In den Nachrichten und Kommentaren zur Bildung einer blauschwarzen Regierung, die ich mitbekommen habe – vor allem im Standard und im ORF – spielen Klima und Ökologie kaum eine Rolle. Diese traditionelle Perspektive auf die FPÖ ist ein Ausdruck der noch immer üblichen Einschätzung der Klimapolitik als eines Sonderthemas unter vielen anderen. Sie entspricht aber nicht den Tatsachen.

Anti-Klimapolitik als Kern von Blauschwarz

Die Agitation gegen die Klimapolitik spielt für die FPÖ wie für die meisten anderen rechtsradikalen Parteien eine erhebliche Rolle. Die Anti-Dekarbonisierungshaltung bildet eine wichtige Brücke zu den Klimaverzögerern in der ÖVP. Der Hauptunterschied zwischen beiden Parteien besteht darin, dass die FPÖ offen wissenschaftsfeindlich ist, während man in der ÖVP die Erkenntnisse zur Klimakrise nicht ausdrücklich anzweifelt, sondern sie ignoriert.

Die Anti-Klimapolitik der FPÖ scheint mir ein Hauptgrund dafür zu sein, dass sich die Kräfte in der ÖVP, die auf Blauschwarz hingearbeitet haben, durchsetzen konnten. Sie liegt im Interesse der Teile der sogenannten Wirtschaft, die möglichst lange vom Status quo profitieren möchten und deshalb an Investitionen in die bestehenden Strukturen statt in Alternativen dazu interessiert sind, und die eine Entwertung des vorhandenen Kapitals fürchten.

Die Vorbereitung einer blauschwarzen Regierung in Österreich setzt konsequent eine Entwicklung fort, die man international wie in Östereich seit 2019 beobachten kann: An die Stelle einer ehrgeizigen Klimapolitik, die sich von der Dekarbonisierung nicht nur eine Abschwächung der Klimakatastrophe, sondern vor allem Wachstum erhofft hat, tritt eine Beschleunigung der fossil basierten Wirtschaft. Erneuerbare Energien werden gefördert, weil sie die Preise drücken und eine weiter steigende Energienachfrage befriedigen können. Sie sollen die fossilen Energien aber nicht ersetzen, und eine Verringerung der Nachfrage nach Energie wird als Bedrohung verhindert. Parallel dazu werden staatliche Regulierung und die Finanzierung von staatlichen Investitionen durch Kredite bekämpft1.

Durchgesetzt haben sich die Teile der Wirtschaft, die von der fossilen Infrastruktur und Überakkumulation profitieren oder aber auf sie angewiesen sind. Dazu gehören die Eigentümer:innen und die Beschäftigten in der konventionelle Landwirtschaft, der Bauindustrie und im fossilen Verkehrssektor.

Die Politik des Green Deal bedeutet für das fossile Kapital Machtverlust und Innovationszwang. Es profitiert deshalb von einer populistischen Gegenströmung, die zwar in ihrer Ideologie zum Teil wirtschaftsfeindlich ist, deren Rückwärtsgewandtheit es der Fossilwirtschaft aber ermöglicht, sein Business as Usual auf absehbare Zeit fortzusetzen.

Vor dem endgültigen Aus für den Green Deal?

Franz Fischler fürchtet im Standard-Interview , dass die schwarzblaue Koalition sich als ein Kipppunkt auf dem Weg zu einer Dritten Republik in Österreich herausstellen wird. Sie könnte auch einen Kipppunkt bei der europaweiten Revision des Green Deal und der Auflösung der hinter diesem stehenden Koalition bilden. Das Scheitern der Koalitionsgespräche und die Endphase der Koalition davor symbolisieren das Scheitern der Kooperation von westorientierten Konservativen, Liberalen, Sozialdemokraten und auf Wachstum setzenden Grünen nicht nur in Österreich. An ihre Stelle tritt die Kooperation der konservativen Teile der Wirtschaft mit der antieuropäischen Rechten, international verstärkt durch die antistaatlichen Libertären aus der Tech-Industrie und einen antidemokratischen medialen Komplex, zu dem in Österreich vor allem das Mateschitz-Imperium gehört. Dieses Bündnis fürchtet die Dekarbonisierung so, wie die Reaktionäre der 20er und 30er Jahre den Sozialismus gefürchtet haben. Es ist existentiell auf die fossile Überakkumulation2 angewiesen, die die eigentliche Ursache der Klimakatastrophe ist.

Liberale Klimabewegung in einer illiberalen Gesellschaft?

Die Klimabewegung hat sich seit 2015 vor allem an die liberale Öffentlichkeit und die politischen und wirtschaftlichen Kräfte gewandt, die in Europa den Green Deal und auch in den meisten europäischen Ländern eine Dekarbonisierungspolitik unterstützt haben. Sie hat dieser Koalition als Kritikerin und Antreiberin vorgehalten, dass die eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichen. Nur kleine Teile der Klimabewegung haben das Modell des grünen Wachstums in Frage gestellt. Jetzt muss die Klimabewegung erkennen, dass ihre Adressaten überall in Europa die Macht verlieren – dass sich die Bündnissen, mit denen bei aller Kritik Kooperation möglich war, in immer mehr Ländern zugunsten einer mehr oder weniger deutlichen Kooperation der Konservativen mit der Rechten auflösen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Entwicklung in den kommenden Jahren endet, sie wird sich während der Präsidentschaft Trumps eher intensivieren. Vielleicht ist sie – von Trump bis hinunter zu Kickl – gerade zum Mainstream geworden.

Die Gruppen, die jetzt an die Macht kommen, sind für die Klimabewegung keine Partner, sie sind Feinde. Deshalb muss sich die Strategie der Klimabewegung verändern – die Beeinflussung einer liberalen Öffentlichkeit und Bündnisse mit demokratischen Kräften haben wenig Sinn, wenn diese liberale Öffentlichkeit und diese Kräfte selbst machtlos sind. Gegen Rechtspopulismus, eine wieder offensiv gewordene Fossilwirtschaft und mit ihnen verbündete Tech- und Medienkonzerne lässt sich nicht mit Argumenten, Aufklärung und Basismobilisierung ankommen, sondern nur mit dem Aufbau von gut vernetzten und resilienten Gegenstrukturen.

  1. Ich tagge Nachrichten zu dieser Entwicklung hier auf hypothes.is. ↩︎
  2. Siehe dazu das Buch von Pineault . Ich glaube, dass man nur ausgehend von einer Analyse der Akkumulation und Überakkumulation im fossilen Kapitalismus verstehen kann, warum die Klimapolitik der im weitesten Sinne liberalen Koalitionen und warum die Klimabewegung mit ihren Forderungen nach einer konsequenteren Dekarbonisierung gescheitert sind. ↩︎

2 thoughts on “Blauschwarz: Kipppunkt zu einer autoritären antiökologischen Politik?

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