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Gestern zum zweiten Mal auf einem Barcamp in Wien. Der Rahmen war ganz anders als beim letzten Mal: statt dem One Smart Space, einem inspirativen Freilicht-Museum der Dotcom-Blase, das WerkzeugH, ein Mashup aus Lokal und Kreativraum. Direkt dahinter die noch unfertige k-werkstatt von Knallgrau, alles zusammen ergab eine Labor-Atmosphäre die zu einer Unkonferenz sehr gut passt. Die Teilnehmer waren fast alle aus Wien, noch mehr als beim letzten Mal hatte die Veranstaltung Konversationscharakter. Ein schwüler heißer Tag, nachmittags Gewitter und Regen, die Diskussionsfreude vielleicht deshalb etwas gedämpft. Bewundernswert die minimalistische Regie; unterstützt durch das WerkzeugH-Team. Dramaturgischer Höhepunkt: Konzeption und Realisierung der Web 2.0-Killerapplikation shittr — eines „Service, den die Welt nicht braucht“ (Achtung: Launch steht unmittelbar bevor!).

Ich war gestern etwas zu angekämpft, um mich aktiv zu beteiligen, und habe intellektuell schmarotzt. Nicht mal zu shittr ist mir etwas eingefallen. Aber ich habe viel gelernt und genossen, einen ganzen Tag mit Leuten zu verbringen, die sich ziemlich genau für dieselben Dinge interessieren wie ich. Teilnehmer der Altersklasse 50+ gab es außer mir wohl kaum, warum eigentlich? Und nach wie vor ist der Männerüberschuss bei solchen Events erdrückend. Warum interessieren sich so wenige Frauen für das Entwickeln für das Web? Sind bestimmte Varianten des Spieltriebs bei ihnen tatsächlich weniger ausgeprägt als bei uns Männern?

Notizen von den Sessions/Gesprächen, die ich mitbekommen habe, in den nächsten Postings!

Ein paar sehr allgemeine Überlegungen zur Ökonomie von sozialen Medien. Ich beginne gerade, Yochai Benklers Wealth of Networks zu lesen. Ich weiß, dass es sich im Folgenden um so etwas wie Binsenweisheiten handelt und schreibe es nur zur Selbstvertändigung auf — oder um Hinweise zu erhalten. (Ich weiß leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe: „Ich muss mich für die Banalität meiner Meinung entschuldigen!“) Ich brauche eine Art Ausgangspunkt, um mich in dieses Gebiet irgendwann einarbeiten zu können.

Mir erscheinen drei Faktoren/Tendenzen bestimmend:

  1. Das erforderliche Kapital zur Produktion und Distribution ist niedrig; in den reichen Ländern ist bei der Mehrheit der Bevölkerung vorhanden. Sprich: Man braucht einen Computer oder ein gutes Mobiltelefon und eine Internet-Verbindung, um weltweit publizieren zu können. Jede Person und jede Institution kann also produzieren und anbieten, was sie produzieren und anbieten will. Diese Ausgangssituation ermöglicht, was Benkler als Commons Based Peer Production bezeichnet.
  2. Der User/Verbraucher kann aus dem Angebot frei auswählen und die Bestandteile frei kombinieren. Er kann potentiell auf alles stoßen und es verwenden (Stichwort: Long Tail), und er ist nicht an Vorgaben für die Auswahl gebunden (Stichwort: Unbundling the News).
  3. Medien/Informationen im Web sind digital, sie können mit digitalen Techniken kopiert, verändert und weiterbearbeitet werden. Es gibt potentiell keine Begrenzung für die Anzahl der Kopien und für die Möglichkeiten der Veränderung.

Bei diesen drei Faktoren handelt es sich nur um Tendenzen, es sind aber die Tendenzen, die für das Web charakteristisch sind, offenbar, weil sie für die Masse der Akteure ökonomisch am sinnvollsten sind. Die Masse der User profitiert nicht von Begrenzungen bei der Möglichkeit Medien und Informationen anzubieten (Stichwort: Netzneutralität), bei der Möglichkeit, Medien und Informationen zu rezipieren (Stichwörter: Paid Content, Proprietäre Formate) oder bei der Möglichkeit, Medien und Informationen zu kopieren und weiterzuverarbeiten (Stichwörter: Digital Rights Management, Urheberrecht). Sobald die Verbraucher entscheiden können, setzen sich diese Tendenzen durch. Wenn das stimmt, dann sind Medienhäuser, Verlage und Sendeanstalten nicht nur in einer kurzfristigen Krise: Die Medienökonomie im Web folgt ganz anderen Regeln als die in der analogen Welt, und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich Unternehmen und Business-Modelle von hier nach dort übertragen lassen.

MT4 is also pushing itself as „a social media platform“, which allows users to turn their audiences into communities. In effect this means that readers can become members of a website, with rights to post alongside authors – including sharing photos, videos, and audio.

Der Ausdruck Social Media wird langsam alltäglich [Movable Type 4.0 Announced – Becomes Social Media Platform, via walterra].

Gestern hat mich Matthias Revers von meiner Lieblingszeitung Steiermark-Falter angerufen, weil er über Blogger in Graz recherchiert. Unter anderem hat er mich gefragt, warum man sich das Bloggen überhaupt antut, und ich habe wahrscheinlich ziemlich deppert geantwortet: für die Reputation, als Archiv, zur Kommunikation — wobei mir da inzwischen die Kommunikation am wichtigsten ist. Aber ich hätte auch antworten können: Weil man schreiben kann, wozu man Lust hat, weil man ganz allein entscheidet, was einem wichtig ist. Der Witz beim Bloggen, oder: ein Witz ist, dass man sich sein persönliches Medium kreiert und niemand davon überzeugen muss, dass interessant ist, was man schreiben will. Die Leser werden herausfinden, was sie interessiert, auch wenn ihnen keine Redaktion vorgibt, worauf sie zu achten haben.

Habe heute ein paar Links zu Facebook gesammelt und mich versuchsweise registriert. Ich will die Möglichkeiten der Plattform kennenlernen, die Facebook gerade erst für externe Entwickler geöffnet hat. Mich interessiert natürlich auch, ob sich Facebook für den Unterricht verwenden lässt. Zwei Gegenargumente, die sich schwer aus dem Weg räumen lassen:

  1. Es handelt sich um eine proprietäre Plattform. Es gibt keine Sicherheit für die Daten, und der Dienst kann jederzeit kostenpflichtig werden. Worauf man sich bei Facebook einlässt, ist in diesem Kommentar auf drupal.org gut zusammengefasst.
  2. Facebook ist eine Plattform für Studenten. Die werden sich bedanken, wenn sich plötzlich Lehrer und Professoren unter ihre Freunde mischen.

Unabhängig davon ist es äußerst spannend,sich mit den Möglichkeiten von Facebook zu beschäftigen. Eine ganze Reihe von Services [sind bereits integriert](integriert](http://mashable.com/2007/05/24/facebook-platform-30-apps/ „Facebook Platform: 30+ Awesome Applications for Facebook“), so dass man seine Facebook-Seite als eine Art digital hub verwenden kann. Bemerkenswert ist auch, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg [explizit von einem social graph als Basis des gesamten Service und seiner Erweiterungen](http://blogs.zdnet.com/BTL/?p=5156 „Facebook’s Zuckerberg uncorks the social graph | Between the Lines | ZDNet.com“
) ausgeht. Vielleicht entwickelt sich Facebook tatsächlich zu einer Art Google unter den Social Network Sites.

Heute habe ich (als Gast) eine Doppelstunde Medienethik unterrichtet. Nicht ungern, denn ich kann dabei an mein — unterbrochenes — Philosophiestudium anschließen. Ich glaube allerdings nicht, dass es so etwas wie eine eigene Medienethik gibt. Wenn man überhaupt ethische Regeln begründen kann, gelten sie überall, schon der Ausdruck Medienethik gehört für mich in eine gemeinsame Schublade mit Sexualmoral, Grundwerten und anderern Verlegenheitskomposita.
Trotzdem habe ich versucht, den Studenten so etwas wie Richtlinien oder Werte für soziale Medien vorzuschlagen. Ich bin allerdings nicht sicher, ob es sich dabei überhaupt um ethische Begriffe handelt, und vielleicht gehören sie auch nicht auf dieselbe Ebene. An drei ethischen Prinzipien kann man sich möglicherweise bei Webmedien orientieren:

  1. Transparenz
  2. Dialogbereitschaft
  3. Respekt

Keiner dieser Werte betrifft nur Online-Medien (aber woher sollten auch eigene Werte für Online-Medien stammen?) Aber alle drei gehen Online-Medien in einer besonderen Weise an.

Transparenz ist ein Wert, der bei anderen Medien und jenseits anderer Medien nur bedingt gilt, weil dort schlicht begrenzt ist, wieviel publiziert werden kann. In einer Zeitung erwarte ich keine Fussnoten; es ist auch nicht möglich, dass eine Journalistin alle Details ihrer Recherche publiziert. Online ist es dagegen möglich, die Genese einer Publikation mitzupublizieren, und auch wenn sich dafür nur wenige interessieren werden — es gibt keine Grund sie nicht zu veröffentlichen. So haben alle Leser/User wenigstens eine Gelegenheit nachzuvollziehen, wie ein bestimmtes Ergebnis zustande gekommen ist. Erst recht ist bei einem Online-Medium zu erwarten, dass alle möglichen Befangenheiten einer Autorin offen gelegt werden.

Dialogbereitschaft gehört wahrscheinlich zu jeder Form von Ethik; sie ist eine Voraussetzung ethischen Argumentierens. Soziale Medien bauen aber direkt auf ihr auf. Dialogbereitschaft bedeutet dabei, dass es immer möglich sein muss, dass Leser und Betroffene antworten. Ich muss also so arbeiten, dass ich dem anderen seine Fähigkeit zu antworten nicht nehme oder abspreche, etwa durch verletzende Polemik. Die Dialogbereitschaft kann erst aufhören, wo der Adressat nicht zum Dialog willens oder fähig ist. Soziale Medien sollten also vorsichtiger sein als herkömmliche Massenmedien, die nicht auf Antworten ihrer Nutzerinnen angelegt sind; bashing ist in ihnen mindestens schlechter Stil, auch wenn sie dadurch gegenüber der älteren Konkurrenz an Prägnanz verlieren.

Respekt ist für mich der schwierigste der drei Begriffe, aber der entscheidende. Mit Respekt meine ich Rücksicht auf die Bereitschaft oder Fähigkeit, Publikationen über sich zu ertragen. Warum ist es verwerflich, Hinrichtungsvideos zu publizieren oder anzusehen? Es wird dabei etwas veröffentlicht, das nicht öffentlich gemacht werden soll, die Publikation ist ein Teil der Entwürdigung, die das eigentliche Ziel jeder Hinrichtung ist. Es wird ein Tabu gebrochen — vielleicht geht es hier um einen Bereich jenseits oder diesseits einer rationalen ethischen Argumentation. Respektlos ist es aber auch — um ein viel alltäglicheres Beispiel zu nennen –, in Konversationen einzugreifen, um ein Produkt zu verkaufen. Die Frage des Respekts stellt sich bei Online-Medien besonders heftig, weil sie die tradionellen Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem verschieben oder sogar aufheben. Schon die Publikation eines Namens oder Bildes kann respektlos sein.

Sicher kann man Transparenz, Dialogbereitschaft und Respekt nicht voneinander trennen. Die Perspektive ist bei diesen drei Prinzipien aber unterschiedlich: Transparenz betrifft die Autorin selbst, Dialogbereitschaft ihr Verhältnis zu ihrem Publikum und Respekt die Beziehung zu Dritten, über die publiziert wird. Vielleicht forden sich die drei Werte deshalb gegenseitig.

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