Seit zwei Wochen sortiere ich die Newsfeeds, die ich abonniert habe. Gleichzeitig überlege ich, was in allen diesen Nachrichte mich etwas, und was mich wirklich interessiert. Leider interessiert mich so viel etwas, dass ich mich anstrengen muss, zu den Dingen zu kommen, die mich wirklich interessieren.

Wenn ich eine große Menge von News filtere, und wenn ich über meine Arbeit nachdenke/diskutiere, bleibe ich bei drei Themen hängen:

  1. Vermittlung von Medienkompetenz/New Media Literacy (bürokratische Ausdrücke, Alternativen gesucht…)
  2. Schreiben im Web, Verfassen von Hypertext
  3. Soziologie von Web-Medien, sozialen Medien

Was mir in den viel zu vielen Newsfeeds, die ich abonniert habe, besonders auffällt, kann ich einem dieser Themen zuordnen. Die Themen hängen zusammen, aber diesen Zusammenhang kann ich nicht bezeichnen. Vielleicht würde es auf eine zu abstrakte Ebene führen, ihn zu beschreiben. (Vielleicht geht es auch eher um einen Ton oder eine Haltung.) Ein paar Blogs interessieren mich sehr, weil sie um einen ähnlichen Brennpunkt/ähnliche Brennpunkte herum geschrieben werden, vor allem die von Ton Zijlstra und David Weinberger. (lcom, das dritte der Blogs, die ich lesen würde, wenn ich nur drei Blogs lesen dürfte, hat eine ganz andere Bahnform.)

In the way that we produce content today, it is difficult to separate out where media literacy ends and where technology literacy begins—or where information literacy begins and where technology literacy ends. There is a convergence of literacies, and they can all inform academic work in separate but integrated ways. It is time to frame the discussion of literacies in the context of academic work products rather than in the context of organizational structures …

Wie können Fachleute für neue Medien Studenten und Wissenschaftlern dabei helfen, eine fachspezifische Kompetenz zum Umgang mit Online-Medien/sozialen Medien zu bekommen? Fragen und Vorüberlegungen zu diesem Thema von Joan Lippincott: Student Content Creators: Convergence of Literacies, gefunden via Howard Rheingold.

Fragen dazu:

  1. Wie sieht es mit akademischen Werken in Online-Formaten aus? Muss ich nicht — wenigstens als Lehrer auf diesem Gebiet — darauf bestehen, dass ich nur Werke in solchen Formaten, also Hypertext/Hypermedia, erhalte?
  2. Media-Literacy bei Hypertext/Multimedia als Ergänzung klassischer, literarischer Medienkompetenz. Ist das möglich? Muss die erste nicht die zweite ersetzen oder die zweite in die erste transformiert werden?

Noch ein, vielleicht etwas abwegiger, Gedanke: Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Disziplinen und Fachsprachen. Gehört zur fachspezifischen Medienkompetenz das Beherrschen fachspezifischer XML-Dialekte? Oder, etwas anders: Kann man Medienkompetenz zum Teil als Kompetenz im Umgang mit Hypertext-Formaten erlernen?

Über die selben Quellen wir beim letzten Eintrag gefunden: What the MySpace generation should know about working for free von Trebor Scholz. Ambivalenter Eindruck. Die Kritik an der Ausbeutung immaterieller Arbeit im Social Web stimmt und stimmt nicht. Sie basiert vielleicht auf einer moralisch wertenden, aber ökonomistischen Interpretation der Konsequenzen von Reed’s Law: Die Nützlichkeit von Netzen, speziell sozialen Netzen, wächst exponentiell mit ihrer Größe, weil diese Netze wiederum andere Netze innerhalb ihrer selbst erlauben. Man kann sich dieselbe ökonomistische Interpretation, nur mit umgekehrtem moralischen Vorzeichen, auch vorstellen, und dann ist man schnell bei den Apologeten der Internet-Ökonomie und der Segnungen des Neoliberalismus. (Dass Scholz Facebook als Yahoo!-Firma beschreibt, macht den Artikel nicht vertrauenswürdiger.)

Über Patrick Dax‘ Bookmarks und die Kursbeschreibung The Social Web bei Collectivate.net auf Henry Jenkins gestoßen, der sich beim MIT mit partizipatorischen Medien beschäfigt, und zwar mit einem Focus auf der Popkultur und der Rolle von Fans, nicht nur ausgehend von Online-Medien. Schrieb u.a. Convergence Culture: Where Old and New Media Collide. Online ein längerer Text über Media Literacy: Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st Century (Link zum PDF-Dokument). Wikipedia-Artikel. Blog: Confessions of an Aca-Fan: The Official Weblog of Henry Jenkins. Dort schreibt er in über sich:

The first thing you are going to discover about me, oh reader of this blog, is that I am prolific as hell. The second is that I am also long-winded as all get out. As someone famous once said (Thomas Jefferson, I think), I would have written it shorter but I didn’t have enough time.

Howard Rheingold hat Jürgen Habermas — vor tout-Stanford — gefragt, ob die dezentralisierte Öffentlichkeit des Internet die demokratische Funktion der bürgerlichen Öffentlichkeit übernehmen kann, wie sie Habermas beschrieben hat. Habermas hat eine Antwort schlicht verweigert. Es ist schwer, diesem Nicht-Dialog zwischen dem Autor von Virtual Community und dem Theoretiker der Öffentlichkeit in der Moderne nicht eine symbolische (und beinahe tragische) Qualität zuzusprechen. Rheingold beschreibt das Treffen rücksichtsvoll, aber schockiert in einem Blogeintrag, der die Frage, die Habermas nicht beantwortet hat, eindringlich formuliert.

Dare Obasanjo fasst seine Kritik an OpenSocial in fünf Sätzen zusammen:

OpenSocial is billed as a standardized widget platform for the Web, it isn’t. OpenSocial is a standard set of REST APIs which social networks can utilize to expose user profiles and relationship data. Everything else required by a widget platform from authentication and authorization to user interface integration and an application directory is unspecified. OpenSocial is to a standardized widget platform as an internal combustion engine is to an airplane. A step in the right direction but still very far from the end goal.

Das ist sicher ernst zu nehmen, auch wenn Obasanjo kaum neutral urteilt und die Bedeutung von OpenSocial nicht zuletzt in der Firmenallianz liegt, die Google zusammengebracht hat. BTW: Derek Powazek fragt: Google Now in Vaporware Business?

It is ultimately language that is the unspoken between us. Language is driven by what matters to us. We have words, sentences, paragraphs, punctuation…. That’s the shared lumpiness of the the unsaid. And now we have links. Links that have presence and persistence.

David Weinbergers Notizen für die Eröffnung der Defrag: What’s unspoken between us; eine Zusammenfassung bei Ross Mayfield. Weinberger folgt Heidegger, den er hier nicht nennt. Links sind für ihn etwas anderes als Informationen: Gesten, die implizit und nicht nur explizit bedeuten, und ein Teil der Sprache (des Schreibens). Das Verweisen mit einem Link ist ein menschlicher, sozialer Akt, das Herstellen einer Beziehung, die in der Information über diese Beziehung nie aufgeht. Das wäre weiterzudenken. Weinberger formuliert diese Gedanken fast beiläufig, ohne den begrifflichen Apparat, den ich gleich bemühen möchte.