Schwierige Fragen, die mich ganz ähnlich auch immer wieder beschäftigen.
Für mich ist weitgehend klar, dass es für unsere Lehre eine Referenzwissenchaft gibt, genauer: zwei. Die eine würde ich als Journalistik bezeichnen, die andere ist PR. Beide sind nach meinem Verständnis Teile der Kommunikationswissenschaften, aber doch zwei paar Stiefel.
Die Frage des Selbstverständnisses akademischer PR-Ausbildung diskutieren wir übrigens derzeit in der DGPuK. Ich habe gerade auf der Jahrestagung mit René Seidenglanz (Uni Leipzig) einen Entwurf eines Selbstverständnispapiers vorgestellt, das nun den Mitgliedern der Gesellschaft zur Diskussion steht. Im Herbst hoffen wir, ein fertiges Papier zu haben (bei Interesse gern per PM).
In diesem Zusammenhang ist mir schon wichtig, dass ein Hochschulstudium auch in den Feldern Journalismus und PR etwas anderes ist als eine reine Praxisausbildung, wie sie von vielen Einrichtungen angeboten wird. Hierzu gehört IMO neben der stärkeren Reflexion vor allem der enge Einbezug der Forschung. Hier geht es darum, ich zitiere unseren Entwurf, „fundierte Erkenntnisse zu grundlegenden Phänomenen zu gewinnen, Tendenzen und Entwicklungen nachzuzeichnen und Erklärungsmuster bereitzustellen“. Letztlich bin ich davon überzeugt, dass wissenschaftliche Erkenntnis die Qualität der Praxis verbessern helfen kann und das reine Alltagswissen des Berufs seine Grenzen hat. Zwei simple Beispiele: Die Nachrichtenwerttheorie hilft mir, bessere Presseinfos zu schreiben, und Studien zum Rollenbild von Journalisten helfen PR-Leuten, Journalisten besser zu verstehen.
Ob und wie sich das in Abschlussarbeiten niederschlägt, ist sicher Ansichtssache und von der Konstellation abhängig: Auch bei uns gibt es „Werkstücke“ wie beispielsweise PR-Konzeptionen oder Online-Dossiers – so wie es auch klassische wissenschaftliche Arbeiten gibt. Bei den Praxisarbeiten kommt es aus meiner Sicht auf das Thema an, ob und wie da die Wissenschaft ins Spiel kommt – über’s Knie brechen muss man das sicher nicht, sonst wird’s zu leicht zur flachen Pflichtübung.
Wenn aber jemand z.B. den Pressebereich für eine Unternehmenswebsite konzipiert, dann erwarte ich schon, dass er oder sie wissenschaftliche Erkenntnisse (z.B. zum Rechercheverhalten von Journalisten oder zur Websitegestaltung) oder/und wissenschaftliche Methoden (z.B. Focusgruppen, Befragungen) einbeziehen bzw. anwenden kann.
Dein Ansatz, eine stringente Argumentation zu erwarten, scheint mir plausibel, denn das schließt alles ein, was für die jeweilige Aufgabenstellung als Bausteine zur Verfügung steht – eben Erkenntnisse aus Forschungsprojekten, Theorien, aber auch Praktikerwissen. Bei Praxisarbeiten kann sich das z.B. auch in der Dokumentation zeigen (so heißt der begleitende Teil bei uns): Hier zeigt sich an der Darstellung und Begründung des Vorgehens sowie an der Reflexion (was wären andere Ansätze gewesen, was ging warum schief, wie wäre es besser gewesen? etc.) die Stringenz der Argumentation und damit die Verinnerlichung des gelernten praktischen und akademischen Wissens.