Dieter hat seine Session auf dem Barcamp Vienna — auch für mich der interessanteste Teil — so gut zusammengefasst, dass ich gar nichts mehr referieren muss. Erst durch sein Posting wird mir der Hintergrund seiner Frage nach den veränderten Businessmodellen von Medienunternehmen, Telcos und Brands deutlich:

In meiner Wahrnehmung basiert das was wir so kläglich Web2.0 nennen auf 3 Innovationsfundamenten:

  • Informationsmanagement
  • Identitätsmanagement
  • Beziehungsmanagement

Der Kern liegt aber im Punkt Identitätsmanagement (denn darauf basiert das Beziehungsmanagement). Im Rahmen der "Attention Economy" ist Aufmerksamkeit das knappe Gut und diese Tatsache betrifft folgende 3 Player…

Dieter hat sich in seiner Einleitung vor allem damit beschäftigt, wie Medienunternehmen, Telcos und Brands versuchen, durch social media und social software Aufmerksamkeit zu gewinnen und tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Eine, wenn nicht: die Schlüsselrolle habe dabei das Identitätsmanagement:

Aber wer die „Identität“ hat (=die Infrastruktur für ein effizientes Identitätsmanagement zur Verfügung stellt), der sitzt an der Quelle der Monetarisierungsmöglichkeiten und darum geht es am Ende des Tages in einem kapitalistischen System.

Ich glaube auch, dass das Identitätsmanagement zu einer zentralen Frage der nächsten Generation von Webanwendungen werden wird, weil die verschiedenen Dienste ohne so etwas wie eine Repräsentation der Identität nicht miteinander zusammenarbeiten können und damit in einer Netzwerkökonomie zwangsläufig Potenziale nicht realisieren. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass sich hier einzelne Anbieter durchsetzen. Niemand wird sich hier an eine Telco oder ein anderes Unternehmen verkaufen wollen (ich glaube auch nicht, dass Dieter das meint). Ich sehe die Zukunft eher bei Lösungen wie OpenID. Einen offenen Standard für das Identitätsmanagement im Web zu haben bedeutet nicht, dass er nicht kommerziell implementiert werden kann. Offenbar arbeitet Microsoft mit CardSpace an einer solchen Lösung. (Beim Googeln bin ich auch auf das Project Higgins gestoßen, das IBM und Novell unterstützen)

Meine Notizen von der Session unten. Sehr interessant fand ich in der Diskussion Thomas N. Burgs Hinweis auf Reed’s Law und Richie Pettauers Verweis auf die poststrukturalistische Kritik an den gängigen Identitätsmodellen.

Identität ist ein Megathema; es verdient ein Unkonferenz in unseren Breiten.

Notizen:

Dieter Rappold startete eine Session über die Frage nach veränderten Verhältnissen für Medienunternehmen, Telcos und Brands durch Social Media und Social Software. Dieters Thesen wurden von Thomas Burg sehr gut ergänzt/weitergdacht.

Die Ausgangslage hat sich für alle drei Branchen dramatisch verändert; alle drei intergrieren deshalb soziale Medien und soziale Software in ihre Geschäftsstrategie, aber mit verschiedenen Ziele.

Motive:

Medienunternehmen verlieren tendenziell Aufmersamkeit; es wird für sie immer schwieriger, Aufmerksamkeit wird zu ereichen und zu erhalten. Sie versuchen deshalb mit sozialen Medien, ihre Relevanz zu erhöhen.

Telcos verkaufen inzwischen vor allem commodity (mir ist egal, von wem das Internet kommt…); sie können nur noch über den Preis konkurrieren und sind so in ihren Handlungsmöglichkeiten massiv eingeschränkt. Sie wollen aus dieser Situation heraus: User sollen proprietären Content generieren, der neue Geschäftsmodelle ermöglicht

Brands leiden auch unter Verlust von Attention; sie können nicht mehr Aufmerksamkeits-Real Estate bei Medien kaufen.

Beispiele:

Holtzbrinck, Redaktionsblogs der Online-Zeitungen….

Bei Telcos, von den National Telcos bis zu alternativen Providernn zahlreiche Communities, etwa die große social media community bei web.de

Brands: bud tv (Budweiser), Cocoa Cola in China mit Myspace-Konkurrenz

Medienunternehmen, Telcos und Brands haben Jahrzehnte in klaren Rahmenbedingungen gearbeitet. Player stehen sich nicht mehr so gegenüber wie in den vergangenen 50 Jahren. Nun stehen sich Medien und Brands wie Medien und Telcos gegenüber und werden Konkurenten im Markt, während zum Beispiel Medien und Telcos früher kooperiert haben.

Bei Telcos werden inzwischen Plattformen als Medien wahrgenommen. Auch für sie stelllt sich die Frage: Was ist das erfolgreiche Medium der Zukunft?

Die drei Gruppen unterscheiden sich aber deutlich in ihren Interessen. Wer hat welches Interesse?

  • Medienunternehmen wollen PIs.
  • Telcos haben Interessen an Usern.
  • Marken wollen Kontakte, aber auch PIs generieren

Thomas Burg verweist auf David P. Reed

Wert eines Netzwerks hängt ab von den Möglichkeiten, Gruppen in ihm zu bilden.

„Es geht nicht mehr darum, Content zu providen oder user zu generieren, value proposition ist, als enabler aufzutreten.“

Dieter: Telcos verfügen am Stärksten üüber Boilling Relations.

content -> network -> enabler

Modell der in sich geschlossenen Monolihen ist tot, einbau von del.icio.us links bei NYT oder FT

Thomas Burg: alle wollen sich zu enablern entwickeln und suchen nach Möglichkeiten, daraus Erlöse zu generieren.

Beispiel: Facebook F8, social graph

Es geht um user account und user identität.

Dieter: Es ist wesentlich, account und identity zu unterscheiden, account ist nach innen gerichtet hat keine Relevanz für Wirkung nach außen.

Beziehungsmanagement kann ich nur generieren, wenn ich klar definierte Identität nach außen habe.

Identitätsmanagement ist Dreh- und Angelpunkt.

Richie: Texte über Online-Identität von vor 1o jahren, im Internet ist es viel interessanter, eine Nicht-Identität auszubilden

Dieter: Bei Google sind 30% der Suchenperson related search

Stichwörter: User centric identity management, firmenzenriertes identity management

Dieter: will ich als person eine konsistente identität haben?

Richie: netz als erstes adäquates medium für multiple identitäten

Dieter: Was ist massenmarkt-relevant?

Stichwort: Kontrolle von personas?

6 Kommentare zu “Barcamp Vienna: Dieter Rappolds Session

  1. Ein zusätzlicher Aspekt kommt in die Identitätsverwaltung, wenn Dave&Dave (Winer und Weinberger) Recht behalten mit ihrer Annahme, dass das Ende der closed social networks naht, d.h. wenn sich die walled gardens in ihre einzelnen Rabatten zerlegen. Dann wird Identitätsmanagement weniger eine Conveniencefrage als tatsächlich eine der Identität (im philosophisch-soziologisch-psychologischen Sinn).

  2. @markus:
    Er hat sich, wenn ich es richtig erinnere, auf die nettime-Leute bezogen. Dahinter steckte, bis in die Formulierungen, die französische Diskussion seit den 50ern, akso seit der Kritik am Konzept eines für sich selbst transparenten Subjekts bei Lacan.
    @markus+Markus:
    Es wäre wichtig, die Frage nach der Identität im Web „mit Foucaultschen Mitteln“ zu stellen. Ich wüsste gerne, wer das bereits tut.

  3. @Heinz – „die Frage nach der Identität im Web „mit Foucaultschen Mitteln“ … stellen“. Aua, das klingt nach Kopfweh :-))
    Mir ist bisher nichts derartiges untergekommen. Vielleicht habe ich aber auch nur das Falsche gelesen. Aber erfahrungsgemäß brauchen die Philosophen und selbst die Soziologen etwas länger, bis sie ein Phänomen durchgekaut haben. Insofern ähneln sie den Historikern 🙂

  4. @Markus: Ich freue, wenn ich bei Ausflügen ins Wesenlose sanft wieder auf den Boden geholt werde 😉
    Aber trotzdem: Foucault hat sich eigentlich immer mit den Beziehungen zwischen Wissen und Macht/Kontrolle beschäftigt, und er hat „Macht“ als ein verteiltes Phänomen untersucht. Wir bosseln alle gerade an neuen „Dispositiven der Macht“ herum (ich glaube so heißt ein Buch über Foucault). Da sollten wir uns vor zu viel Naivität hüten – und dabei könnten seine Texte helfen.

  5. Man hat mir ja schon vieles unterstellt, aber Sanftheit war noch nie darunter ;-))
    Im Ernst: Deine Warnung, dass wir uns vor Naivität in diesen Fragen hüten sollen – und vor technologiebasierter Euphorie, möchte ich ergänzen – kann ich nur unterschreiben. Aber den Foucault überlasse ich gerne dir.

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