Am vergangenen Mittwoch habe ich mehrere Stunden an einen Betonwürfel angelockt vor dem Landtag in Bregenz gesessen, um in einer Aktion von Extinction Rebellion Vorarlberg gegen das Projekt „Tunnelspinne“ zu protestieren. Am Samstag saß ich zusammen mit Katha beim Markt der Zukunft in Graz auf dem Podium Leonore Gewessler gegenüber. Wir präsentierten die Forderung einer Arbeitsgruppe nach einer „Zukunftskammer“—einer partizipativen und öffentlich geförderten Supportstruktur für ökologische Wirtschafts- und Lebensformen. Die Aktion vor dem Vorarlberger Landtag haben Polizei und Cobra beendet. Nach der Diskussion mit der Ministerin wurde ein offizielles Gruppenfoto aufgenommen.

Ich käme mir nicht glaubwürdig vor, wenn ich mich nur durch Gespräche in einem gesicherten Rahmen klimapolitisch engagieren würde. Bei einem diskursiven und entspannten Klimakulturevent wie dem Markt der Zukunft bleibt im Hintergrund, dass schwere Konflikte ausgetragen werden müssen, um die globale Erhitzung und den Verlust der Biodiversität aufzuhalten. Ich nehme an Aktionen wie der in Vorarlberg teil, um deutlich zu machen, dass wir diesen Konflikten nicht aus dem Weg gehen können und dass sie den Aufbau einer Gegenmacht erfordern.

Ich halte es aber nicht für ausreichend, mich nur im zivilen Ungehorsam zu engagieren und das Hauptgewicht auf Aktionen statt auf Argumente zu legen. Während ich vor dem Landhaus in Bregenz saß, gingen Mitarbeiterinnen des Vorarlberger Landtags und später die Abgeordneten auf dem Weg zur ersten Herbstsitzung an mir vorbei. Ich war sicher, richtig zu handeln: Die Aktion zeigte, dass die diskursive Ebene, für die es einen Landtag gibt, gerade eklatant versagt. Aber die Verständnislosigkeit, mit der uns viele anschauten, führte uns auch deutlich vor, dass sie die Botschaft unserer Aktion nicht verstanden—weder den Inhalt unseres Protests noch seine Form.

Ohnmacht und Strategie

Der zivile Ungehorsam vor dem Landtag und die Formulierung unseres Vorschlags für die zuständige Ministerin sind zugleich Formen der Selbstermächtigung und Ausdruck der Machtlosigkeit. Motiv der Extinction Rebellion-Aktion ist die Ohnmacht, argumentativ eine große öffentliche Investition in noch mehr Autoverkehr aufzuhalten, obwohl die Verkehremissionen radikal gesenkt werden müssen. Ziel unseres Vorschlags einer „Zukunftskammer“ war es, einen Weg aus der frustrierenden Machtlosigkeit derjeningen zu finden, die versuchen, nicht marktdiktiert zu leben und zu arbeiten.
Beide Situationen waren nicht Konfrontationen mit Instanzen tatsächlicher Macht. Es hängt nicht vom Vorarlberger Landtag ab, dass die Emissionen weiter nach oben getrieben werden, obwohl er als erster Landtag in Österreich den Klimanotstand ausgerufen hat (ORF, 2019). Die Entscheidungen des Landtags sind das Ergebnis komplexer Machtstrukturen, die den Abgeordneten vorgeben, welche klimapolitischen Entscheidungen ge troffen werden können—nicht nur durch direkten Einfluss, sondern weil sie die Arbeits- und Lebensverhältnisse und auch die Haltungen der Wählerinnen und Wähler bestimmen. Nicht die Umweltministerin ist schuld daran, dass Landwirtschafts- und Wohnformen, die Klima und Artenvielfalt nicht weiter ruinieren, nur gegen Widerstände und isoliert praktiziert werden. In Leonore Gewesslers Antworten auf die Vorschläge der Arbeitsgruppen wurde ausreichend deutlich, dass sie als Ministerin selbst gegen eine Übermacht kämpft.
Ziviler Ungehorsam ist eine Strategie gegen diese Ohnmacht, genauso wie die Vernetzung von Inititiven für eine ökologische Ökonomie.
Ziviler Ungehorsam ist die zeitweise Besetzung eines öffentlichen Raums im Widerspruch zur bestehenden Ordnung. Bei einer solchen Aktion kommt man als Gruppe zusammen, in der die Regeln, die sich überall durchsetzen sollen, schon herrschen. Diese Erfahrung bleibt und wird die Menschen, die an der Aktion teilgenommen haben, weiter miteinander verbinden.
Die Projekte, über die wir beim Markt der Zukunft gesprochen haben, versuchen, außerhalb der Marktstrukturen andere Formen von Produktion und Zusammenleben und andere Formen der Beziehungen zwischen Produktion und Zusammenleben zu etablieren. Die Vernetzung solcher Initiativen kann die Ohnmacht objektiv reduzieren und verringert sie in jedem Fall in der Erfahrung derjenigen, die an ihr teilnehmen.
Bei der Vorbereitung der Arbeitsgruppe beim Markt der Zukunft habe ich einen Text über David Graeber und „präfigurative Politik“ (Little, 2023) gelesen—eine Politik, die das, was sie erreichen will, bereits vorwegnimmt. Die Aktion in Bregenz und die Vernetzung beim Markt der Zukunft habe ich als Beispiele einer solchen präfigurativen Politik wahrgenommen—und als Anlässe darüber nachzudenken, wie sie sich wirksamer vorantreiben lässt.


Little, S. (2023, September 2). Anarchism Shaped David Graeber. Then He Shaped Anarchism. Novara Media. https://novaramedia.com/2021/09/02/anarchism-shaped-david-graeber-then-he-shaped-anarchism/
ORF, vorarlberg O. at/Agenturen. (2019, July 5). Vorarlberg ruft Klimanotstand aus. vorarlberg.ORF.at. https://vorarlberg.orf.at/stories/3003146/

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