Ich habe bis zum letzten Tag damit gezögert, mich an der 
#blokult11-Blogparade zu beteiligen, zu der mich Henrik Wietheger eingeladen hat. Nicht nur, weil ich Blogparaden als Kollektivveranstaltungen nicht besonders mag. Vor allem, weil »Kultur« für mich ein Haupt- und Staatswort ist, mit dem so viele Vorstellungen, so viel Kultur verbunden ist, dass sich dazu kaum etwas sagen lässt, das man nicht schon immer wieder gehört hat.

Dabei bin ich selbst so etwas wie ein Kulturbürger, wenn ich ehrlich bin. Über Sylvester war ich in München, und am 1. Januar bin ich in das Museum Brandhorst gegangen. Wenn ich nichts anderes tun müsste, würde ich wahrscheinlich einen großen Teil meiner Zeit in Museen und Theatern verbringen. Dabei und bei dem, was ich lese, folge ich auch noch einem sehr bürgerlichen Kanon. Das meiste in der Popkultur ist mir ein Graus. Einer der ersten Philosophen, die mich beeindruckt haben, war Adorno. Mit seinen Konzepten von Kultur kann ich mich noch immer identifizieren, auch wenn sie schon zu seinen Lebzeiten als stockreaktionär gebrandmarkt wurden.

Im Museum Brandhorst habe ich mir vor allem Bilder von Cy Twombly angesehen. Twombly ist mein Lieblingsmaler. Ausgehend von seinen Bildern und seiner Arbeitsweise kann ich mir und anderen vielleicht am ehesten erklären, was für mich Kultur ist und warum sie mir wichtig ist. Twomblys Bilder wirken auf viele wie Gekritzel von Kindern oder wie Zufallsprodukte. Twombly hat alles getan um zu verlernen, was ihm als »Kulturtechniken« vermittelt worden war. Er hat eine Zeitlang nachts im Dunklen gezeichnet, um sich von Stereotypen zu befreien. Er hat sich mit den einfachen, körperlichen Vorgängen des Zeichnens, Malens oder Schreibens beschäftigt, eigentlich eher damit zu kritzeln, Farbe zu verstreichen und zu verschütten, die Finger oder die Hand auf einer Unterlage zu bewegen.  Die Bilder, die Spuren, die er dabei erzeugt hat, sind aber nicht nur Zeugnisse dieser Gesten, sondern Erinnerungen, Relikte der Geschichte der Malerei und der Kultur. Sie haben Titel wie »Lepanto« oder »Bacchus«, weil in den spontanen Gesten unsere kulturelle Erinnerung lebendig wird, weil spontane und unkontrollierte Bewegungen nicht elementar sind, sondern wie Seismographen aufzeichnen, was vor ihnen geschah und was außerhalb passiert.

Ich verstehe die Bilder Twomblys nicht. Aber wenn ich versuche, die Bildsprache eines Künstlers wie Twombly zu begreifen, wird mir klarer, was Kultur sein kann: nicht etwas das man besitzen oder »sich aneignen« kann, sondern eher etwas mit dem Körper Verbundenes: ein unbegrenzter Gedächtnis- und Echoraum, den man nur bemerkt, wenn man sich selbst in ihm bewegt.

'Bacchus' von Cy Twombly, Eiserner Vorhang in der Wiener Staatsoper, Saison 2010/2011

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