Als Printmacher kann ich mir erlauben hier zu sagen, dass zehn Prozent der publizierten Inhalte in Zeitungen Schrott sind und bei den Blogs ist es genau umgekehrt: 90 Prozent sind Schrott. „

Wie die regelmäßigen Technorati-Meldungen über -zig Millionen aktiver oder neuer Blogs suggeriert Michael Fleischhackers Statement: Eine Flut von Blogs überschwemmt den nach Orientierung suchenden Leser; er kann von Glück sagen, dass seriöse Journalisten in den Printmedien für ihn die Spreu der Nachrichten vom Weizen trennen.

Ist es so? Seit einigen Tagen suche ich nach Blogs, die hier in Graz geschrieben werden oder sich auf Graz beziehen. Vielleicht finde ich die richtigen Suchmaschinen nicht, bisher ist mein Ergebnis: die Zahl der Blogger liegt viel niedriger als die Zahl der Journalisten — und es sieht auch nicht so aus, als produzierten sie mehr Schrott als Grazer Qualitätsblätter wie Der Neue Grazer, graz im Bild, ok, heute oder die Steirerkrone.

Technik-affine Blogs

Ein größerer Teil der nicht rein privaten Weblogs ist Technik- oder eher: IT-affin.
Michael Prokop bloggt vor allem über Open Source-Themen. Tobias Witte beschäftigt sich mit .net-Themen. Ich habe zwei kollektive Blogs zu IT-Themen gefunden, das der Grazer Apple User Group und das der Firma video2brain. Zu dem im weiteren Sinn IT-affinen Weblogs kann man außer Jürgen Zechners Zeckomat wohl auch das E-Learning-Blog zählen, das Martin Ebner und seine Kollegen täglich aktualisieren. Es wurde in kurzer Zeit zu einem der am meisten gelesenen Blogs aus Graz. Inzwischen informiert auch der Virtuelle Campus an der FH Joanneum in einem Blog über Events an der FH und an Partner-Hochschulen.

Hochschul-Blogs

An der TU und an der FH Joanneum werden Blogs immer mehr im Unterricht verwendet. Wirklich populär ist das Bloggen bei den Studenten aber noch nicht. An der TU hat Martin Ebner das Learning Land eingerichtet. Der jüngste Jahrgang unsere JuK-Studenten schreibt das Übungsblog onlinejournalismus 06. Ich verfolge einige private Blogs meiner Studenten, so die von Tanja, Lia und Issi. Norbert Hillinger hat ein Blog zu seiner Diplomarbeit angelegt, das man aber nicht mehr zu den Grazer Weblogs rechnen kann, genau so wenig wie — leider — die Blogs von grr und cdw.

„Independents“

Das ist keine große Ausbeute; noch dünner wird es außerhalb den IT- und Hochschulszene. Eines der witzigsten lokalen Blogs ist das Grazer metroblog, dessen Autoren zum Teil zur Künstlergruppe monochrom gehören. Leider weitgehend eingeschlafen ist der mursurfer; Birgit Baustädter berichtet dort inzwischen über die queere Szene in Graz. Mit Michaela Linhart, Georg Linhart und Harald Sturm bloggt ein ganzes Team Grazer Unternehmensberater. Ausgerechnet ein Blauer, Georg Mariacher, betreibt das (wirklich?) einzige Grazer Politikerblog. Nicht mehr aktualisiert wird — leider — ein Fotoblog über Graz. Ohne Text kommt das Graffiti-Blog von stare.at aus.

Blogs als journalistische Form

Die endlosen Debatten über Bloggen und Journalismus hin oder her: Zwei Zeitungen, nämlich die „Kleine“ und ok, sind so etwas wie Schwergewichte in der Grazer Blogosphäre — wenn die schiefe Metapher erlaubt ist. (Kommunikation unter den Grazer Bloggern über ihre Weblogs gibt es bisher nicht.) Die Kleine bietet eine Plattform für Leser wie für ihre Redakteure; die Gruppen gehen dabei ineinander über. (Ich nenne die Blogs nicht im einzelnen, sie haben einen eigenen Beitrag verdient.) ok setzt ebenso auf Weblogs als journalistische Form. Auf der Website finden sich unter dem schönen Untertitel „alles andere ist subjektiv“ Weblogs von Studenten im Ausland und zu Kulturthemen.

Schrott?

Geht man von der Grazer Mikroblogosphäre aus, kann man kann sicher nicht sagen, dass Horden unbedarfter Schreiber via Weblog „Schrott“ in die Welt setzen. In der Provinz werden die Möglichkeiten der neuen Form nur zögernd ergriffen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob der aktuelle Zustand der Blogosphäre in einer Stadt wie Graz ein frühes Stadium in der Entwicklung eines neuen Mediums widerspiegelt, oder ob der Hype um das Bloggen schlicht übertrieben ist. Als Medium der öffentlichen Selbstverständigung werden Weblogs jedenfalls im Augenblick nur selten verwendet.

Bloggen ist — auch — Arbeit, und Blogger wie Blog-Leser handeln nicht ohne persönliche Kosten-/Nutzen-Analyse. Allein deshalb glaube übrigens ich nicht, dass die Gefahr einer massiven Überflutung mit wertlosen Inhalten tatsächlich besteht. Bei den wenigen Grazer Weblogs ist meist klar zu erkennen, welche Ziele mit ihnen erreicht werden sollen; in einigen Fällen ahnt man, dass der Aufwand ihren Autoren schon jetzt zu hoch ist.

(Wen/was habe ich vergessen? Ich freue mich, wenn in den Kommentaren weitere Weblogs aus Graz genannt werden.)

15 Kommentare zu “Wer bloggt in Graz?

  1. One man’s Schrott is another man’s diamond. Die Arroganz mancher Journalisten, dass die Qualität einer Information vom Sender und nicht vom „Rezipienten“ bestimmt (evaluiert) wird, ist einfach unerträglich.
    Leider gibt es kein emoticon für ungläubiges Kopfschütteln.

  2. wer bloggt ingraz?
    mein online-journalismus-lehrer und regelmäßiger ideengeber heinz wittenbrink gibt einen schönen überblick über die grazer blogosphäre. allzu rosig sieht es leider nicht aus in der zweitgrößten stadt österreich. hoffentlich ändert sich das bi…

  3. who is blogging in graz
    heinz wittenbrink gives an overview about weblogs in graz [sorry, only in german]. of course, the metblog is mentioned. unfortunately graz does not seem to have (too) many weblogs, or does it? feel free to add some more in the…

  4. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Blogs einfach nur geschrieben werden, um „geistige Ergüsse“ und gefundene Dinge festzuhalten, damit man sie später schnell wieder finden kann. Dass dann auch andere drauf gucken, ist eher eine Folge der alles-fressenden Suchmaschinen-Bots.
    Aber cool, dass Du meine kleine Internetecke erwähnt hast 🙂
    LG, Tobias

  5. Mein neuester Tipp: die Website von „Radio Graz“ ist ein einziger grosser Weblog zum Sender. http://www.radiograz.at – alle Einträge können sofort auch kommentiert werden. die einträge sind vor allem bei talkshowthemen wie „sturm graz“ oder „susanne winter“ interessant. Die Website ist seit Ende Februar online.

  6. Ein europäischer Shcwertkamfmeister namens Lichtenauer meinte einmal: „Alles hat eine Länge und ein Gewicht, auf das rechte Maß kommt es an.“ Und genau das gilt mMn auch für die Aussage von Michael Fleischacker. Als – mittlerweile – langjähriger Chefredakteur der Presse stellt Fleischacker natürlich weitaus höhere Anforderungen an die Qualität de facto journalistischer Tätigkeiten, als der durchschnittliche – im Fachgebiet ungeübte – Otto-Normal-Verbraucher (oder müsste es heißen: Otto-Normal-Blogger?) zu produzieren in der Lage ist. Das wäre demnach die erste Hälfte des Schrotts in Fleichackers Augen. Die zweite Hälfte des Schrotts mag dann aus Blogs bestehen, die für Nicht-betroffene einfach nicht relevant sind. Ein ganzer Haufen Leute betrachtet die eigenen Blogs z.b.: eher als eine Art persönlichen Tagebuchs, das zu lesen in der Regel natürlich keinen maßgeblichen Einfluss auf das Weltgeschehen haben wird. Dies mag ein Redakteur eines Printmediums in horrenden Auflagenzahlen möglicherweise als Schrott empfinden. Die Blogautoren werden dies naturgemäß anders sehen.

  7. Ja, Schrott gibts auf Blogs definitiv, wobei es ja eigentlich Auslegungssache ist, ob etwas nützlich ist oder eben Schrott. Aber so ist eben das Internet, jeder kann sich verwirklichen und das ist gut so. Wenn jeder nur 10% sinnvolles von sich gibt ist schon vielen geholfen.

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