Vermutlich ist das einschneidende Moment, dass die Bezugsgröße Staat für „die Gesellschaft“ an Relevanz verliert, weil Begegnungsstätten, an denen sich Gruppenidentitäten herausbilden, im Netzwerk nicht mehr an physische Nähe gebunden sind. Globalisierung im Hyperdrive.
Die Technik, die ja nur eine weitere Ebene der mediengestützten Kommunikation für diesen Prozess bildet, hat sicherlich eigene Wirkung, aber ob sie zum bestimmenden Element wird, wage ich zu bezweifeln. Agentivität bleibt trotzdem dem Menschen vorbehalten, diesen Faktor halte ich in jedem Paradigma für nicht wegzudenken. Selbst systemtheoretische Ansätze müssen den Impulsen unberechenbarer Akteure Rechnung tragen. Gesellschaft ist ein passables Konstrukt, die Interaktion verschiedener Interessen und Agenten abzubilden.
Das passende Konstrukt bleibt Gesellschaft auch, wenn das Netz da neue Ebenen der Interaktivität hinzufügt, selbst falls das Netz tatsächlich einmal eine eigene Agentivität entwickeln sollte. Die wäre zwar mangels Intentionalität nicht „echt“ – aber wenn Algorithmen vom Menschen als Agenten wahrgenommen werden, reicht das ja aus, um systemrelevant zu sein. So eine Entwicklung wird das Konstrukt von Gesellschaft erweitern, aber nicht ablösen – denn das Netz ist dann Teil der Gesellschaft, nicht Ersatz. Die Menschen hören ja deswegen nicht auf, intentional zu interagieren.