Gestern hat Stefan getwittert:

Protestierende FH-Studierende sollten umgehend an Unis zwangsversetzt werden. Dort gehts euch besser, wirklich jetzt! [Twitter / Stefan: Protestierende FH-Studiere …]

Jochen Hencke, Studierendensprecher unseres Studiengangs (und Urheber des Titels dieses Beitrags) bloggt dagegen:

gerade die performance der gesamten fh joanneum ist sehr schwach. keine solidaritätsbekundungen, keine diskussion, keine information der studenten – nichts. auf der fh joanneum findet ein protest scheinbar nicht statt. warum ist das so? interessiert’s uns nicht, weil wir ja eine fh sind?! [schneeengel.de – der blog]

Einige meiner Studenten engagieren sich bei den Protesten hier in Graz, in der Vorklinik und jetzt auch an der FH selbst bei einem FH Plenum, zu dem gestern aufgerufen wurde. Welche Haltung dazu habe ich als Lehrender? Die Studenten haben ein Recht darauf, dass die Lehrenden ihre Meinung zu den Aktionen äußern—erst recht Lehrende an einem Studiengang, der sich mit öffentlicher Kommunikation beschäftigt.

Ich bin sicher: Als Student würde ich mich an den Aktionen beteiligen, auch hier an der FH. Warum? Ich bin nicht dafür, hier den Zugang zu den Studiengängen unterschiedslos zu öffnen, und ich vermute, dass sich die Studienbedingungen bei uns aus der Perspektive etwa von Publizistik-Studenten in Wien fast ideal ausnehmen. Trotzdem gibt es Gründe zum Protest: Auch die FHs gehören zu den österreichischen Hochschulen und sollten auf allen Ebenen als Teil der östereichischen Hochschullandschaft agieren statt als Insel der Seligen bzw. manchmal der Parias. Außerdem werden auch die FHs immer mehr gezwungen zu sparen—zu konsolidieren, wie es in der Sprache der Bürokraten heisst.

Wir lehren nicht auf einer Insel

FH-Studenten sind von den Bedingungen an den Universitäten unmittelbar betroffen. Nicht nur, weil in einigen Fächern die Maturanten an die FHs strömen, um den Verhältnissen an den Universitäten zu entgehen. Durch den Bologna-Prozess werden die Systeme durchlässig: Immer mehr FH-Studierende werden nach dem Bachelor an Universitäten weiterstudieren und umgekehrt. Schon jetzt promovieren einige unserer Absolventen an der Uni Wien. Wir können nicht sagen, dass die Zustände an den Universitäten uns nichts angehen.

Auch FHs brauchen mehr Studienplätze

Dass im Bildungssystem gespart wird, ist auch an den Fachhochschulen deutlich zu spüren. Ich habe erst in der letzten Woche gehört (habe es aber noch nicht überprüft), dass der dafür zuständige Fachhochschulrat zur Zeit keine neuen Studienplätze an FHs mehr genehmigt. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge muss (jedenfalls an unserer Hochschule) kostenneutral erfolgen. Folge: Es gibt deutlich weniger Master- als Bachelor-Studiengangsplätze. Viele, die gerade mit einem Bachelor-Studium begonnen haben, werden bei uns keinen Master machen können. Bei neuen Bachelorstudiengängen z.B. für medizinische Berufe gibt es kaum eine Chance, Masterstudiengänge einzurichten—obwohl gerade diese Berufe „akademisiert“ werden sollen. Bei Anschaffungen, Exkursionen u.ä. spüren meine Kollegen und sicher auch viele Studierende den Sparzwang immer wieder.

Forschung an den FHs darf nicht nur vom Markt abhängen

Es wird für die FHs noch schwieriger eine Aufgabe zu erfüllen, die sie neben der Lehre haben und die ihren akademischen Anspruch mitbegründet: die Forschung. Östereichische Fachhochschulen erhalten für Forschung keine Grundfinanzierung, müssen also alle Forschungsgelder auf dem Markt akquirieren—mit den entsprechenden Folgen für die Freiheit von Lehre und Forschung. Je mehr in der Bildung gespart wird, desto weiter sinken die Aussichten für uns, selbstgesteuert forschen zu können. Das bedeutet auch ein Risiko für die Qualität der Lehre.

Muss es so laut sein?

Muss man demonstrieren und Hörsäle besetzen um den Hochschulen zu helfen? Man muss! Manche Argumente der Studenten mögen platt sein, aber sie stimmen leider: Die Finanzkrise hat Panik in Politik und Wirtschaft ausgelöst, die Bildungskrise wird von vielen Politikern offenbar nicht einmal wahrgenommen. Christian Felber von attac hat Recht, wenn er in seiner Rede vor den Wiener Studenten im Audimax sagt:

Es ist ein Skandal, dass der Staat die Finanzierung der Banken 40mal wichtiger einstuft als die Finanzierung der Hochschul-Bildung.

Dieses Missverhältnis kann man selbst als Neoliberaler als Skandal werten.

Ein neues 68?

Noch eine Bemerkung: Manchmal hört man, bei den Protesten jetzt handele es sich um ein neues 68. Das wäre fatal, denn die Studentenbewegung damals endete in den Fraktionskämpfen diverser Uralt-Linker (deren Nachkommen wohl auch jetzt aktiv werden). Es wäre schade, wenn die neue Qualität der Proteste—die Selbstorganisation, das Umgehen der herkömmlichen Vertretungsmaschinerien und Funktionärsapparate, die Verwendung sozialer Medien— einer ähnlichen Erstarrung zum Opfer fielen.

(Für die, die diesen Beitrag lesen, ohne mit Blogs vertraut zu sein: Dies ist ein Blogpost. Es handelt sich um einen Adhoc-Diskussiosbeitrag. Ich freue mich über Widerspruch und über Korrekturen in den Kommentaren oder in anderen Blogs.)

Ein Kommentar zu “Uni brennt—FH pennt?

  1. Wenn ich hier schon erwähnt werde, muss ich ja fast zu meinem Tweet Stellung beziehen. 😉
    Der Tweet war als provozierende Antwort auf „Nehmt der Wirtschaft die FHs weg!“, einem Transparent im Audimax der Uni Wien, gemeint.
    In der darauffolgenden Diskussion hast du auf einige Aspekte hingewiesen, wo es den Fachhochschulen auf alle Fälle an Geld fehlt – z.B. bezüglich Forschungsfinanzierung. Diese Forderungen unterstütze ich sehr, sehr gerne.
    Was ich jedoch nicht unterschreiben kann, und mich wundert es generell, wie man als FH-Studierender Forderungen nach freiem Hochschulzugang – und nichts anderes macht man, wenn man diesen Protest im AM unterstützt – unterstützen kann, wo man doch selbst von den dadurch viel besseren Studienbedingungen profitiert, sind die Forderungen der Besetzer, auch wenn sie sich mittlerweile schon etwas von linksradikaler Parolenschwingerei wegentwickelt haben.
    Gerne würde ich mich einem „neutralen“ Protest für mehr Investitionen in das Bildungssystem anschließen, die anfänglichen Parolen, live z.B. im HS1 NIG miterlebt, haben mich so weit abgeschreckt, dass ich mich mit diesen Protestierenden nicht mehr solidarisieren kann. Also genau jene Radikalität und politische, die du in deinem letzten Abschnitt als Teufel an die Wand malst, ist schon seit Beginn der Proteste Teil eben jenes. Wenn anders denkenden und argumentierenden Studierenden mit „Jetzt fang doch selbst mal an zu denken du Depp“ (Zitat eines Protestführers im HS1) begegnet wird, dürfen sich die Leute im Audimax nicht wundern, wenn ihnen keine uneingeschränkte Solidarität seitens aller Studierenden entgegengebracht wird.
    Nachdem ich mittlerweile beide Hochschultypen kenne, kann ich nur sagen, dass ich schnellstmöglich wieder an eine FH zurück will. 🙂

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