberalen in der CDU. Aus dieser Defensive werden die Gegner der Populisten nicht hinauskommen, solange sie die Nationalisten als paktfähig behandeln und nicht darauf bestehen, dass die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit tatsächlich tabu sind. Je mehr sich das liberale Establishment erpressen lässt, desto weiter werden die Antiliberalen die Tabubrüche treiben. Der offen profaschistische Salvini geht jetzt gerade einen Schritt weiter, als es seine Verbündeten bisher gewagt haben, die antisemitische Propaganda gegen Soros wird von der FPÖ übernommen, Trump greift die Regierungen bisher befreundeter Länder offen an—die nächsten Schritte wie Internierungen von Feinden und Militäraktionen werden zwangsläufig folgen, weil die nationalistische Mobilisierung sonst in sich zusammenbricht. Die Kooperation der Nationalisten von Trump bis Orbán macht die provinziellen antiliberalen Attacken zu einer Lawine.
Die Liberalen müssen die Nationalisten und ihre Symapthisanten endlich als das behandeln, was sie sind, nämlich als Feinde. Sie müssen jede Erpressbarkeit vermeiden, jeden Konsens mit Gegnern des Konsens aufkündigen, sich mit möglichst vielen universalistisch und international orientierten Gruppen verbünden und die Rechten in die Defensive bringen, wie es Macron wohl am ehesten geschafft hat. Wenn sich Angela Merkel in Deutschland von Seehofer erpressen lässt, dann gräbt sie selbst an der Grube, in die die CSU sie stürzen will. Wenn die EU das Regime in Ungarn toleriert und weiter finanziert, dann ermutigt sie die Antidemokraten in allen anderen Ländern.