Ich habe mich heute den ganzen Tag mit Studien beschäftigt, die meine Kollegen im WLL über die Webkommunikation steirischer Unternehmen schreiben. Ich komme immer mehr zu der Ansicht, dass man Content-Strategie als Antwort auf die Probleme verstehen kann, die Unternehmen und Organisationen im Web haben. Was eine Protagonistin der Content-Strategie, Erin Kissane, mit diesem Ausdruck meint, habe ich hier zusammengefasst. Hier Thesen zur Bedeutung der Content-Strategie für Unternehmen:

  1. Unternehmen und Organisationen haben Probleme mit der Konzeption und Pflege ihrer Websites und Social Media-Auftritte, weil sie Content nicht als selbständiges Thema begreifen. Sie erkennen nicht, dass Content so gemanagt oder »bewirtschaftet« werden muss, wie z.B. Facilities oder Wissen. Hausmeister steigen zum Facility-Manager auf, während Inhalte von Ungeschulten (und das können auch Vorstände sein) gepflegt werden.

  2. Content-Strategie ist keine Angelegenheit der PR (im herkömmlichen Sinn), des Marketing oder gar der EDV. Sie bildet eine eigene Disziplin, die sich mit der Entwicklung der Medieninhalte einer Organisation beschäftigt. Zu den Aufgaben der Content-Strategie gehört es sicherzustellen, dass die Inhalte die Ziele der Organisation bestmöglich unterstützen. Damit hat sie Querverbindungen zu vielen, manchmal fast allen Komponenten der Wertschöpfungskette.

  3. Content-Strategie ist notwendig, weil sich das Publizieren von Inhalten immer weniger von den anderen Aufgaben einer Organisation trennen lässt. Nicht nur jede Firma, auch jede Abteilung, jede Schulklasse und jeder Verein werden zu Medienanbietern. Content-Strategie hat den Sinn, diese Medien bewusst und abgestimmt zu entwickeln und zu gestalten.

  4. Content-Strategie ist ein Folge der Digitalisierung und des Webs, sie beschränkt sich aber nicht auf digitale oder Webinhalte. Das Web hat Inhalte dauerhaft und von den alten Verbreitungsmedien unabhängig verfügbar gemacht, es verallgemeinert die mediale Kommunikation, archiviert früher flüchtige Kommunikationsakte und macht es von den Inhalten abhängig, ob eine Organisation gefunden wird und welche Reputation sie hat. Die Content-Strategie geht aber in der Webstrategie so wenig auf wie das Fahrzeugdesign in einer Autobahnstrategie. 

  5. Content-Strategie ist heute interaktive Content-Strategie. Das bedeutet, dass sie von den Interaktionen einer Organisation mit ihren Bezugsgruppen abhängt. Versteht man Content-Strategie als Teil des userzentrierten Designs, dann baut sie auf dem Interaktionsdesign auf. Auf der anderen Seite erzeugt jede Interaktion mit Inhalten Daten, die wiederum die Entwicklung der Inhalte beeinflussen und verbessern sollten. Content-Strategie muss also eingebettet sein zwischen Interaktions- und Monitoring-Strategie. 

  6. Literacy oder Medienkompetenz ist das subjektive oder individuelle Gegenstück zur Content-Strategie. Beide setzen sich gegenseitig voraus und lassen sich in einer Organisation nur zusammen entwickeln. In der Content-Strategie drückt sich die Medienkompetenz der Organisation aus.

5 Kommentare zu “Content-Strategie und Unternehmen—sechs Thesen

  1. Gute Überlegungen. Allerdings stimme ich in Punkt 2 nicht wirklich überein. Denn ich frage mich, worum geht es bei einer Content-Strategie? Kompetenz beweisen? Reputation aufbauen? Dialog? Storytelling? Beziehungsmanagement? Wie auch immer: Aus meiner Sicht hat das eine Menge mit PR zu tun, und auch wenn ich über mögliche Kompetenzen in einer Organisation nachdenke, dann sind die Kompetenzen für eine Contentstrategie doch am ehesten in der Kommunikationsabteilung, oder?

  2. Um ehrlich zu sein: Ich habe mir vorgestellt, dass du den Text liest, und extra geschrieben: "PR im herkömmlichen Sinn". Damit meine ich eine PR, die mit Inhalten andere Prozesse unterstützt. Mir geht es darum, dass Inhalte immer mehr ein Teil des Kernangebots von Unternehmen werden. Ein plakatives Beispiel ist Red Bull. Dass die Kompetenz für Inhalte bei den Kommunikationsabteilungen liegt, glaube ich auch. Allerdings bremsen sie damit oft aus, was nicht in ihr Kommunikationsverständnis passt.

  3. Ok, verstehe. Da dieser Ansatz für mich mittlerweile so selbstverständlich ist, habe ich das „herkömmliche“ nicht fein genug wahrgenommen 😉 Nebenbei: da sind wir beim Thema „Begriffe“ – dazu kommt von mir heute noch was…

  4. Gefällt mir. Wobei ich zu These 1 sagen muss, dass Unternehmen zu 95% auf die Strategien verzichten. Da wird einfach zur Assistentin, Sekretärin oder noch schlimmer zum Praktikanten gesagt: „Wir müssen auf Facebook, richt was ein“. So braucht sich keiner wundern wenns nix wird.
    Wenn in diesem Prozess auch noch Geld an Social Media Werkzeugverkäufer (Agenturen) gegeben wird, die zwar tolle Seiten basteln können, im Grunde aber keine Ahnung von den Content & SM Strategien etc. haben, verschlechtert sich die Haltung gegenüber SoMe immens.

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