Am Montag hatte ich in Wien ein interessantes Gespräch mit Michaela Mojzis und Alexandra Nussbaumer von der ÖVP. Es ging um ein Feedback zu unserem Parteitags-Blogging (Links zu den Postings via technorati hier und hier). Was mich überraschte, und was ich sehr positiv finde: Sie interessieren sich beide vor allem dafür, die Kommunikation mit Blogs und sozialen Medien zu verstehen. Sie sind neugierig — und ich finde, wir tun als Blogger gut daran, diese Neugierde ernst zu nehmen. Es ist eine Chance, den politischen Diskurs in Österreich aus den eingefahrenen Bahnen zu reißen; diese Chance halte ich für viel größer als das Risiko, funktionalisiert zu werden. Ich kann [Dieter]((http://www.sierralog.com/stories/3637386/ „sierralog: Aktivitäten in neuen Medien“) nur zustimmen:

Mehr als die technischen Experimente zählen aber die sozialen Experimente – eben, dass man kritische Blogger hierher eingeladen hat.

Noch ein paar eher akademische Gedanken zu unseren Aktivitäten auf dem Parteitag — leider verspätet, digitales fishwrap:

Unsere Expedition hat mir drei Dinge gezeigt:

  1. Die Berichte von Bloggern können mit denen in den Massenmedien konkurrieren. Vor dem Parteitag war ich mir vor allem unsicher, was wir überhaupt von dort berichten könnten, was also nicht bereits durch Zeitungen und Rundfunk abgedeckt wäre. Ich glaube, dass das ein Scheinproblem war. Das Echo auf unsere Berichte spricht dafür, dass sie einen recht gutes Bild vom Geschehen lieferten (Beispiele: Cyberweiber, zurpolitik.com, datenschmutz, Popcornmaschine
    ). Ich vermute: nicht obwohl, sondern weil sie deutlich subjektiv waren. Klar: Die Berichte sind gefiltert. Aber man kann gut erkennen, durch welche Brille auf die Ereignisse geschaut wird. Die Kombination der eigenen Berichterstattung der ÖVP und der Weblog-Postings ist sicher eine brauchbare Alternative zur Berichterstattung in den Medien.

  2. Von den üblichen Berichten in Zeitungen — auch ihren Online-Ausgaben — unterscheiden sich unsere Postings dadurch, dass und wie sie miteinander verknüpft sind.
    Beispiele für die „offizielle mediale Berichterstattung:
    Standard, Presse, ORF. Auffällig ist die Ähnlichkeit der Texte. Sie geht sicher nicht nur auf gemeinsame APA-Quellen zurück, sondern auch darauf, dass jedes Medium alles berichten muss, weil keines hinter der Konkurrenz zurückbleiben darf. Was unsere Einträge von solchen Reportagen unterscheidet, ist, dass wir aufeinander reagiert haben, das wir als Gruppe oder eher als ein lockeres Netz von Personen berichtet haben. Die Leser können leicht von einem zum anderen Blog klicken, und mehr oder weniger haben wir unsere Beiträge auch selbst verlinkt. Die Leserin kann dasselbe Ereignis also aus verschiendenen Perspektiven beobachten, die sich ergänzen oder auch widersprechen. Unsere Beiträge zum Parteitag bilden ein kleines, offenes mediales Netz (Jan van Dijk). Als Autoren haben wir miteinander kommuniziert, uns zum Teil kennen gelernt und uns wohl alle vorgenommen, auch weiter in Verbindung zu bleiben. Wir haben ein soziales Netz gebildet, das sich in dem medialen Netz unserer Postings widerspiegelt und wiederum von ihm unterstützt wird. Wir agieren also in einer ganz anderen Struktur als Journalisten, die für große Medien schreiben. Wir stehen nicht vor allem in Konkurrenz zueinander, sondern wir sind aufeinander angewiesen. Deshalb sind wir auch nicht gezwungen, dasselbe zu berichten wie unsere Kollegen.

  3. Die mediale und soziale Vernetzung bleibt aber nicht auf unser Grüppchen der „Parteitagsblogger“ beschränkt. Wir sind vernetzt mit den Lesern und den anderen Bloggern, die sich zu unseren Beiträgen geäußert haben. Und wir sind, wenn auch nur sehr locker, mit den Leuten von der ÖVP verknüpft, die uns eingeladen haben. Anders gesagt: Durch das Bloggen verbinden wir eine Gruppe — nämlich Leser und Schreiber von Weblogs — mit einer anderen Gruppe, nämlich den an Weblogs interessierten Funktionären der ÖVP. Wenn ich über die ÖVP blogge, stehe ich im Dialog mit den Leuten, die mein Blog lesen, und mit Leuten von der ÖVP — mindestens ist diese Dialog ständig möglich, und ohne diese Möglichkeit hätte das Bloggen über eine Event wie einen Parteitag wohl nur wenig Sinn.
    Dabei waren wir noch in einer ähnlichen Situation wie Journalisten. Wir haben über Akteure gebloggt, die fast alle selbst nicht bloggen. Und es gab auch keine Diskussionen oder wirklich neue Informationen. Blogger, die in die Diskussion, über die sie berichten, selbst involviert sind, dürften weit interessantere Berichte liefern.

2 Kommentare zu “Noch einmal: ÖVP-Parteitag

  1. Schade, aber wir werden uns ja nicht aus den Augenverlieren… Ich glaube, Helge denkt über ein Blogger/Politiker-Meeting nach, und an der FH Joanneum überlegen wir auch in dieser Richtung.
    LG
    H

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