Das heutige Dubrovnik und das Dubrovnik der alten Republik Dubrovnik (oder Ragusa) haben – außer dem Bild der Altstadt – nicht viel Ähnlichkeit miteinander. Dubrovnik ist eine kroatische Provinzstadt. Von der Selbständigkeit der Republik ist nicht viel geblieben. Kulturell hat das Dubrovnik von heute mit dem historischen Dubrovnik so wenig zu tun, dass sich ein Autor wie Miljenko Jergović in einem Artikel zur Kulturpolitik der herrschenden HDZ weigert, diesen Namen für die Stadt zu benutzen.

Ana und ich fahren, wenn wir hier sind, meist auch auf die Insel Šipan, wo wir uns inzwischen um ein Haus kümmern. Nach Šipan kommt man nur mit dem Schiff. Traditionell ist das die Postira, die in den letzten Jahren schon zweimal durch ein moderneres Schiff ersetzt wurde. Beide Male hat es die Postira aber geschafft, bald wieder auf der Strecke zwischen dem Hafen in Gruž und den drei Inseln der Elafiten eingesetzt zu werden.

Diese Schiffsverbindung kommt mir vor wie etwas aus der Vergangenheit Dubrovniks Übriggebliebenes, auch wenn die Postira ein vergleichsweise modernes Schiff ist. Es gibt zu ihr keine Alternative: Man kann von Dubrovnik nach Šipan (und auch zu den anderen Elafiten) nicht anders kommen als mit dem Schiff.

Diese Schiffsverbindung verbindet nicht zwei Orte, die auch unabhängig voneinander existieren würden. Šipan ist ein Teil des jetzigen und des historischen Dubrovnik, nicht nur eine Insel mit zwei Dörfern in der Nähe. Das historische Dubrovnik brauchte die Schiffsverbindungen zu den Orten in der Nähe, an denen Landwirtschaft möglich war.

Das historische Dubrovnik erscheint mir wie ein Archipel, dessen Teile aufeinander angewiesen und durch Schiffsrouten miteinander verbunden waren: eine marine Gesellschaft auf zwei Ebenen: der der Verbindungen zwischen den durch Wasser getrennten Territorien der Republik und der der Fernverbindungen zu den Städten im Mittelmeeraum (und auch darüber hinaus) mit denen Handel getrieben wurde.

Wenn man mit dem Schiff zwischen Dubrovnik und Šipan unterwegs ist, erkennt man, dass Dubrovnik und die anderen Orte, die zur historischen Republik gehörten, wenig Raum in einer Landschaft einnehmen, die wilder ist als in vielen anderen Gebieten Europas. Die miteinander verbundenen Orte bilden einen Siedlungsraum in einer kargen und unwirtlichen Natur. Vom Schiff aus nehme ich Dubrovnik und seine Umgebung als eine fast archetypisch mediterrane Umgebung war – auch wenn die lokalen Schiffahrtslinien zu den Orten auf dem Festland durch Straßen und die Fernverbindungen durch unzählige Flugzeuge ersetzt wurden.

Die Postira ist ein lokaler „Konnektor“, ein Objekt, dass besondere soziale Beziehungen in einem Nahraum herstellt, und anders als viele andere Konnektoren, die „Gesellschaft“ erzeugen, erfüllt sie eine Aufgabe, die sehr lange dieselbe geblieben ist und schafft damit wenigstens zum Teil ähnliche Beziehungen wie in der Vergangenheit. Die Stadt Dubrovnik und die nahegelegenen Orte auf dem Festland sind dagegen heute mit Straßen verbunden, wie überall in Europa. Ihre Beziehungen unterscheiden sich nicht von denen zwischen anderen Mittelstädten und den Kleinstädten und Dörfern in ihrer Nähe. Sie haben mit denen in der Archipel-artigen Struktur der alten Republik Dubrovnik keine Ähnlichkeit. Hätte es die Straßenverbindungen schon in der vornapoleonischen Zeit gegeben, wäre die marine und mediterrane Republik Dubrovnik wahrscheinlich nie entstanden.

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