Seit dem Mittwoch der vorletzten Woche habe ich mich hier fast nur mit FH-Themen beschäftigt. Wie andere Kollegen bin ich in dieser Zeit energisch dafür eingetreten, dass der Studiengang, an dem ich beschäftigt bin, in Graz bleibt. Wir haben schneller als erwartet erreicht, dass die Umzugspläne, die rein politische Gründe hatten, zurückgenommen wurden. Am Donnerstag hat das FH-Kollegium (dem ich angehöre) entschieden, die Weiterentwicklung von Studien- und Standortkonzepten in einem echten partizipativen Prozess des Kollegiums und der zuständigen Organe der FH JOANNEUM selbst voranzutreiben. Damit nehmen die FH-Professoren und -Studenten die Hochschulautonomie, die ihnen formal vor einigen Monaten zugesichert wurde, zum ersten Mal auch tatsächlich wahr.

Ich kann mich hier also endlich wieder mit anderen Themen beschäftigen. Heute und vielleicht auch in den kommenden Tagen möchte ich aber doch noch ein paar Gedanken und Ideen zu den Auseinandersetzungen der letzten Tage notieren. Sie betreffen die politische Situation der Hochschule, die Rolle der Öffentlichkeit in dem Konflikt und die Funktion der verschiendenen Kommunikationsmedien. Ich bitte Leser, denen die FH Joanneum etwas ferner steht, um Verständnis und Weiterlesen in anderen Beiträgen.

Stadt Graz als Gegengewicht zum Land

Zum politischen Kontext: Die Stadt Graz will ihre Einflussmöglichkeiten auf die FH Joanneum in Zukunft wahrnehmen — hoffentlich nicht eine weitere Politisierung auf einem Gebiet, auf dem Entpolitisierung und Unabhängigkeit von der politisch agierenden Landesverwaltung notwendig ist! Für die Medien- und Designstudiengänge, die in den strategischen Konzepten der Landesregierung keinen Platz hatten, bedeutet das eine Stärkung. Unterschiedliche Stimmen auf der Seite des Erhalters werden die FH-eigenen Gremien eher stärken als schwächen.

Bruch mit der johanneischen Mentalität

Wenn ich die Botschaft der vergangenen Woche in einem Satz zusammenfassen müsste, würde er lauten: Politiker und Bürokraten — lasst die Hochschule in Ruhe! Ein Kollege, den ich sehr schätze, hat in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass die Steiermark endlich mit der johanneischen Mentalität brechen müsse, die die Demokratie hier noch immer behindere. Die Entscheidungswege seien nach wie vor feudal. Nach wie vor sei eingewurzelt, dass es die oben und die unten gibt, diejenigen die wissen und entscheiden dürfen, und diejenigen, die ruhig bleiben, wenn über sie verfügt wird. (Ob man diese Mentalität tatsächlich dem Erzherzog Johann anlasten muss?)

Mit der landeseigenen Hochschule wurde genau nach diesen johanneischen Prinzipien verfahren: Politik und Verwaltung wissen, was für die Hochschule gut ist, definieren in kleinsten Kreisen strategische Ziele und setzen diese dann mit dem Recht des Eigentümers um. Tatsächlich wird die FH Joanneum immer wieder als Landesbesitz bezeichnet. Dabei befindet sich lediglich die Betreibergesellschaft, der so genannte Erhalter der Fachhochschulstudiengänge, im Landeseigentum; die Fachhochschulstudiengänge selbst und die Fachhochschule als ganze sind autonom; sie lassen sich nicht adäquat als Besitz und schon gar nicht als Besitz des Landes beschreiben. Das Land bzw. die ihm gehörende Gesellschaft kann sich weigern, die Studiengänge über die bereits zugesagten Fristen hinaus zu finanzieren, es kann sie aber nicht im Sinne eines Unternehmens führen. Privatrechtliche Betreibergesellschaften wie bei der FH Joanneum sind in Österreich nur zugelassen, soweit deren Unternehmensgegenstand überwiegend die Errichtung, Erhaltung und der Betrieb von Fachhochschul-Studiengängen ist. Das heisst doch wohl: Sie dienen im Wesentlichen bildungspolitischen und nicht z.B. regionalpolitischen Zielen.

Zielvorgaben statt politischer Einmischung

Ich hoffe, dass der mediale und politische Sturm der vergangenen Wochen allen gezeigt hat, dass Politik und Verwaltung überfordert sind, wenn sie sich inhaltlich in die Entwicklung von Hochschulen einschalten. Die inhaltlichen Fragen sollten von den hochschulischen Gremien beantwortet werden, die dazu vorgesehen sind. Land und Kontrollgremien sollten nicht mitgestalten, sondern Ziele und Kriterien definieren, die für jeden nachvollziehbar sind und die Interessen der Wähler in Vorgaben für die FH übersetzen. Wenn die Politiker die Lektion, die ihnen Studenten, Lehrende und Medien erteilt haben, begreifen, können sich endlich alle Interessierten und Sachkundigen an spannenden — und hoffentlich öffentlichen — Diskussionen über die Zukunft der FH Joanneum beteiligen.

Die Stadt Graz will von nun an bei der FH Joanneum nicht nur mitfinanzieren, sondern auch mitreden. (hier der heute einstimmig verabschiedete Gemeinderatsantrag als MS Word-Dokument.) Für die Medien- und Designstudiengänge ergibt sich die Chance auf eine Berufungsinstanz gegen die Landesverwaltung, die Kommunikation und Medien in ihrem Strategiepapier (PDF!) nicht einmal erwähnenswert fand.

„Ich kann morgen so machen“, schnippt Landeshauptmann Franz Voves mit den Fingern, „und jeder Aufsichtsrat schaut anders aus.“ Er kündigt Veränderungen in allen Aufsichtsräten von Landesgesellschaften an, die der SPÖ unterstellt sind (Estag, Joanneum) und in der ein VP-Aufsichtsrat nachweislich aus Parteitaktik gegen die Interessen des Eigentümers agiert. „Cäsarenwahn“, feixt VP-Klubobmann Christopher Drexler.

Um diesen dialogue de sourds* des Chefs der steirischen Landesregierung und des Fraktionsvorsitzenden seines Zwangs-Regierungspartners einem Nichtsteirer verständlich zu machen, müsste man eine Einführung in die steirische Landespolitik schreiben. Ein Aspekt ist, dass die steirischen Landesgesellschaften als Unternehmen verfasst sind und als politische Instrumente benutzt werden. Die Diskussion über den Umzug von Studiengängen der FH Joanneum ist ein Ergebnis dieser schizophrenen Situation. Könnte die FH tatsächlich als Unternehmen arbeiten, wären die jetzt gestoppten Absiedlungen sicher nicht beschlossen worden.

Eine Konsequenz für mich als bloggenden Mitarbeiter der FH: Ich begebe mich immer auf eine Gratwanderung, wenn ich über die FH schreibe. Zu welchen Grenzen verpflichtet mich die Loyalität zu meinem Arbeitgeber, wieviel öffentliche Kritik erlaubt oder fordert die Redefreiheit in einer Demokratie? Als Hochschullehrer arbeite ich übrigens in einem ähnlichen Dilemma: Ich agiere durchaus auch in der Öffentlichkeit — jedenfalls nach meinem Berufsverständnis — und muss andererseits auch hier vermeiden, die Institution, an der ich arbeite, in der Öffentlichkeit zu schädigen.

Überhaupt nicht über die Hochschule zu bloggen, an der ich arbeite, wäre nur für Leute eine Lösung, die soziale Medien zum Schweigen bringen und die öffentliche Darstellung von Institutionen den Pressestellen überlassen wollen. Worüber soll ich schreiben, wenn nicht über Dinge, die ich kenne? Es ist ja gerade der Vorteil von Webmedien, dass man differenziert und für kleine und kleinste Zielgruppen berichten kann. Ich habe ganz andere Möglichkeiten und kann viel detailreicher informieren und diskutieren als ein Journalist, der sich mit begrenztem Zeit- und Platzbudget an die steiermärkische oder gar österreichische Gesamtöffentlichkeit wendet.

Die Institution, an der ich arbeite, wird öffentlich finanziert. Die Gesellschaft kann erwarten, dass sie darüber informiert wird, was mit ihrem Geld geschieht. Es gibt keinen Grund dafür, diese Information nur den institutionell Mächtigen zu überlassen — sonst wäre demokratische Kontrolle eine Farce. Und auch für die Fachöffentlichkeit, für die Wissenschaftler- und Bloggerkolleginnen ist es wichtig zu erfahren, unter welchen Bedingungen über ein Thema geforscht und reflektiert wird. Schließlich kann man inhaltliche Fragen und institutionelle Zusammenhänge nicht trennen.

Ich habe keine Antwort auf die Frage, wie ich Vorgänge an der Hochschule, an der ich arbeite, in einem Weblog thematisieren kann oder soll. Ich hoffe, dass niemand versucht, diese Frage durch Schreibverbote zu beantworten — aber dafür dürfte es im Augenblick keine rechtlichen Grundlagen geben. Die öffentliche Reputation einer Hochschule wird sicher gefördert, wenn ihre Mitarbeiter bloggen und ihre Arbeit (einschließlich der Arbeitsbedingungen) öffentlich diskutieren.

Zu bloggen ist für mich auch hier ein Experiment. Wie bei jedem Experiment muss man dabei die Grenzen des Bekannten überschreiten, und man kann nicht sicher sein, was man erfährt. Zu viel Ängstlichkeit macht es unmöglich, Neues zu finden.

Zurück zu Franz Voves und seinen Machtphantasien: Die Debatte über die Standortverlagerungen an der FH, die hier in Graz in den letzten Tagen enorme Wellen geschlagen hat, war ein PR-Desaster für die SPÖ, übrigens nicht das einzige. Die Verantwortlichen haben nicht nur eine falsche, sie haben überhaupt keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Sie sind offenbar nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sie für eingreifende hochschulpolitische Maßnahmen Öffentlichkeitsarbeit brauchen — und das bei Entscheidungen über Studiengänge, die in einem öffentlichen Netzwerk arbeiten. Dieselbe Blindheit für das Funktionieren von Öffentlichkeit, die dazu geführt hat, dass diese Entscheidungen überhaupt getroffen wurden! (Sie drückt sich übrigens auch darin aus, dass der Medienbereich im Positionspapier der Landesregierung zur Zukunft der FH Joanneum, PDF! nicht vorkommt.) Statt mit dem Finger zu schnippen, muss die SPÖ endlich lernen, mit Bürgern und Betroffenen auf gleicher Augenhöhe zu sprechen. Sonst stirbt sie in urbanen Umfeldern wie Graz irgendwann aus.

* dialogue de sourds, Dialog der Tauben, steht im Französischen für den Scheindialog zweier Partner, die sich nichts zu sagen haben