Ich bin noch immer auf Šipan. Ana und ihre Söhne sind am Wochenende zurückgefahren. Jetzt bin ich für 14 Tage zum ersten Mal allein in einem Haus auf einer Mittelmeerinsel. Ich fühle mich nicht mehr wie im Urlaub und stelle mich darauf ein, immer mehr hier oder in der Nähe in Dubrovnik zu leben.
Ich habe in meinem erwachsenen Leben kaum Beziehungen zu einer Landschaft aufgebaut – viel weniger als zu den Städten, in denen ich gewohnt habe. In der mediterranen Umgebung hier ist das anders. Ich möchte nicht mehr hier weg, und die Natur um mich herum interessiert mich. Ich versuche mich um die Olivenbäume um das Haus herum zu kümmern. Ich schaue nach Osten auf die kahlen Berge, die schon zum Festland gehören. Wenn ich hinunter nach Šipanska Luka gehe, bin ich jeden Tag überrascht von dem Panorama mit dem Hafen und den Inseln dahinter, die sich bis zum Pelješac fortsetzen.
Vor zwei Wochen bin ich 69 geworden. Mehr als bei meiner Pensionierung habe ich das Gefühl, dass eine neue Lebensphase beginnt, in der der Zwang, durch einen Beruf Geld zu verdienen, nicht mehr nachwirkt. Je mehr der gewohnte Druck nachlässt, desto neugieriger werde ich auf eine Umgebung, die ich schon lange kenne, aber bisher eher bestaunt als erlebt habe.
Die Klimakrise (und alles, für das dieser Ausdruck steht) lässt mich auch hier nicht los. Ich kann von der Terrasse nicht auf das Polje unter uns sehen, ohne daran zu denken, wie verwundbar die Insel ist. Ich lese über Waldbrände und denke an die wuchernde Vegetation, die die verlassenen Olivengärten in ein einziges großes Dickicht verwandelt hat. Ich beschäftige mich mit dem letzten großen Bericht zur Antarktis und überlege, wann der steigende Meeresspiegel das Dorf unten – und die Altstadt von Dubrovnik – unbewohnbar machen wird.
Abends sitze ich vor der Bar am Hafen von Šipanska Luka. Dort ankern ein paar Schiffe, mit denen vor allem Touristen aus Amerika Mittelmeer-Touren unternehmen. Eines dieser Schiffe muss zwischen 7 und 8 Uhr dem Katamaran Platz machen, der aus Dubrovik kommt. Die Schiffe sind nicht groß, aber sie können so viele Menschen transportieren wie ein mittleres Flugzeug. Der kleine Hafen hier reicht für sie aus. In der Zeit der Republik Ragusa haben auf Šipan wohlhabende Kapitäne gewohnt. Die Touristenschiffe heute haben mit den Schiffen dieser Zeit wenig Gemeinsamkeiten. Trotzdem sehe ich sie gern. Sie erinnern an eine Form der Verknüpfung mit der Welt, die die Insel zu etwas anderem macht als einer einer idyllischen, aber abgelegenen Peripherie.