Am Mittwochabend waren Brigitte Radl und ich in Gleisdorf zu einem Gespräch mit Winfried Lechner und Martin Krusche. Mir ist noch nie so deutlich geworden, wie eng soziale Medien mit der Ethik von Organisationen und ihrer Kultur zusammenhängen.

Anlass des Gesprächs war die Online-Kommunikation der Firma Ingenos.Gobiet, deren Geschäftsführer Winfried Lechner ist. Wir haben uns aber nicht über Tools und Strategien unterhalten, sondern über Inhalte. Winfried Lechner hat uns im Detail deutlich gemacht, was der Anspruch auf Nachhaltigkeit für eine Firma bedeuten kann, die große und komplexe Bauvorhaben plant. Martin Krusche hat das Gespräch in seinem Blog zusammengefasst und weitergeführt.

Mir ist etwas klargeworden, das sich, wenn man es in einem Satz formuliert, wie eine Binsenweisheit ausnimmt: Nach einer Kommunikationsstrategie zu fragen heisst, zu fragen, was eine Person, eine Firma oder Organisation zu sagen hat. Wenn man nicht anderen etwas nahebringen, etwas von ihnen wissen oder sie von etwas überzeugen will, hat die Kommunikation keine Funktion. Bevor eine Organisation sich fragt, was sie mit Social Media machen kann, muss sie beantworten, für welches Thema, für welchen Wert sie steht.

Außerdem ist mir etwas deutlicher geworden, was ich im Cluetrain Manifest und der ganzen darauf folgenden Literatur immer wieder gelesen habe: Im Web gehören Botschaft und Aktion zusammen. Webkommunikation, soziale Medien oder wie immer man es nennt, sind nicht Werkzeuge für Inhalte, die man auch mit Massenmedien an die »Zielgruppe« bringen kann. Sie sind Formen der transparenten öffentlichen Kommunikation, der Debatte und der Zusammenarbeit, bei denen Inhalte und Kollaboration sich wechselseitig unterstützen. Es ist kein Zufall, dass Tim O’Reilly, der den Ausdruck Web 2.0 populär gemacht hat, das Web als Sustainability Platform versteht.

Ein dritter Punkt: Wichtig ist auch bei Sozialen Medien nicht nur, was man sagt, wo und wie man es sagt, sondern auch, wer es sagt. Es ist etwas anderes, ob ein Unternehmer über Nachhaltigkeit spricht, der damit erklärt, wie er handelt, oder ob jemand über Nachhaltigkeit philosophiert, für dessen Praxis dieses Thema nur im Privatleben wichtig ist. Die Botschaft muss nicht nur etwas transparent machen, sondern auch diejenige oder denjenigen, der spricht. Sie muss reflexiv sein, nicht im Sinne der ausdrücklichen Reflexion, sondern im Sinne der Selbstbeschreibung und -erklärung.

Keine dieser drei Fragen (Für welches Thema, welchen Wert stehe ich? Wie will ich mit anderen zusammenarbeiten? Erklärt das, was ich sage, das was ich tue?) ist Social Media-spezifisch. Im Web stellen sie sich nur neu. Wenn man sie beantworten kann, hat man die wichtigsten Probleme einer Web-Strategie gelöst.

3 Kommentare zu “Social Media sind nicht wertneutral

  1. Die m.E. immer pressierlicher werdende Problematik dabei ist aber, dass die (Sorry des Klartextes wegen) in erheblichem Anteil zu „ehrarmer Bezahl-Journaille“ verkommende 4.Macht im Staate, die JournalistInnen, sich nicht mehr als Verantwortungsträger verstehen, die insb. Informationen/Fakten/Manipulationen/Fakes in aufnehmbares/attributiertes/nachvollziehbares Wissen wandeln.
    Obige im Blog/Gleisdorf erwähnten teils ehrliche Bemühungen, wie auch das Überhandnehmen des Anhimmelns von „tough, da auswärts stinkenden Öko-Fakes“, werden sodann im immer misstrauischer werdenden Publikum per se ignoriert. Und die FB-Szene klopft sich ignorant dem gegenüber gegenseitig auf die Schultern … schlückerlt am Aperol/Glühpunsch, und denkt wie toll …
    Wäre schön, wenn seriös wertende & unaufgeregt begründete Beiträge wieder zu einem relevanten Bestandteil der SocialMedia-Texte würden 😉

  2. Sorry, aber ganz verstehe ich den Kommentar nicht. Bei jedem anonymen (und das heisst meist: feigen) Kommentar bin ich übrigens versucht, ihn zu löschen, weil die Nachvollziehbarkeit so eben oft nicht gegeben ist.
    Im Augenblick bemüht sich die Social Media-Szene jedenfalls zunehmend erfolgreich um Transparenz, wie hier z.B. die Arbeit von Kobuk zeigt. In anderen Ländern riskieren Mitglieder der FB-Szene bei Revolutionen ihr Leben. Dass Journalisten ökonomischen und anderen Zwängen unterworfen sind, ist dabei nichts Neues.

  3. net glei beissen 😉
    Gerade http://www.kobuk.at oder http://www.achgut.com oder … sind, egal der jeweiligen politischen Präferierung, identifizierbare & wertende Leuchten – vollends im positiven journalistischen Sinn. Solch Gutes gilt es zu loben, und das andere zu knackig bemängeln, dacore!?
    Betreff der „Zwänge“ teile ich die generöse Meinung nicht, dass es eben so sei … denn genau das impliziert, dass der selbst lobgehudelte Ethos der Medien ein Mythos ist, siehe eben die aufgedeckten Ergebnisse von Kobuk über abstruse Real-Journaille.
    Wo bleibt da die Abgrenzung/Aufschrei der reellen Medienleute gegen solche „Umtriebe“, die schlussendlich allen Guten massivst schaden?
    So, genug gemosert & „viel Erfolg“!

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