Ein paar sehr allgemeine Überlegungen zur Ökonomie von sozialen Medien. Ich beginne gerade, Yochai Benklers Wealth of Networks zu lesen. Ich weiß, dass es sich im Folgenden um so etwas wie Binsenweisheiten handelt und schreibe es nur zur Selbstvertändigung auf — oder um Hinweise zu erhalten. (Ich weiß leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe: „Ich muss mich für die Banalität meiner Meinung entschuldigen!“) Ich brauche eine Art Ausgangspunkt, um mich in dieses Gebiet irgendwann einarbeiten zu können.

Mir erscheinen drei Faktoren/Tendenzen bestimmend:

  1. Das erforderliche Kapital zur Produktion und Distribution ist niedrig; in den reichen Ländern ist bei der Mehrheit der Bevölkerung vorhanden. Sprich: Man braucht einen Computer oder ein gutes Mobiltelefon und eine Internet-Verbindung, um weltweit publizieren zu können. Jede Person und jede Institution kann also produzieren und anbieten, was sie produzieren und anbieten will. Diese Ausgangssituation ermöglicht, was Benkler als Commons Based Peer Production bezeichnet.
  2. Der User/Verbraucher kann aus dem Angebot frei auswählen und die Bestandteile frei kombinieren. Er kann potentiell auf alles stoßen und es verwenden (Stichwort: Long Tail), und er ist nicht an Vorgaben für die Auswahl gebunden (Stichwort: Unbundling the News).
  3. Medien/Informationen im Web sind digital, sie können mit digitalen Techniken kopiert, verändert und weiterbearbeitet werden. Es gibt potentiell keine Begrenzung für die Anzahl der Kopien und für die Möglichkeiten der Veränderung.

Bei diesen drei Faktoren handelt es sich nur um Tendenzen, es sind aber die Tendenzen, die für das Web charakteristisch sind, offenbar, weil sie für die Masse der Akteure ökonomisch am sinnvollsten sind. Die Masse der User profitiert nicht von Begrenzungen bei der Möglichkeit Medien und Informationen anzubieten (Stichwort: Netzneutralität), bei der Möglichkeit, Medien und Informationen zu rezipieren (Stichwörter: Paid Content, Proprietäre Formate) oder bei der Möglichkeit, Medien und Informationen zu kopieren und weiterzuverarbeiten (Stichwörter: Digital Rights Management, Urheberrecht). Sobald die Verbraucher entscheiden können, setzen sich diese Tendenzen durch. Wenn das stimmt, dann sind Medienhäuser, Verlage und Sendeanstalten nicht nur in einer kurzfristigen Krise: Die Medienökonomie im Web folgt ganz anderen Regeln als die in der analogen Welt, und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich Unternehmen und Business-Modelle von hier nach dort übertragen lassen.

7 Kommentare zu “Medienökonomie, Notizen

  1. Nur schade, dass das in meiner Firma niemand versteht. Bei uns wird manchmal noch gearbeitet, als gäbe es noch Telex-Maschinen als einziges Kommunikationstool.
    Aber das ist auch eine Chance. Das Vakuum, das viele Medienkonzerne im Netz hinterlassen, kann nun durch die Nutzer aufgefüllt werden. Die Flut an UGC könnte auch dadurch beschleunigt worden sein, dass die großen Medienkonzerne das Web verschlafen haben.
    Noch ist aber nicht gleich viel Geld wie Aufmerksamkeit im Netz. Aber wenn das Ungleichgewicht einmal beseitigt wird, dann wird es rasch sehr große Probleme für traditionelle Medienhäuser geben.

  2. @Georg
    Mir werden die Unterschiede zu den Offline-Business-Modellen selbst nur langsamklar; deshalb habe ich so plakativ geschrieben. Ich glaube, dass die Medienunternehmen im Netz sogar benachteiligt sind, mental, und auch weil sie konkurrenzierende Geschäftsmodelle verfolgen müssen, wenn sie dort erfolgreich sein müssen. Man kann das wohl am besten verständlich machen, wenn man von der User-Perspektive ausgeht.

  3. Ich bin der Meinung, dass Medienunternehmen im Netz quasi zwnagsläufig scheitern müssen. Angenommen man schnappt sich eine Ideologie wie Enzensbergers emanzipatorischen Mediengebrauch (und ich denke da kommt das neue Web schon ganz nah hin), dann muss man das auch zuende denken. und das heißt. Wenn alle Senden und empfangen ist das das Ende des institutionalisierten Journalismus und eines Großteils der institutionalisierten Unterhaltungsindustrie. Wenn das mal nicht die Medienunternehmen sind. IMHO wirds die journalistischen Medien ganz besonders hart treffen. Google, Yahoo Pipes und Delicious/Digg übernehmen die klassischen Funktionen des Journalismus: News Suche, News Aufbereitung und News Bewertung. hinzu kommen gerade bei Print die astronomischen variablen Kosten. Ich denke der Ansatz der Medienunternehmen ist grundsätzlich falsch. Man muss keine Medien fürs Internet machen. das Internet ist bereits das Medium.

  4. Gerade Google, Yahoo Pipes etc. sind als Argument leider völlig ungeeignet, da sie keine Produzenten journalistischer Information („news“) sind, sondern Aggregatoren, Distributoren und Archivare. Das kollektive Senden und Empfangen ist auch keine wesentliche Bedrohung des institutionalisierten Journalismus, da dieser – idealerweise – sich qualitativ definiert und ganz bestimmten Ansprüchen und gesellschaftlichen Funktionen genügen muss. Wenn wir hier nicht differenzieren, landen wir bei dem absurden Bild, dass man eine genügend große Horde von Affen nur lange genug auf Tastaturen klopfen lassen müsse, damit irgendwann die Sonette Shakespeare’s (per „Zufall“) entstünden.

  5. Da bin ich ganz anderer ansicht. Nachrichten werden nicht von Journalisten produziert. Nachrichten passieren einfach: Naturkatastrophen, politische Umwälzungen, technische Innovationen, wirtschaftliche Entwicklungen, gesellschaftliche Phänomene passieren ohne das zutun des Journalisten. Die Ausnahmen stellen Kampagnen-Boulevard-Journalismus ala Bild dar oder Gonzo-Journalismus, wo die „G’schicht“ erst durch die aktive Einflussnahme des Autors auf das Ereignis entsteht. Im übrigen entstehen zwar keine Sonette in der Horde tippender Affen, sondern ernstzunehmende Informationsquellen. Die Kunst besteht (wie bei der Konsumation von Journalismus im Übrigen auch) den Ramsch auszusortieren

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