Christian Burger hat in seinem Blog zwei Grafiken zu Christoph Neubergers Kommunikationsmodell veröffentlicht und kommentiert. Bisher suche ich vergeblich nach einer Online-Publikation durch Christoph Neuberger selbst. Die Grafiken übernehme ich, weil man mit ihnen gut erklären kann , wie das Netz die Bedingungen für Journalismus und PR verändert:

Journalismus alt
Journalismus neu

Übrigens erinnern die Grafiken an das unterschiedliche Kirchenverständnis bei Katholiken und Protestanten. Der Journalismus als Gatekeeper spielt eine ähnliche Rolle wie die „una sancta“: Er hat die direkte, privilegierte Verbindung zur Wahrheit, nur durch seine Vermittlung erhält die Öffentlichkeit zuverlässige Informationen. Das Netz ermöglicht dagegen so etwas wie die Priesterschaft aller Gläubigen.

Als ich die Grafiken gesehen habe, war meine erste Frage: Wozu braucht man dann den Journalismus? Aber die Geschichte der evangelischen Kirchen zeigt, dass sich auch in der prekären Position zwischen den Quellen und den vernetzten Rezipienten (die ja letztlich selbst zu Quellen werden) Institutionen entwickeln und stabilisieren können.

Im Wintersemester haben ich zusammen mit mehreren Fachleuten einen Masterstudiengang „Web Publishing und Digitale Kommunikation“ für die FH Joanneum konzipiert. Der Akkreditierungsantrag liegt gerade auf Eis, weil über die Gesamtstrategie der FH nachgedacht wird. Natürlich sammele ich Argumente für den neuen Studiengang, den ich jetzt übrigens lieber „Soziale Medien“ nennen würde. Einen weiteren Beleg dafür, dass der Bedarf nach Fachleuten für Internet-Medien in der Kommunikationsbranche wachsen wird, habe ich bei Thomas Pleil gefunden. Er schreibt über aktuelle Trends in der PR:

13,5 Prozent sehen Web 2.0 als größte Herausforderungen, weitere 10 Prozent das Internet bzw. Online- und Neue Medien. Dies deckt sich mit meiner (subjektiven) Beobachtung, dass insbesondere Agenturen im Moment intensiv daran arbeiten, ihre Online-Kompetenz auszubauen.

Thomas Pleil weist auf zwei Studien hin: das Umsatz-Ranking(PDF) des PR-Journals und den neuen PR-Trendmonitor

Ein Zitat aus dem PR-Trendmonitor:

Die Bedeutung von Web 2.0 für die PR liegt auf der Hand: Derzeit haben Weblogs mit 53,1 Prozent die höchste Bedeutung für Pressestellen, an TOP-2 folgen Wikis mit 43,9 Prozent und an dritter Stelle RSS mit 43,3 Prozent. Die Pressestellen aus Unternehmen, Verwaltungen oder Verbänden sind sich einig: Alle Web 2.0-Anwendungen werden in Zukunft an Bedeutung für die PR gewinnen – insbesondere Podcasts und Weblogs. Bei den PR-Agenturen sieht es nicht anders aus…

Die Untersuchungen — nur der Trendmonitor bezieht sich explizit auf Web-Themen — wurden in Deutschland durchgeführt; der Trend in Österreich dürfte nicht wesentlich anders aussehen. Mit Martin Bredl wurde hier jetzt ein aktiver Blogger zum Präsidenten des PRVA gewählt.

Online-Kommunikation ist ein wissensintensives Gebiet — nicht nur, weil sie sie Wissen voraussetzt, sondern auch weil es in ihr selbst um den Austausch von Wissen geht. Sie ist ein gutes Beispiel für den „transdisziplinären“ Mode 2 der Erzeugung von Wissen. Ich finde, das ist eine große Chance für die Weiterentwicklung einer Fachhochschule.

Stephen Downes in einem sehr lesenswerten Beitrag zur Schule 2.0:

There is no particular focus for this view of ‚Scool 2.0‘. The main point is that technology allows us to change our approach to education, from one where we segregate learners in specially designed education facilities (classrooms, training rooms, schools, universities) to one where learning is something we do (and what educators provide) in the course of any other activity.

Instead of bringing students to the learning, as the education system has done for about a century, we must now, if we wish to be relevant at all, bring learning to the students.

Downes Feststellung, dass das Schicksal der Schule, wie wir sie kennen, an das der Industriegesellschaft gebunden ist, dürfte die Herausforderungen für die Lehrenden besser treffen als die Euphorie über das „E-Learning“ oder die Klage über das Verschwinden der Bildung.

Konrad Paul Liessmann im Interview mit Telepolis:

Zitate aus der Wikipedia finde ich in der Tat höchst problematisch. Ich wäre hier in der Wissenschaft äußerst zurückhaltend. Ein wesentliches Kriterium von Wissenschaft schlechthin, nämlich die Überprüfbarkeit einer Quelle, wird damit tendenziell außer Kraft gesetzt. Das geht weit über Plagiatsfragen hinaus.

Liessmann beklagt die Abwesenheit einer normativen Bildungsidee. Die hätte ihm vorgeschrieben, sich mit seinem Thema zu befassen. Warum lässt sich die Wikipedia nicht als Quelle überprüfen? Bei wenigen Texten sind Änderungen so gut dokumentiert. Ein Blick in die älteren Versionen des Artikels über Konrad Paul Liessmann hätte genügt. Außerdem lässt sich mit Furl oder Spurl leicht jeder Zustand eines Artikels archivieren.

Noch — pardon — ungebildeter ist der Satz:

Und Programmieren ist sowieso keine Kulturtechnik, das ist eine Frage von Spezialisten.

Sind dann Mathematik und Rhetorik auch keine Kulturtechniken, weil man sich in ihnen spezialisieren kann? Gehört es nicht zur Kultur, die Grundlagen einer Technik zu verstehen, ohne die unsere Zivilisation überhaupt nicht existierte?

Liessman spricht in diesem Interview über Dinge, die er nicht kennt. Es geht ihm wie vielen Konservativen: Er verkörpert die Untugenden, die er attackiert.