In diesem Sommer hat sich mein Leben mehr verändert als in den 25 Jahren davor. Ich lebe nicht mehr in einer kompletten Familie, sondern als Single und single dad. Mit einer solchen Veränderung kann ich nicht umgehen, indem ich mir etwas vornehme, mir ein Programm mache.
Ich habe im Sommer und davor auf eine Krise durch mehr Anstrengung reagiert. Ich habe immer wieder überlegt, was ich machen oder was ich anders machen soll, was ich unternehmen kann. Dadurch wurde die Krise aber nicht gemildert, sie sie hat mich nur mehr beschäftigt. Erst eine Woche in Kroatien am Ende der Ferien hat diesen Zirkel unterbrochen. Ich habe mich ungeplant (und unterstützt von meinem Sohn David) um Dinge gekümmert, die keinen unmittelbaren Zweck haben: mit meinem Blog, mit Typographie, mit dem Lesen von Büchern, die nicht mit meinem Beruf zusammenhängen.
Am Ende des Sommers fällt mir immer wieder Stefan Sagmeister ein, den ich im Frühjahr kurz persönlich kennengelernt habe. Sagmeister steht für mich, wie wenige, für Weisheit. Ich denke oft an seinen Satz:
Und immer wieder fallen mir seine TED-Talks ein, z.B. der über Sabbaticals:
Nicht durch mehr Tätigkeit, durch mehr Kontrolle und Anstrengung wachse ich und entwickele mich, sondern durch weniger davon. Durch mehr Planen und Handeln passe ich mich weiter an eine Umwelt an, die sich dann wieder umgekehrt an mich selbst anpasst. Sie bestätigt meine Erwartungen, ich bestätige ihre—übrigens unabhängig davon, ob diese Erwartungen positiv oder negativ sind. Ich werde vielleicht effizienter, aber ich verändere ich mich nicht. Etwas Neues entsteht erst, wenn ich die Kontrolle aufgebe und mich auf Unerwartetes einstelle.
Jetzt ist es Herbst, mein Sohn ist bereits wieder in der Schule, am Montag geht die Arbeit wieder los. Ich genieße noch einmal den Luxus eines freien Vormittags an einem Wochentag. Ich frage mich, wie ich mir in den kommenden Monaten genug innere Freiheit erhalten kann. Für mich ist sie an das Schreiben gebunden, als seine Voraussetzung und als sein Ergebnis. Ich werde nicht darauf verzichten, mir täglich wenigstens ein Mikrosabbatical zu nehmen und es vor einem leeren Bildschirm zu beginnen. Und ich werde mir Stefan Sagmeisters Vorträge anschauen, wenn mich etwas unter Wasser zieht.
Was Du schreibst berührt mich sehr. „Selbstoptimierung“ ist ein Teufelskreis. Ich neige auch dazu. Und ich habe auch in diesem Sommer wieder begonnen zu träumen und bis eben undenkbares im Kopf entstehen zu lassen… Mir haben medienfreie Tage (sogar OHNE Buch!) in der Natur geholfen, mir selbst wieder näher zu kommen.
Hallo Heinz – Kann sehr gut nachempfinden, wie es dir da geht, in Bezug auf solche starken Veränderungen. Das Mikrosabattical als Antithese zum Lifehacking, großartig! lG Walter
Schöne Gedanken. Da muss ich auch an den Sagmeister-Besuch damals auf den Grazer Kasematten zurückdenken.
„Nicht durch mehr Tätigkeit, durch mehr Kontrolle und Anstrengung wachse ich und entwickele mich, sondern durch weniger davon.“ Gute Vorsätze für 2015!