(London-Notizen 3)

Ich möchte mit ein paar Thesen beginnen. Ich bin darauf vor allem durch Statements und Präsentationen von Content-Strateginnen während unserer letzten Präsenzwoche in London gekommen. Am meisten verdanke ich Lucie Hyde:

  1. Wirksamkeit und Qualität von Inhalten sind zwei Bezugsrahmen, mit denen sich die Ergebnisse der Arbeit von Contentstrategen erfassen und bewerten lassen.
  2. Wirksamkeit und Qualität von Inhalten lassen sich nicht aufeinander reduzieren und nicht voneinander lösen.
  3. Wirksamkeit lässt sich quantitativ messen. Qualität von Inhalten lässt sich über Standards erfassen.
  4. Man braucht Contentstrategien, weil die Wirkung von Inhalten zielgeleitet erfolgen soll und durch die Qualität der Inhalte ermöglicht wird.
  5. Die Bestimmung der Ziele, die durch Inhalte erreicht werden sollen, und die Festlegung von Standards setzen digitale Governance voraus.

Wirksamkeit und Qualität, Impact und Standards.

Den Ausgangspunkt für diese Überlegungen bilden die Schlüsselbegriffe, zu denen Lucie Hyde beim Meetup Making the Call on Content Quality sprach: Effectiveness und Quality, Wirksamkeit und Qualität. Hyde stellte dar, dass Contentstrategie immer auf beides ausgerichtet ist, dass Wirksamkeit aber den Vorrang hat. Außerdem zeigte sie am Beispiel der Firmen, für die sie gearbeitet hat, dass Wirksamkeit und Qualität je nach Auftraggeber sehr unterschiedlich verstanden werden.

Lucie Hyde bei ihrer Präsentation 2016
Lucie Hyde bei ihrer Präsentation 2016

Hyde hat sich bei dieser und bei anderen Präsentationen damit beschäftigt, wie man Wirksamkeit misst. So spricht sie davon, dass man Impact und Health unterscheiden muss, und dass der Impact immer auch von anderen Faktoren als der Effectiveness abhängt, also vom Kontext. Unter gesundem Inhalt versteht sie wohl Inhalt, dessen Wirksamkeit nicht verpufft, der also dauerhaft und in unterschiedlichen Situationen wirkt. Wichtig ist, dass man Wirksamkeit messen kann, auch wenn die Bestimmung der Messgrößen und der Relevanz unterschiedlicher Faktoren im Einzelfall schwierig sein kann.

In einer anderen Präsentation sagt sie:

MEASUREMENT IS ESSENTIAL BUT KPIs ARE NOT GOALS

Measuring effectiveness is essential if we are to succeed

Quality is NOT the same as effectiveness. Effectiveness is more important. A robust measurement framework should include IMPACT and HEALTH measurements. Outcome-based goals are also important – but they often (usually) include more than content.

Impact zählt—Inhaltsstrategie aus der Sicht der Auftraggeber

Aus der Sicht des Auftraggebers steht der Impact von Inhalten im Vordergrund. Content Strategen sollen die Wirksamkeit, die Effectiveness von Inhalten steigern. Die Wirkung der Inhaltsstrategie selbst zeigt sich dabei einerseits in der Wirkung auf die Benutzer der Inhalte, zum Beispiel im Content Marketing. Andererseits besteht diese Wirkung aber auch in der besseren Verwendbarkeit von Inhalten und der effektiveren Produktion (Health).

Die Wirkung der Arbeit von Contentstrategen kann man mit Metriken erfassen. Diese Metriken beziehen sich beim Frontend auf messbare Reaktionen von Benutzern. Wirkungen im Backend kann man am besten über die Kosten erfassen.

Mehrfach haben wir gehört—ich kenne diese Devise auch von Sascha Stoltenow—dass man gegenüber Auftraggebern den Ausdruck Contentstrategie am besten überhaupt vermeidet. Das hängt mit der Impactorientierung von Auftraggebern zusammen. Content Strategen werden beauftragt oder angestellt, weil sich die Kunden oder Arbeitgeber eine Wirkung erhoffen. Umgekehrt kann man Inhaltsstrategie nur verkaufen, in die man begründet, dass sie eine Wirkung hat. Es ist viel leichter, die Wirkung einer Inhaltsstrategie zu beschreiben, als das, warst du ihr führt.

Beim Nutzer entfalten Inhalte aber nur dann eine Wirkung, wenn ihre Qualität stimmt. Die Nutzer sind—das ist eine Trivialität, aber sie wird von den Auftraggebern oft vergessen—an den Zielsetzungen der Auftraggeber überhaupt nicht interessiert. Für sie ist wichtig, ob sie die Inhalte brauchen können, ob die Inhalte ihre Bedürfnisse und Ansprüche erfüllen. Ob Inhalte die Bedürfnisse von Nutzern erfüllen, lässt sich nicht diskutieren, wenn man nicht auch über die Qualität von Inhalten spricht. Nutzer wollen, dass Inhalte gut sind, was immer das heisst. An dieser Qualität aus der Nutzersicht müssten sich Contentstrategen orientieren und sie gegebenenfalls sogar gegen die Auftraggeber durchsetzen, wenn die vom Auftraggeber intendierte Wirkung tatsächlich erreicht werden soll.

Wie lässt sich Qualität bestimmen? Die Rolle von Standards

Ich verstehe diese Dichotomie von Wirksamkeit und Qualität ausgehend von der Rolle von Standards, mit der wir in London mehrfach in Berührung gekommen sind. Ich würde gerne einen Gedanken weiterführen, der im Kern auch bei Hyde vorkommt: Qualität lässt sich, anders als die Wirksamkeit, nicht quantitativ bestimmen, sondern nur in Bezug auf Standards feststellen. Ob etwas „gut“ ist, lässt sich nur in Bezug zu normativen Vorgaben verstehen. Als die normativen Vorgaben kann man die Standards bezeichnen, an denen sich die Erstellung der Inhalte orientiert. Wir bezeichnen etwas dann als gut, wenn es einen Standard entspricht. Trotzdem ist natürlich sehr schwer zu bestimmen, wohin Qualität im Einzelnen besteht.

Mir fällt hier der Begriff der Qualität ohne Namen ein, von dem Christopher Alexander spricht. Von einer Messung oder Messbarkeit der Qualität man kann man, wenn überhaupt, nur eingeschränkt sprechen. (Während unserer Präsenzwoche in London haben wir zwei Präsentationen von Firmen verfolgen können, die Software produzieren, die Organisationen dabei unterstützt, Standards einzuhalten: ActiveStandards und Acrolinx.)

Die Standards, mit denen Contentstrategen zu tun haben, sind sehr unterschiedlich, aber sie hängen miteinander zusammen, weil sie gemeinsam die Qualität von Inhalten sicherstellen. Es gibt u.a. Standards auf einer technischen Ebene, insbesondere die Webstandards, es gibt Standards für Barrierefreiheit und Responsiveness, und es gibt eine Vielzahl redaktioneller Standards, zu denen auch die journalistischen Standards gehören. Eine Hauptrolle spielen die Hausstandards, die eine Organisation für sich selbst festlegt. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben von Contentstrategen, in einer Organisation als Anwälte von Standards aufzutreten und dafür zu sorgen, dass die Organisation als ganze ihre Publikationstätigkeit an definierten Standards orientiert.

Content Marketing und Impact—Wie lässt sich Qualität bestimmen? Die Rolle von Standards

Man kann auch die Frage nach dem Verhältnis von Contentstrategie und Content Marketing ausgehend von der Dichotomie von Qualität und Wirkung beantworten. Beim Content Marketing ist eine bestimmte Wirkung, nämlich Markterfolg, das Ziel. Contentstrategie sichert dagegen die Qualität der Inhalte, von der die Wirkung immer auch abhängig ist.

Qualität, Standards und Governance

Die Steuerung der Wirkung von Inhalten einer Organisationen wie die Bestimmung und Durchsetzung der Standards, denen diese Inhalte entsprechen, sind zentrale Komponenten der digitalen Governance. Governance muss dafür sorgen, dass die Wirkung der Inhalte zielgerichtet erfolgt, und dass die zu dieser Wirkung erforderlichen Standards eingehalten werden. Mit der digitalen Governance hat sich in der Contentstrategie-Community vor allem Lisa Welchman intensiv beschäftigt,die lange für ActiveStandards gearbeitet hat. Sie hat Digital Strategy, Standards und Policies als Hauptaufgabengebiete von Digital Governance herausgearbeitet. Immer mehr glaube ich, dass ihr Werk für die Beschreibung der Aufgaben von Contentstrategen und ihre Stellung in Organisationen eine Schlüsselrolle hat.

(Danke an Rahel Bailie—nicht nur für die Organisation des Meetups in London und für viele Hinweise auf Lisa Welchman! Zu unserer Präsenzwoche siehe auch: London-Notizen: Content als Service und agiles Arbeiten und London-Notizen 2: Video und digitales Medienbusiness.)

Update, 14.12.22: Korrekturen von Rechtschreibung und Markup

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