"Ich habe mit Widerstand gerechnet, aber nicht auf so vielen Ebenen", sagte Vollath zur Kleinen Zeitung. Sie nehme zur Kenntnis, "dass man mit sachlichen Argumenten in der momentan so emotional aufgeheizten Situation nicht durchkommt".

Interessant. Nur haben die Betroffenen nie ein Argument gehört. Bei der Verkündigung der (hoffentlich obsoleten) Entscheidung über die zukünftigen Standorte der Studiengänge der FH Joanneum durften nicht einmal Fragen gestellt werden.

Von Vertretern einer Partei, die sich einmal als links bezeichnet hat, würde ich Diskussion und Lust am Widerspruch erwarten. Was uns die SPÖ hier und leider auch sonst nicht selten vorführt, heisst auf Französisch langue de bois (Holzsprache). Schade.

Kapfenbergs Bürgermeisterin Brigitte Schwarz wehrt sich dagegen, dass der Fachhochschulstandort Kapfenberg in Frage gestellt wird:

Die Stadt Kapfenberg hat bisher 18 Millionen Euro aus Eigenmitteln investiert, die Studien wurden in enger Zusammenarbeit mit der hiesigen Industrie entwickelt, es gibt Synergien mit der Montanuniversität Leoben.

Das ist kein Argument dafür, in Kapfenberg Studiengänge anzusiedeln, die keinerlei Bezug zur dortigen Industrie oder zur Montanuniversität Leoben haben. Die Bürgermeisterin übergeht außerdem großzügig, dass die zu ihrer Partei gehörende Bildungslandesrätin gerade fast alle bisher in Kapfenberg untergebrachten Studiengänge von dort abziehen will. Eigentlich ein Eigentor!

(Anmerkung: siehe letzter Absatz des vorangegangenen Postings)

Die Grazer ÖVP bezieht jetzt unmissverständlich Stellung: Die ÖVP wehrt sich entschlossen gegen den Anschlag der SPÖ auf die Grazer Bildungslandschaft! Laut Presse bleibt Landesrätin Vollath unerbittlich: Ein Aufschnüren des Standortkonzepts schließt sie gegenüber der „Presse“ aus: „Das wäre halbherzig.“

Die Umsiedlung von Studiengängen wie „Informationsdesign“ und „Journalismus und Unternehmenskommunikation“ von Graz in eine Kleinstadt ohne Medienszene halte ich für einen Schildbürgerstreich zu Lasten der Studierenden. Jetzt ist sie zum parteipolitischen Thema geworden, und man kann nur hoffen, dass dadurch die Irrationalität der Entscheidungsträger im Land nicht noch größer wird. Frau Vollath und ihre Beamten haben im Vorfeld mit keinem der betroffenen Studiengangsleiter, Lehrenden oder Studenten über die Standortänderungen gesprochen. Jetzt schließt die Landesrätin, die sachlich gar nicht informiert sein kann, Änderungen aus. Das ist nicht nur autoritär, es ist unpolitisch. Frau Vollaths Parteifreunde hätten ihr dringend von der Hauruck-Methode abraten müssen; die Folgen dieser Fehlentscheidung, die sie selbst vor der Presse vertreten hat, müssen sie beschädigen. Niemand könnte der Landesrätin einen Vorwurf machen, hätte sie eine oder mehrere Alternativen zur Diskussion gestellt, das von ihr selbst eingerichtete FH-Kollegium einbezogen und sich dann mit Argumenten für eine Lösung entschieden.

Die beste Lösung für alle Beteiligten wäre es, wenn die Landesrätin einen Fehler zugäbe. Das könnte der FH eine sachliche Entscheidungsfindung ermöglichen und ihr selbst politisch Luft verschaffen. Außerdem wird es dringend Zeit für eine tabulose Diskussion des politisch gewollten Hochschulstandorts Kapfenberg. Wieder einmal ist hier gut gemeint vermutlich das Gegenteil von gut.

(Anmerkung: Ich bin von der geplanten Umsiedlung persönlich betroffen. Hier äußere ich meine persönliche Meinung zu öffentlich zugänglichen Tatsachen. Betroffene, die anderer Ansicht sind, bitte ich um Kritik und gegebenenfalls Korrekturen in den Kommentaren.)

(Ich zitiere aus einem Mail von Vertretern der Grünen.)

Wirtschaftsbund-Graz Obmann Dr. Christian Buchmann hält zur heute bekannt gewordenen Absicht von Landesrätin Dr. Bettina Vollath, die kreativen Studiengänge aus Graz nach Kapfenberg abzuziehen Folgendes fest:

Alle Studien zur Kreativwirtschaft belegen, dass die Stadt Graz seit dem Kulturhauptstadtjahr 2003 bewiesen hat, dass sie über ein besonderes kreatives Potenzial verfügt. Es ist aus meiner Sicht heller Wahnsinn, dieses Potenzial vorsätzlich zu zerstören. Denn nichts anderes bedeutet es, gerade die kreativsten Studiengänge der Fachhochschule nach Kapfenberg abzusiedeln. Kreative benötigen ein urbanes, von den verschiedensten kulturellen Einflüssen geprägtes Umfeld. Landesrätin Bettina Vollath erweist der Stadt Graz einen Bärendienst und konterkariert die Anstrengungen des Kreativnetzwerkes „CIS“, Graz als City of Design zu positionieren!“

Buchmann weiter:

Ich fordere die Landesrätin auf, umgehend den Dialog mit den Studierenden und Professoren zu suchen und ihre unkoordinierten und nicht abgesprochenen Vorschlag zurückzuziehen“,

so der Landesrat eindringlich.

Ernst Sittinger kommentiert in der Kleinen unter dem Titel Brutalität:

Als vor elf Jahren die steirische Fachhochschule ins Leben gerufen wurde, war die Politik ehrgeizig: Im Sinne der Förderung von ländlichen Regionen wurde beschlossen, einen Teil des Studienbetriebs ins obersteirische Kapfenberg zu verlegen. Vielleicht war auch ein bisschen sozialdemokratische Romantik dabei; immerhin war der damalige SPÖ-Chef Peter Schachner der zuständige Referent.

Doch die Vermischung von Bildungs- und Regionalpolitik stellte sich bald als unglücklich heraus. Während sich die Grazer Studiengänge regen Zulaufs erfreuten, kämpfte Kapfenberg stets gegen den Studentenschwund. Denn die Zahl der Jugendlichen, die ausgerechnet im Mürztal die weite Hochschulwelt kennen lernen wollten, ist nun einmal begrenzt.

Landesrätin Vollath und mit ihr die neuen Fachhochschul-Chefs wollen nun das Problem beheben — indem sie bisher starke Studien ins Kapfenberger Exil schicken und die dortigen Problem-Fächer nach Graz holen. Anders gesagt: Anstatt in Kapfenberg ein Ende mit Schrecken zu machen — und für die dortige Region besser geeignete Impuls zu suchen —, hat man sich für Schrecken ohne Ende entschieden. Die Design-Stadt Graz steht nun ohne Design-Studium da. Und die Betroffenen hat man vor vollendete Tatsachen gestellt.

Der kuriose Plan wird wohl nicht durchzuhalten sein. Vollath wird noch merken, dass Kapfenberg seit Qualtinger für Brutalität steht*.

*Notiz für Mit-Piefke: Simmering gegen Kapfenberg, des is‘ Brutalität! — ein Kernsatz von Helmut Qualtingers Travnicek.

Die Studierendenvertretretung der FH Joanneum hat noch heute Nacht eine Presseerklärung zum verordneten Umzug der Kreativstudiengänge nach Kapfenberg abgegeben:

FH JOANNEUM Studierendenvertretung: Belebung der Region Kapfenberg auf
Rücken der Studierenden

Vorsitzender der Studierendenvertretung „JOIN“ der FH JOANNEUM, Philipp Hense
sieht die Design-Studiengänge gefährdet: „Warum sollen gut funktionierende
Studiengänge aus ihrem verwurzelten Umfeld gerissen werden und in Kapfenberg
vertrocknen? Diese Studienrichtungen brauchen das städtische Umfeld und ihre
Einbindung in das kulturelle und mediale Geschehen.“

Die Studiengänge „Industrial Design“, „Informationsdesign“ und „Journalismus und
Unternehmenskommunikation“ sollen nach dem Willen der Geschäftsführung der FH
JOANNEUM nach Kapfenberg übersiedelt werden.

„Diese plötzliche Entscheidung als ‚partizipativen Prozess‘ zu verkaufen, ist völliger
Unsinn, weil wir Studierendenvertreter auch erst unmittelbar vor der Pressekonferenz
davon erfahren haben und in diese Entscheidung nicht eingebunden waren,“ so
Hense.

„Landesrätin Vollath meint damit auf die Bedürfnisse des Marktes einzugehen, der
Medienstandort Kapfenberg muss aber erst noch gefunden werden.“
Klar begrüßt Philipp Hense die Übersiedelung der Studiengänge aus Kapfenberg
nach Graz: „Hier gibt es ganz andere Kooperationsmöglichkeiten, alleine schon
wegen der Nähe zur Technischen Universität. Dass die Studiengänge in Kapfenberg
nicht erfolgreich genug waren, liegt nicht an den Studierenden oder Lehrenden,
sondern am Standort selbst – er ist als Hochschulstandort zu unattraktiv. Dahinter
steckt eine unwirtschaftliche Standortgarantie für Kapfenberg, die politisch motiviert
ist.“

Der Studierendenvertreter ist skeptisch, ob die gewünschten Ziele durch diese
Umstrukturierungen erreicht werden können: „Hier werden Probleme auf die lange
Bank geschoben. Es wird versucht durch die zwangsweise Ansiedelung von
Studierenden die Region Kapfenberg zu beleben. Langfristige politische
Fehlentscheidungen werden auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen.“

„Mit dieser Aktion zerstört Vollath die betroffenen Studiengänge!“

Lisa Rücker, Stadträtin der Grazer Grünen, zur geplanten Umsiedlung der Kreativ-Studiengänge der FH Joanneum nach Kapfenberg. Ich unterrichte an zwei dieser Studiengänge. Ebenfalls beschlossen wurde, auf den geplanten und konzipierten Master-Studiengang „Web Publishing und digitale Kommunikation“ zu verzichten. Ich hebe mir Kommentare für etwas später auf, um nicht im Affekt zu schreiben.