Am Dienstag hatte ich in Münster ein Gespräch mit Christoph Neuberger. Ein Thema war die Durchlässigkeit zwischen Studiengängen an Fachhochschulen und Universitäten. Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen, dass ich vielleicht darüber blogge, deshalb hier nur eine Überlegung, die sich an das Gespräch anschließt, und mit der ich noch nicht fertig bin. Deutlicher als vor dem Gespräch sehe ich die Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen bei den Kommunikationsfächern
, also Kommunikationswissenschaft, Zeitungswissenschaft oder Journalistik auf der einen Seite, Journalismus, PR oder Unternehmenskommunikation auf der anderen.
Christoph Neuberger steht für eine exzellenz-orientierte
akademische Forschung, eine wissenschaftliche Arbeit auf höchstem Niveau. Das Studium der Kommunikationswissenschaft in Münster hat verhältnismäßig wenig praktische Komponenten; wesentlich wichtiger ist es die Einführung in eine methodisch saubere sozialwissenschaftliche Forschung. Für ein Institut wie das in Münster wird — jenseits der Lehre — die Beteiligung an Großforschungsprojekten immer wichtiger; sie sichert die Reputation des Instituts wie der Universität insgesamt.
Das ist von der Arbeit an einem Fachhochschulstudiengang, und ich glaube: auch von den Aufgaben einer Fachhochschule, weit entfernt. Wir bilden Leute für ein konkretes Berufsfeld aus, dazu brauchen sie praktische Fähigkeiten (z.B. schreiben, publizieren im Web), kommunikative Kompetenzen (z.B. recherchieren, moderieren, komplexe Zusammenhänge erklären) und die Fähigkeit zu Reflexion und Innovation (ein weiteres Thema unseres Gesprächs), aber nur bedingt, wenn überhaupt, einen wissenschaftlichen Zugang z.B. zum Journalismus.
Um es sehr allgemein zu formulieren: Man kann nicht beides leisten, eine gute Vorbereitung auf die Wissenschaft und eine gute praktische Vorbereitung auf Kommunikationsberufe. Ich hatte schon bisher ein Unbehagen dabei, wenn von wissenschaftlichen
Arbeiten gesprochen wird, mit denen bei uns das Studium abgeschlossen wird. Dieses Unbehagen wächst, weil wir da nicht in der Liga spielen, die interessant ist. Wir sollten auf einer Fachhochschule nicht halbherzig Wissenschaft nachahmen, sondern entschlossen auf die praktische und kommunikative Seite der Ausbildung setzen. Nur dort ist für uns Exzellenz erreichbar. Einen akademischen Anspruch können wir nicht mit Wissenschaftlichkeit
begründen, sondern dadurch, dass wir experimentell und innovativ arbeiten und im Freiraum der Hochschule Ideen und Formate entwickeln.
Weil wir uns von den Universitäten deutlich unterscheiden, ist der Dialog mit der Forschung für uns wichtig. Aber in diesen Dialog müssen wir eigene Perspektiven einbringen; wir haben besondere Möglichkeiten, wissenschaftliche Diskurse von außen wahrzunehmen und auf sie zu antworten. Gerade in Bezug auf das Web gibt es eine Fülle von Themen für Dialoge, denn dort gibt es weder eine etablierte akademische Tradition noch fertige und erprobte Konzepte für die praktische Ausbildung. Ich hoffe, dass wir Foren für solche Dialoge finden.
„Wir sollten auf einer Fachhochschule nicht halbherzig Wissenschaft nachahmen, sondern entschlossen auf die praktische und kommunikative Seite der Ausbildung setzen.“
Das sehe ich anders: Ein bisschen selbstbewusster können wir schon sein.
Natürlich haben FHs weitaus weniger Möglichkeiten zur Forschung. Und ja, es ist nicht ihr Ziel, auf eine wissenschaftliche Karriere vorzubereiten. Dennoch halte ich sowohl eine Beschäftigung mit Forschung (i.S. akademischer Reflexion) wie eine Beteiligung an Forschung für sinnvoll, um das akademische Niveau aufrecht zu erhalten. Anders ausgedrückt: Wir brauchen auch klare Abgrenzungen zu rein handwerklichen Ausbildungen. Der „Dialog mit der Forschung“ ist hierzu ein Ansatz. (Wobei sich fragt, unter welchen Bedingungen dieser funktioniert. Muss man für einen Dialog auf Augenhöhe sein? etc.)
Ich würde aber weitergehend nochmal den Begriff der Forschung diskutieren und pauschal proklamieren, dass in der Tendenz die Grundlagenforschung Sache der Unis ist, aber an FHs durchaus angewandte Forschung betrieben werden kann. Gerade aktuelle Entwicklungen begleitende Analysen (Begleitforschung/Aktionsforschung, Feldforschung)- um nur ein paar zu nennen – sollten nach meinem Verständnis auch an FHs geleistet werden können – wenn auch nicht in dem Umfang, wie es an Unis üblich ist. Forschung definiert sich nach meinem Verständnis nicht ausschließlich als Großprojekte harter Empirie, die durch umfangreiche Drittmittel getragen wird.
Klar geht es nicht darum, Forschung um ihrer selbst Willen zu betreiben. Aber Ansätze wie die beschriebenen sind nach meinem Verständnis auch Bausteine für die Qualifikation unserer Studenten.
Zwei Beispiele aus meinem Gebiet, der PR: Wenn ich weiß, wie man eine wissenschaftlich saubere Befragung aufsetzt (und das mal gemacht hat), kann ich im Rahmen einer PR-Konzeption eine viel bessere Analyse machen. Und wenn ich weiß, wie man ein Instrumentarium entwickelt, um Websites zu analysieren, kann ich damit sehr gut Benchmarking betreiben.
Eine andere Ebene ist die des Selbstbildes eines FH-Professors: Meinem entspräche es nicht, auf Forschung ganz zu verzichten – auch wenn es ein ständiger Kampf ist, darin wenigstens ein bisschen etwas zu erreichen.
Noch eine andere Bemerkung: Mir scheint Dein Vergleich mit einem Publizistik-/KW-Studium wie Münster zu hinken. Ich halte unsere Studiengänge eher mit anderen Journalismusstudiengängen wie Eichstätt oder Dortmund vergleichbar. Sie würde ich der Journalistik zuordnen, die sich – wie mein Kollege Klaus Meier definiert – „wissenschaftlich-analytisch und reflektierend mit dem Arbeitsfeld Journalismus“ auseinandersetzt – und für dieses Arbeitsfeld qualifiziert. So sehe ich auch unseren Studiengang.
Danke für den Kommentar, Thomas; ich stimme dir fast überall zu. Mein Post war als Gesprächsbeitrag gemeint, nicht als These, und ich freue mich sehr, dass du den Faden aufgenommen hast.
Ich hatte vor allem an die Ausbildung auf einer FH gedacht, nicht an die Forschung. Ich bin der Meinung, dass wir Forschung an den FHs brauchen – deutlich mehr als es jetzt oft der Fall ist – um gut unterrichten zu können. Ich finde nur, dass der Unterricht auf die mediale Praxis abzielen sollte. Das macht die Durchlässigkeit in Richtung Uni natürlich problematisch.
Ich bin auch deiner Meinung, was die Aktionsforschung angeht. Wahrscheinlich können wir die „partizipierende Beobachtung“ sogar besonders gut in theoretische und wissenschaftliche Diskurse einbringen. Vielleicht ist aber die „Übersetzung“ dieser Forschung in den Unterricht von anderer Art als in der Universität.
Deine Beispiele (Befragung, Website-Analyse) haben einen besonderen Status, weil sie ja auch Bestandteile der PR-Praxis sind oder sein können. Ist das nicht etwas anderes als z.B. das Verhältnis mediensoziologischer Untersuchungen zur journalistischen Praxis? Journalisten brauchen die Mediensoziologie nicht in dem Maße wie
PR-Leute Befragungen.
Ich suche selbst noch nach einer befriedigenden Antwort auf die Frage, was FHs von Universitäten unterscheidet (wobei es sicher nicht „die“ Universität oder „die“ FH gibt). Plausibel finde ich die Zuordnung „Anwendungsfelder/Fachhochschule“ und „wissenschaftliche Disziplinen/Universität“. Aber das ist höchstens ein Ausgangspunkt (ich kenne die Literatur und die Diskussionen zu dieser Frage überhaupt nicht).
Noch etwas: Jana Herwig und ich haben in den letzten Monaten über eine österreichische bzw. deutschsprachig Zeitschrift zur Webwissenschaft diskutiert (Jana sieht die „teilnehmende Beobachtung“ als ein erstes Schwerpunktthema). Ich habe darüber auch mit Christoph Neuberger gesprochen, der die Idee positiv sieht, und wollte dich auch darauf ansprechen – was ich hiermit tue. Vielleicht können wir zusammen etwas
auf die Beine stellen!
Sehr gern! Das klingt wirklich gut und passt perfekt in meine Überlegungen: Bin gerade dabei, ein winziges Projekt für unsere Hochschulleitung zu definieren, in dem ich mich ein bisschen in die aktuelle Methodendiskussion hineinwagen und überlegen möchte, welche Ansätze für die PR (und speziell die Online-Kommunikation) einsetzbar sind. Mein Ziel ist just, ein kleines Papier dazu zu produzieren.
Andere Ebene: Mit einer meiner Kolleginnen habe ich neulich über einen kleinen Workshop als Baustein hierzu nachgedacht – der IMO besonders spannend wäre, wenn er unterschiedliche Disziplinen zusammenbringt.
Klingt alles, als ob es irgendwie sehr gut zusammen passen könnte – allerdings kann ich vermutlich erst ab Herbst konkreter drangehen.