Die Kleine Zeitung berichtet heute in ihrer Printausgabe, dass der österreichische Fachhochschulrat den Antrag, die FH Joanneum als Fachhochschule im Sinne des österreichischen Fachhochschulgesetzes anzuerkennen, abgelehnt hat. Grund ist ein Formfehler: Der Antrag hätte von der Geschäftsleitung der FH, nicht vom Erhalter — also dem Land Steiermark — eingereicht werden müssen. Ein korrekt eingereichter Antrag dürfte in den nächsten Monaten zur Akkreditierung als Fachhochschule führen. Schon vorher wurde bekannt, dass im Landesbudget fast drei Millionen Euro weniger für die FH ausgewiesen sind, als erst kürzlich in einen Rahmenplan des Landes beschlossen wurde. Die Äußerungen der zuständigen Landesrätin zu diesem Thema sind bisher sehr schwammig. Die Grünen haben inzwischen eine Anfrage gestellt. Über den grünen Landtagsclub kann man übrigens auch ein Positionspapier der Landesregierung zur Strategie der FH Joanneum erhalten, das die Landesregierung selbst bisher nicht publiziert hat.

Kann ich oder soll ich mich zu diesen Themen in meinem Weblog äußern? Obwohl oder weil ich selbst betroffen bin?

Ich bin Angestellter der FH Joanneum, und ich bin Mitglied des Fachhochschulkollegiums, das in den letzten Wochen an der FH eingerichtet wurde. Ich habe mich im Winter intensiv damit beschäftigt, einen neuen Studiengang zum Thema „Web Publishing“ vorzubereiten, und ich möchte, dass dieser Studiengang so bald wie möglich eingerichtet wird. Ich bin also involviert und kann nicht „unparteiisch“ schreiben. Außerdem darf ich keine Interna über meinen Arbeitgeber publizieren.
Andererseits handelt es sich bei der FH Joanneum um eine Gesellschaft des Landes Steiermark, also um eine Einrichtung, die von den Steuerzahlern finanziert wird. Die steirische Regierung wird gewählt und muss sich der öffentlichen Kritik stellen. In den klassischen Medien wird eine Hochschule nur selten Thema, und in der Regel entweder aufgrund eigener PR-Anstrengungen oder — wie in diesem Fall — wegen Nachrichten, die das Unternehmen oder sein Erhalten ungern in der Presse sehen. Soziale (und sehr lokale) Medien wie ein Weblog können da viel mehr in die Tiefe gehen und sich an die kleine Gruppe der Interessierten und Sachkundigen wenden. (Im Falle dieses Eintrags mache ich mir keine Illusionen über die Zahl der Leser, es geht mir um eine grundsätzliche und exemplarische Klärung.)
Außerdem dienen Hochschulen der Forschung und Lehre, sie sind selbst öffentliche Institutionen. Von einer öffentlichen Diskussion über die Arbeitsbedingungen und die Strategie einer Fachhochschule (einer Einrichtung mit einem Service-Auftrag für die regionale Wirtschaft) können alle Beteiligten nur profitieren.
Eine umständliche Einleitung — aber ich bewege mich auf einem unsicheren Terrain. Nun endlich ein paar Bemerkungen zur aktuellen Situation der FH:

  1. Der Formfehler, durch den sich die Anerkennung der FH Joanneum verzögert, ist vielleicht nicht gravierend, aber er ist symptomatisch. In der Steiermark besteht ein intimes Verhältnis zwischen der Politik einerseits und Institutionen wie Hochschulen (aber etwa auch Museen) andererseits, das beiden Seiten auf die Dauer schaden muss. Die Politik und die Verwaltung können hier nur dilettieren; Fehler gehören also zum System. Wie soll sich der Einfluss von Politik und Landesbeamten auf die Hochschule anders auswirken als dadurch, dass nicht nach sachlichen, also akademischen und wirtschaftlichen Kriterien entschieden wird? Besetzungen von Spitzenpositionen nach politischer Orientierung oder bei Beamten antichambrierende Führungskräfte sind Effekte dieses Systems. Ein Kollege mit viel Lehrerfahrung an niederländischen Hochschulen hat mir neulich gesagt, in den Niederlanden sei ein Einfluss der Politik auf die Hochschulen wie in Österreich unvorstellbar. Das unselige Proporzsystem in der Steiermark bewirkt dabei, dass beide politische Lager sich Landesgesellschaften wie die FH gemeinsam als Pfründe bewahren. Es ist kein Zufall, dass nur die Grünen im Landtag offenkundige Widersprüche der Regierungspolitik thematisieren.
  2. Die derzeitige Landesregierung betreibt, was die FH Joanneum betrifft, eine widersprüchliche Politik. Einerseits will sie der FH die Autonomie geben, die ihr als der größten und einer der erfolgreichsten österreichischen Fachhochschulen zusteht, andererseits will sie sie nicht aus der politischen Kontrolle entlassen, wie u.a. das nicht unterbietbar flache und provinzielle Positionspapier der Landesregierung zeigt. Vor den letzten Wahlen war die FH Joanneum zwar keine Fachhochschule im vollen Sinn, sie wurde aber — wenn ich es richtig sehe — mehr als jetzt in Ruhe gelassen, weil man, zu Recht, ihrem eigenen Innovationsvermögen traute und sich an (nicht nur steirisch definierten) Exzellenzkriterien orientierte.
  3. Für die FH war die Entscheidung, die Studiengebühren abzuschaffen, fatal. Es handelte sich dabei um eine Wahlkampfmaßnahme der SPÖ im Vorfeld der Nationalratswahlen; offenbar wurden die finanziellen Konsequenzen für die FH überhaupt nicht berücksichtigt. Wie sich jetzt zeigt, stimmt die Aussage der zuständigen Landesrätin: „Die entstehenden Kosten für die Studiengebühren, die ja bekanntlich ab Herbst 2006 nicht mehr eingehoben werden, sind im Rahmenplan …. bereits berücksichtigt“,
    zwar für den Rahmenplan, aber wohl nicht für seine Umsetzung in Budgets. Den Studierenden wurde Geld geschenkt, das man ihnen durch die schlechtere Ausstattung der FH mit Mitteln wieder nimmt. (Dazu passt irgendwie, dass Gusi die Studiengebühren wenig später österreichweit nicht abschaffte, aber dafür wenigstens Nachhilfeunterricht erteilt.)

Fazit: Die Zeit ist dafür reif dafür, dass die Landesregierung ihren Einfluss auf die FH radikal reduziert. Die gegenwärtige Gemengelage bremst die FH und beschädigt die politisch Verantwortlichen.

2 Kommentare zu “"Fachhochschulwerdung"

  1. lieber heinz,
    ich gebe dir größtenteils recht. allerdings dürfte man die landespolitik mit der forderung, die einmischungen in der fh zu unterlassen, überfordern. denn die armen regierer haben ja sonst kaum noch ein betätigungsfeld!
    was für euch/uns natürlich ein schwacher trost ist.
    ernst

  2. lieber ernst,
    man könnte die betreuung durch die landesregierung vielleicht noch nach dem motto „wer zahlt, schafft an!“ rechtfertigen. aber 90% der meisten studienplätze kommen vom bund. und die gebäude stellt die stadt.
    btw: schade, dass dein artikel nicht in der online-ausgabe der „kleinen“ stand. dann wäre die vernetzung von makro- und mikro-medien leichter.
    herzlich
    heinz

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