Gestern wurde bekannt, dass die nächste steirische Landesregierung voraussichtlich aus FPÖ und ÖVP bestehen wird.
Eine grottenschlechte politische Nachricht mehr, sicher nicht die letzte. In den USA hat Trump gewonnen. In Österreich wird ein Kanzler Kickl immer wahrscheinlicher (vielleicht wird es auch Hofer oder ein anderer sogenannter hononoriger Blauer). In Frankreich regiert das Rassemblement National faktisch schon mit. Die Fratelli d’Italia gehören zur Koalition hinter der neuen EU-Kommission. Die Grünen werden auf allen Ebenen marginalisiert (gestern übrigens auch in Irland).
Ich habe mich in den letzten Jahren in der Klimabewegung engagiert und ich lese und schreibe vor allem dazu. Ich bleibe dabei, auch wenn selbst in der Klimabewegung immer mehr sagen, dass „Klima kein Thema mehr ist“. Das andere politische Thema, das mich beschäftigt, ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine. In der off_gallery hatten wir zwei Ausstellungen zum Krieg in der Ukraine: bescheidene Versuche, darauf und auf die ukrainischen Flüchtlinge hinzuweisen.
Ich komme mir immer mehr wie ein Mitstreiter Don Quijotes vor, weil ich an diesen Themen festhalte. Die Nachricht über die neue steirische Regierung signalisiert mir wieder einmal, dass um mich herum etwas ganz anderes passiert als in meinem Kopf. Den allermeisten ist „das Klima“ egal, und die Ukraine auch. Männer meines Alters, denen es materiell gut geht, erkären mir, dass die Klimapolitik „die Leute nicht mitnimmt“, dass die Grünen verdient verlieren, und dass sie selbst „lieber Russisch lernen“ als sich vor einem Krieg fürchten zu müssen.
Kunasek muss die steirische Klimapolitik gar nicht ändern
In den Köpfen vieler Wählender und vieler Gewählter verschwinden die rechten Tabuzonen. Die Scheinargumente der FPÖ unterscheiden sich nicht deutlich von dem, was viele denken, die andere Parteien wählen. Dass die ÖVP und die SPÖ danach drängen, mit der FPÖ zu regieren, liegt nicht nur daran, dass sie möglichst viele Posten für ihr Personal behalten wollen. Es liegt auch daran, dass sie sich politisch nicht deutlich von der FPÖ unterscheiden.
In der Klimapolitik sind die Grenzen zwischen der FPÖ und den Bremsern in den anderen Parteien längst fließend. Wir haben mit 1,5 Graz vor den steirischen Landtagswahlen eine Diskussion zur Klimapolitik organisiert. Für mich war ein Ergebnis: In den Programmen zur Klimapolitik gibt es klare Unterschiede zwischen ÖVP, SPÖ und der FPÖ. In der konkreten Politik spielen diese Unterschiede keine große Rolle. Außer Kosmetik hat die letzte Landesregierung kaum Klimapolitik betrieben – es gab keine Maßnahmen für eine überprüfbare Senkung der Emissionen. Unter einem Landeshauptmann Kunasek kann diese Politik einfach fortgesetzt werden. Die FPÖ-Forderung, in den Schulen Gegenmaßnahmen zur „Klima-Indoktrination“ zu verankern – sprich antiwissenschaftliche PR für die Fossilindustrie und die fossile Lebensweise zu betreiben – kann eine Partei leicht erfüllen, die den Kampf für den Verbrenner auf ihre Fahnen geschrieben hat.
In Putins Pufferzone
In der Steiermark trennt nicht eine „Brandmauer“ die Rechten von den anderen Parteien, sondern die halbdurchlässige Membran, die zur Osmose gebraucht wird. Durch diese halbdurchlässige Wand dringen rechte Ideologeme und rechte Praktiken in gesellschaftliche Gruppen ein, die sich selbst als demokratisch und liberal verstehen. Dass die Osmose so schnell passiert, liegt daran, dass so viele Leerstellen diesseits der Membran gefüllt werden wollen.
Wir leben in der Steiermark nicht weit von Ungarn entfernt, wo ein Putin-freundlicher korrupter Autokrat reagiert. Es ist auch nicht weit zur Ukraine. Jeden Abend kommt am Grazer Hauptbahnhof ein Zug aus Przemysl an der polnischen Ostgrenze an. Es trennt uns nicht eine Pufferzone von den Territorien, die Putins Mafia gehören oder die sie erobern will. Wir leben selbst in der Pufferzone.
Auch die geopolitische Wand zu den autoritären Regimen, vor allem zu dem in Russland, ist halbdurchlässig. Die blauschwarze Steiermark (und das dadurch noch wahrscheinlichere schwarzblaue Österreich) wird zu einem Puzzle-Stein in einer Region, die dem Petrostaat Russland freundlich begegnet. Die Ukraine und die anderen Kräfte, die nicht wieder unter russische Dominanz geraten wollen, werden so immer weiter isoliert.
Ich möchte nicht stolz darauf sein, Recht zu haben. Eine der Angriffsflächen der Grünen ist es, dass sie zu sehr die Gewissheit ausstrahlen, im Recht zu sein – oder umgekehrt vielen das Gefühl vermitteln, im Unrecht zu sein. Sich rechthaberisch in eine Burg zurückzuziehen macht es dabei nicht erträglicher, katastrophale politische Entwickungen zu beobachten.
Nach der Alternative dazu suche ich noch. Die Positionen der Rechten werden nicht akzeptabler, weil sie sich durchsetzen. Die Demokratie ist in der Defensive – wie noch nie seit den Dreißiger Jahren. Ich mache mir keine Illusionen über die Rechten. Aber von Illusionen über die Chancen ihrer Gegner bin ich sicher noch nicht frei – sonst hätte ich mich über die Nachricht von gestern weniger gewundert.