Ich bin seit einer Woche in Dubrovnik. Heute ist der erste Tag, an dem ich ruhig wahrnehmen kann, wo ich bin. In den Tagen davor habe ich zwar realisiert, in welcher Umgebung ich mich aufhalte, aber die Umgebung war für mich nicht fest, sie war kein Bezugsrahmen.
Kurz nach unserer Ankunft musste ich mich mit Fieber und dann mit ständigen Durchfällen ins Bett legen. Nach ein paar Tagen, schon viel besser zurecht, habe ich festgestellt, dass mich wohl eine Campylobacter-Infektion erwischt hatte. Ich habe in den ersten Tagen der Infektion nicht einmal wahrgenommen, dass ich ernsthaft krank war. Ana musste es mir erklären.
Die erste Erfahrung, die ich so nie gemacht hatte: Schwäche. In meiner Wahnehmung: Der innere Druck, das, was bei einer Pflanze nach meiner Erinnerung Turgor heisst, war weg. Denken, sprechen, mich bewegen war so anstrengend, dass ich es ein paar Tage so gut wie vollständig vermieden habe. Ich bin in meinem Leben sicher immer wieder Menschen begegnet, die so schwach oder noch schwächer waren wie ich zu Anfang dieser (eigentlich harmlosen) Infektion, aber mir ist nie klar gewesen, wie weit ein solcher Zustand von den Zuständen entfernt ist, die für mich selbstverständlich sind. Ich hoffe, dass ich mich in Zukunft besser in ihn einfühlen kann. (Ich hoffe auch, dass ich ihn nicht wiedererleben muss, jedenfalls nicht so bald.)
Eine zweite Erfahrung, die ich in der letzten Woche zum ersten Mal gemacht habe: wie sich durch die Krankheit das eigene Denken komplett verändert, wie es während der Krankheit mit meinem körperlichen Zustand verschmilzt. In der ersten Nacht in Dubrovnik, in der ich ziemlich sicher Fieber hatte, habe ich immer wieder an einzelne Wörter und Begriffe gedacht, mit denen ich mich vorher beschäftigt hatte—Wörter wie die, über die ich hier in meinem Blog schreibe. Für mich befanden sie sich alle auf kleinen Bildschirmen von Mobiltelefonen, aufgelöst in einzelne Buchstaben. Ich wollte ihnen entgehen, ich wollte mit dieser ganzen Wirklichkeit der kleinen Buchstaben auf oder hinter winzigen Schirmen nichts zu tun haben, ich entwickelte immer mehr Widerwillen dagegen—einen Ekel, der auch jetzt nicht ganz verschwunden ist.
Jetzt, während ich auf dem Sofa in unserer kleinen Wohnung sitze und durch die Jalousie auf die Dachziegel gegenüber und den blauen Himmel darüber schaue, bin ich wieder sicher, dass ich reale Dinge wahrnehme, dass ich einen ganz bestimmten Platz zwischen ihnen habe, und dass von ihnen abhängt, was und wie ich wahrnehmen kann. Vor einer Woche war es umgekehrt. Wirklichkeit und Raum hingen nur von meinem körperlichen Zustand ab. Ich habe das Denken als einen körperlichen Vorgang unter anderen erfahren, mit Ergebnissen, die so zum Fluss der Dinge gehören wie die Ergebnisse aller anderen körperlichen Vorgänge. Ein paar Bakterien (wenn es Bakterien waren) haben meine Wirklichkeit aufgelöst.
Ich möchte diese Erlebnisse nicht mit overthinking erdrücken. Jetzt bin ich schon wieder weit von ihnen entfernt. Sie waren vielleicht—passend zu der touristischen Umgebung, in der ich schreibe—eine Art Ausflug in eine Wirklichkeit außerhalb der Welt der Gesundheit. Für kurze Zeit habe ich erfahren, wie brüchig die Wirklichkeit ist, die mein Körper produziert, wenn ich gesund bin.