Das Konzept für unseren Masterstudiengang Web Publishing und Digitale Kommunikation muss bis Weihnachten fertig werden; im Augenblick habe ich weder Zeit zum Bloggen noch zum Unterrichten. Bei der Vorbereitung des Curriculums bin ich auf ein paar Autoren gestoßen, mit denen ich mich intensiver beschäftigen möchte. Sie schreiben aus verschieden Perspektiven über neue Kontexte und neue Formen des Lernens. Sie beschäftigen sich mit dem Lernen in komplexen Situationen, die sich schnell verändern, und schreiben damit vom Lernen über das Web, im Web und mit dem Web, auch wenn die das WWW gar nicht thematisieren. Die Schlagwörte sind Mode 2, Supercomplexity, und Self Directed Learning.

Mode 2 (nicht Mode 2.0): Michael Gibbons und mehrere Koautoren bezeichnen damit eine neue Art der Wissensproduktion im Zusammenhang von Anwendungen statt von Disziplinen. Ein programmatischer Text von Gibbons ist Globalisation and the Future of Higher Education (pdf); die Bücher für die kommenden Wochen: The New Production of Knowledge: The Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies und Re-Thinking Science: Knowledge and the Public in an Age of Uncertainty .

Supercomplexity: Ronald Barnett benutzt diesen Begriff für Situationen, in denen nicht nur die Masse an Daten nicht verarbeitet werden kann — das ist normale Komplexität —, sondern in denen nicht vereinbare Rahmenbedingungen für Verständnis, Handeln und Identität miteinander konkurrieren. Einschlägig: Realizing the University in an Age of Supercomplexity

Self Directed Learning: Viele Pädagogen haben sich mit selbstgesteuertem Lernen beschäftigt. Mich interessiert zunächst am meisten Roger Hiemstra — nicht nur, aber auch, weil er seine Bücher komplett im Web publiziert hat. Hiemstra hat vorgeschlagen, Weblogs im Unterricht zu verwenden, Jahre bevor Tim O’Reilly das Wort Web 2.0 erfand. Einer unter vielen Titeln: Lifelong Learning: An Exploration of Adult and Continuing Education Within a Setting of Lifelong Learning Needs.

Vielleicht bin ich gerade dabei, den Mond noch einmal zu entdecken: Aber mir sind alle diese Autoren neu, und zum Glück dauert es bis zu den Ferien nicht mehr lang.

Clay Shirky hat eine Philippika gegen die Stilisierung von Second Life zum Next Big Thing des Internet geschrieben. Zeitgleich mit der IBM-Ankündigung, eine Businessguppe für Second Life und andere Metaversen zu gründen, bezweifelt Shirky, dass sich mehr als 10000 Benutzer gleichzeitig in Second Life aufhalten.

Mindestens so interessant wie Shirkys Hohn für die Marketing-Botschaften der Second-Life-Eigentümerin Linden Labs finde ich seine Kritik an 3D-Metaphern für die Kommunikation in Netzwerken:

…virtual reality is conceptually simple. Unlike ordinary network communications tools, which require a degree of subtlety in thinking about them — as danah notes, there is no perfect metaphor for a weblog, or indeed most social software — Second Life’s metaphor is simplicity itself: you are a person, in a space. It’s like real life. (Only, you know, more second.)

und:

…the fact that an enlightened attempt to make digital objects behave like real world objects suffers from exactly the same problems as an unenlightened attempt, a la the RIAA and MPAA. All the good intentions in the world won’t confer atomicity on binary data. [SECOND LIFE: A story too good to check – Valleywag.]

Mich fasziniert die Möglichkeit von 3D-Welten, auch wenn ich sie selbst nicht benutze. Shirkys Kritik trifft pseudo-realistische Umgebungen, aber nicht die Möglichkeiten einer dreidimensionalen Navigation in großen Mengen von Daten (oder Beziehungen). Und stammt nicht die digitale Persona, die man z.B. durch sein eigenes Weblog kreiert, letztlich auch aus der Famile der Avatare?