In meinem kurzen Post über Peter Thiel gestern habe ich den Punkt nicht erwähnt, der im Zusammenhang der Lektüre zur Klimakatastrophe – meinem Hauptthema – vielleicht der wichtigste ist: die Verbindung zwischen der autoritären Rechten und dem Kampf gegen die Klimabewegung. Meine Hypothese ist, dass sich die Rechte in den USA und Europa heute vom historischen Faschismus vor allem unterscheidet, weil sie wirksame Klimapolitik bekämpft. Anders formuliert: Die Klimakrise ist nicht eine von mehreren Krisen, auf die die Rechte antwortet, sondern sie ist der für ihr Handeln und ihren Erfolg entscheidende Faktor. Diese Hypothese ist intuitiv vielleicht einleuchtend, aber schwer zu belegen – vielleicht ist sie auch zu essentialistisch. Thiels Wut auf die Klimabewegung – bis hin zum Vergleich von Greta Thunberg mit dem Antichrist – verstehe ich als Argument für diese These. Dabei geht es Thiel nicht – wie anderen Förderern Trumps – primär um Erhaltung und Ausbau der fossilen Industrien, sondern darum, Klima- und Umweltpolitik als Kernstück auch anderer staatlicher Regulation zu unterbinden.

In dem Interview (Thiel, 2025) sagt er:

The way the Antichrist would take over the world is you talk about Armageddon nonstop. You talk about existential risk nonstop, and this is what you need to regulate […] The thing that has political resonance is: We need to stop science, we need to just say “stop” to this. And this is where, in the 17th century, I can imagine a Dr. Strangelove, Edward Teller-type person taking over the world. In our world, it’s far more likely to be Greta Thunberg.

Offenbar bringt Thiel Greta Thunberg inzwischen auch in Vorträgen in eine Verbindung zum Antichrist und sich selbst damit in die Nähe der Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit und einer düsteren „amerikanischen Obsession“ (Fuller, 1996).

Mit der Verunglimpfung Greta Thunbergs und der Klimabewegung steht Thiel in der Tradition des Neoliberalismus. Die Umweltbewegung wurde von Hauptvertretern des Neoliberalismus sofort nach dem Ende der Sowjetunion als Hauptfeind identifiziert. Auch wenn Thiel gerne als „Intellektueller“ oder „Philosoph“ bezeichnet wird, wiederholt er stereotype Formulierungen. Quinn Slobodian zitiert sie in Free Markets and Fixed Natures (Slobodian, 2025b) und dem zugrundeliegenden Buch Hayeks Bastards (Slobodian, 2025a).

Es ist grotesk, dass Thiel ausgerechnet Greta Thunberg Wissenschaftsfeindschaft vorwirft. Aber es geht hier nicht um Wissenschaft. Thiel spricht als Venture-Kapitalist, sein Ziel ist maximale extensive und intensive Akkumulation von Kapital. Er sieht Klima- und Umweltpolitik als das größte Risiko für diese Akkumulation. Deshalb investiert er in Politiker wie Trump und Vance, die mit autoritären und imperialistischen Methoden Klimapolitik in den USA und international aushebeln.

Die Antiklimapolitik Trumps ist ein Hauptgrund für Thiels Investitionen in die Republikaner. Aus der Sicht von Thiel – der auch für andere Tech-Milliardäre spricht – hat sie eine Schlüsselrolle dabei, staatliche Regulierung jeder Art und damit die Demokratie zu demontieren. Dieses Interesse einer Gruppe, die enorme Kapitalmengen anhäufen konnte, reicht weiter als das Systemerhaltungsinteresse der Fossilindustrie und die geopolitischen Interessen der USA an ihrer Öl- und Gasförderung und ist für die Eingrenzung der Klimakatastrophe und die Erhaltung der Demokratie noch gefährlicher.

Fuller, R. C. (1996). Naming the Antichrist: the history of an American obsession (1. issued as paperback). Oxford University Press.
Slobodian, Q. (2025a). Hayek’s bastards: race, gold, IQ, and the capitalism of the far right. Zone Books.
Slobodian, Q. (2025b, April 9). Free Markets and Fixed Natures. Boston Review. https://www.bostonreview.net/articles/free-markets-and-fixed-natures/
Thiel, P. (2025, June 26). Peter Thiel and the Antichrist (R. Douthat, Interviewer) [The New York Times]. https://www.nytimes.com/2025/06/26/opinion/peter-thiel-antichrist-ross-douthat.html
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