Die EU-Wahlen stehen bevor. Von ihrem Ausgang hängt ein großer Teil der europäischen Klimapolitik ab—in den entscheidenden Jahren bis 2030. Die aktuellen Nachrichten lassen nichts Gutes erwarten. Die EU passt sich schon an die Forderungen von populistischen Parteinen und Wirtschaftsliberalen an. Kampagnen von Landwirt:innen sind gerade um vieles wirkungsvoller als die Klimabewegung—auch, weil gemeinsame EU-Politik zu einem großen Teil Agrarpolitik ist (guter Artikel dazu in der New York Times). Der geopolitische Hintergrund wird immer düsterer. Die Ukraine ist jetzt vor allem auf die EU angewiesen—die Folgen werden die politischen Diskussionen in der EU und den Wahlkampf bestimmen. Noch mehr als nach der Invasion vom Februar 2022 droht die Geopolitik die Klimapolitik zu dominieren.

1,5°: Copernicus-Daten ergeben, dass die Temperaturen über 12 Monate mehr als 1,5° über dem vorindustriellen Durchschnitt lagen. Damit ist zwar die 1,5°-Grenze im Sinne der Pariser Ziele noch nicht durchbrochen—dafür müssten die Temperaturen viel länger so hoch sein. Aber sie ist in reach, oder besser: Unter dieser Grenze zu bleiben, ist immer deutlicher out of reach. Ein Met-Office-Bericht hat erst neulich gezeigt: Es gibt keine realistische Möglichkeit mehr, auf einen der vom Weltklimarat vorgeschlagenen Emissions-Pfade zu gelangen, die mit dem 1,5°-Ziel vereinbar sind.

Oberflächentemperaturen der letzten 12 Monate im Vergleich zu 1991-2020

EU-Emissionsziele: Die Copernicus-Messungen bestätigen, dass sich die Erde schneller erhitzt, als lange vorausgesagt wurde. Die EU-Kommission wird dagegen bei ihren Klimazielen bescheidener, auch wenn diese Ziele ehrgeizig klingen (und es im Vergleich zum bisher Erreichten auch sind). Die Kommission will 2040 90% weniger Treibhausgase emittieren als 1990, formuliert dieses Ziel aber sehr vage. Die Landwirtschaft wird nach den Protesten der letzten Woche geschont. Es ist weder von Methan- noch von Lachgas-Emissionen die Rede. Das allein schon macht die Ziele unrealistisch.

CCS: Die EU-Kommission setzt bei ihren neuen Emissionszielen auf CCS. Kommission, EU-Parlament und europäischer Rat haben ausßerdem gerade in ihrem Net-Zero Industry Act beschlossen, die CCS-Kapzitäten in der EU bis 2030 auf 50 Millionen Tonnen jährlich zu steigern. CCS ist ein Zauberwort. Es kann vernebeln, dass die Treibhausgasemissionen nicht entschlossen abgebaut werden. Die Abkürzung steht für das Abfangen und Speichern von CO2. CCS-Technologie erlaubt es scheinbar, mit gutem Gewissen weiter fossile Brennstoffe zu verfeuern—man kann ja das CO2 entfernen, bevor es in die Atmosphäre gelangt oder es direkt aus der Atmosphäre heraussaugen. Tatsächlich sind die Wirkungen von CCS, selbst wenn es mit enormem Aufwand betrieben wird, mikroskopisch klein.

Mittelmeerraum: Sizilien leidet schon jetzt im Jänner unter extremem Wassermangel. Er setzt den Wasser-Stress der heißen vergangenen Jahre fort. Italien wird, wie es ein Minister gesagt hat, zu einem wasserarmen Land. Die ökologischen Verhältnisse in Sizilien nähern sich Bedingungen an, die man von Algerien kennt. Trotzdem wehren sich auch in Sizilien Landwirt:innen gegen die EU-Bestimmungen zu Gewässerschutz und Renaturierung. Pieter de Pous von E3G formuliert, was in der europäischen Landwirtschaft gerade passiert:

“Die Metapher „den Ast absägen, auf dem man sitzt“ könnte kaum passender verwendet werden, als wenn sich Landwirte zusammentun, um genau die Klimapolitik zu untergraben, die sie vor den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels schützen soll.”

Ein Kommentar zu “Overshoot-Notizen, 9.2.2024

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