Johan Rockström hat in einem neuen TED-Talk den Stand des Wissens zu den Kippunkten des Klimasystems zusammengefasst: The tipping points of climate change
Wer der Klimabewegung Panikmache vorwirft, sollte sich diesen Vortrag anhören: Einer der renommiertesten und nüchternsten Vertreter der Erdsystemwissenschaften stellt darin dar, wie nah wir einer Katastrophe sind, die die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, beenden würde.
Rockströms kurzer Vortrag ist ein Update älterer Präsentationen zum selben Thema, die er selbst und andere Vertreter der Erdsystemwissenschaften gegeben haben, darunter Will Steffens Die große Wende voraus.
Rockström greift auf neuere Forschungsergebnsse zurück. Die Situation des Erdsystems, die er beschreibt, ist noch dramatischer, als bisher bekannt war:
- Die Treibhausgas-Emissionen nehmen nicht ab, sondern zu. Ihre Wirkungen, vor allem die Erhitzung der Atmosphäre, verstärken sich.
- Die Erhitzung der Atmosphäre und der Ozeane beschleunigt sich. Die Ursachen dieser Beschleunigung sind noch nicht verstanden. Möglicherweise haben Emissionen und Erhitzung Prozesse in den Ozeanen ausgelöst, durch sich ihre Pufferwirkung – die Fähigkeit, Hitze und CO2 aufzunehmen – verringert.
- Einige Kipppunkte des Klimasystems könnten bei deutlich niedrigeren Temperaturen erreicht werden, als es bisher bekannt war. Das Risiko dafür, dass die großen Systeme, die das Klima bisher stabilisieren, in einen Zustand umkippen, bei denen sie die Klimaveränderungen vorantreiben, ist viel höher als noch vor kurzem angenommen.
Die Prozesse, die Rockström beschreibt, lassen sich nicht sicher voraussagen – anders als die Erhitzung der Erde, die eine direkte Folge der Emissionen ist. Es geht Rockström um die Risiken dafür, dass Kipppunkte erreicht werden. Die Folgen wären katastrophal. Nicht auszuschließen ist auch das Risiko, dass Kippelemente sich in einer Kaskade gegenseitig auslösen. Wenn der Amazonas-Regenwald von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle wird, kann er z.B. zur Destabilisierung des AMOC beitragen – des atlantischen Strömunssystems, das für milde Temperaturen in Westeuropa sorgt. Eine solche Kaskade könnte dazu führen, dass sich die Erde in ein Treibhaus – die Hothouse Earth – verwandelt. Unsere Zivilisation würde diesen Umbruch nicht überstehen.
Selbst wenn keine Kippelemente ausgelöst werden, steuert die Erde gerade auf etwa 3° Temperaturerhöhung zu. Auch dieser lineare und wissenschaftlich gut verstandene Prozess führt zu radikalen Veränderungen für fast alle Ökosysteme und die von ihnen abhängigen Gesellschaften. Große Teile der Erde werden nicht mehr bewohnbar sein.
Die Klimabewegung und die Klimapolitik haben eine doppelte Zielsetzung: die Erhitzung zu stoppen, die eine lineare Folge der Treibhausgasemissionen und der Veränderungen in der Landnutzung ist und das Risiko auszuschließen, dass die Kippelemente des Klimasystems ausgelöst werden und sich damit die weitere Erhitzung der Erde kaum mehr kontrollieren lässt. Praktisch lassen sich diese Ziele nicht voneinander trennen – zumal die Erhitzung inzwischen an einem Punkt ist, an dem die Schwellenwerte für die ersten Kipppunkte, etwa das Absterben der tropischen Korallenriffe, möglicherweise schon erreicht sind.
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