Gestern war der Tag der Midterms in den USA, jetzt gerade ist die Zählung bei 218 Sitzen für die Demokraten im Repräsentantenhaus, also der Mehrheit. Die New York Times schreibt, dass sich die Spaltung des Landes wohl vertieft hat. (Update, 14:00: Jetzt in einer ausführlicheren Analyse: Midterm Election Results: 4 Key Takeaways). Genau wie in Europa gibt es eine Kluft zwischen den urbanen Bezirken, in denen es wirtschaftlich gut geht, und den ländlichen Zonen und wahrscheinlich auch manchen alten Industriestandorten. Diese Spaltung lässt sich mit einem Schema wie Bourgeoisie gegen Proletariat und seinen Abkömmlingen nicht erfassen, und daran müssen die Versuche scheitern, eine traditionelle linke Politik wiederzubeleben. Es ist aber auch klar, dass sich die alte Linke in zwei Gruppen aufspaltet: Diejenigen, die die Verlierer des Endes der alten Industriegesellschaft vertreten und nationalistisch und antiliberal argumentieren (Mélenchon, Wagenknecht) und diejenigen, die innerhalb der neuen digitalisierten, globalisierten oder wie immer man es nennen will, Strukturen gegen den Marktliberalismus und seine Folgen kämpfen (Varoufakis, Hamon, viele Grüne). Auf der Rechten gibt es einen ganz ähnlichen Unterschied zwischen wirtschaftsliberalen Konservativen (wie vielleicht jetzt Merz in Deutschland) und den Nationalisten und Autoritären. Zwischen diesen Lagern geht die liberale Mitte fließend in die liberalen Teilen der Rechten und Linken über. Diese Fraktionierung wird von den Parteien nur z.T. abgebildet – am besten vielleicht noch in Frankreich. Und Mehrheiten kommen nur durch Koalitionen jenseits der alten Lager zusammen, etwas durch Bündnisse der liberalen und antiliberalen Rechten oder die „nicht rechts – nicht links“-Politik von Macron und auch der GroKo in Deutschland.
Noch ein Update, 14:20: Michael Meyer schreibt, auch in Hinblick auf die Midterms, über den Cultural Divide und nennt eine Reihe von Texten dazu: It’s the culture, stupid!.
interessante Gedanken; zu Frankreich im letzten Absatz ( „nicht rechts – nicht links“-Politik) bin ich allerdings nicht d’accord: Macron hat meiner Meinung nach einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der durchwegs „rechts“ zuzuordnende Merkmale mit tendenziell beinahe autokratischen Zügen aufweist.
Ich habe es in Anführungsstriche gesetzt. Er fasst Teile des bisherigen rechten und Teile des linke Lagers zusammen, darauf kommt es mir hier an. Bei aller Kritik an ihm: Die Linke allein (also die Linke links von Macron, wenn man davon sprechen kann) hat kaum Chancen auf eine Mehrheit. Man wird mit ihm und ähnlichen Leuten kooperieren müssen, wie es ja auch die Grünen in Deutschland tun.