Ich denke immer wieder über mobilen Inhalt nach. Wir bereiten einen neuen FH-Webauftritt vor, der vor allem aus mobilen Anwendungen bestehen soll. Gleichzeitig verwende ich parallel ein iPhone und ein iPad mit iOS 7 neben meinem Nexus 4 mit Android. Vielleicht fällt es mir jetzt erst auf: Aber spätestens mit IOS 7 versucht Apple—wie Google schon lange— Mobilgeräte zu permanenten Begleitern zu machen, die einem ohne Suche die richtige Information am richtigen Platz zuspielen und umgekehrt das Verhalten des Nutzers analysieren, um sich daran anzupassen. Für das IOS 7 wurde außerdem offenbar sehr detailliert überlegt, wir man mobil mit Inhalten und Informationen umgeht. Hätte ich vor ein paar Tagen nicht eine Reihe Texte über mobiles Design gelesen, hätte ich vielleicht gar nicht bemerkt, wie einfach die ersten Schritte nach einem Update des iPad auf eine neue IOS 7-Version sind.
Mobile Inhalte navigieren zu den Nutzern
Mobile Inhalte sind nicht einfach transportable Medien. Mobiler Inhalt bedeutet: Ich bekomme an jedem Ort und zu jeder Zeit genau den Inhalt, den ich brauche. Und ich bekomme ihn in der Form, die gerade am besten geeignet ist. Der Inhalt kann sich also völlig unterschiedlichen Gegebenheiten anpassen. Wie der Inhalt präsentiert wird, entscheidet sich nicht bei der Publikation, sondern bei der Rezeption des Inhalts. Dass die Navigation bei mobilen Inhalten gegenüber dem Inhalt sekundär ist, liegt zwar zunächst daran, dass es nicht genug Platz auf einem kleinen Bildschirm gibt. In einem weiteren Sinn hängt es aber damit zusammen, dass sich nicht der User oder die Userin zu einem Inhalt hin bewegen soll, sondern dass der Inhalt umgekehrt zu seiner Adressatin oder seinem Adressaten kommt. Das macht das Besondere einer guten mobile experience aus.
Situationsbezogene Möglichkeiten statt physikalischer Metaphern
Das Muster Der Inhalt kommt zum Adressat bedeutet, dass in digitalen Medien, also vor allem im Web, nicht physikalische Umgebungen oder räumliche Ordnungen nachgebildet werden, z.B. in Form einer hierarchischen Website oder auch in der Form des Desktop als Metapher für die Ordnung von Daten. Stattdessen werden dem User situationsbezogene Möglichkeiten angeboten. Damit ist die Zahl der Möglichkeiten zwangsläufig beschränkt. Im Grunde folgt schon der Übergang zur App statt der Website als dem Zugang zu Inhalten diesem Pattern. Ein Texteditor wie der iA Writer, der mir beim Schreiben genau das anbietet, was ich in diesem Moment brauche, ist ein Best Practice-Beispiel für dasselbe Muster. (Ich entdecke vielleicht gerade den Nordpol wieder, denn es geht hier um die Prinzipien neuer Betriebssysteme).
Die Inhalte sorgen für die Navigation
Für die Inhalte selbst hat das die Konsequenz, dass sie selbst und nicht eine neben ihnen stattfindende Navigation die User darüber orientieren müssen, wo sie sich gerade befinden und was sie tun können. Genau das ist in jedem guten zeitlich strukturierten Medium immer schon der Fall. Für das Schreiben bedeutet das: Mache dem Leser an jeder Stelle so einfach wie möglich deutlich, wo er sich befindet! Häufe also z.B. nicht nur Information auf Information, sondern gestalte einen Weg, gib Überblicke!
Mobiles Design und Content-Strategie gehören zusammen
Es gibt so etwas wie eine natürliche Beziehung zwischen Content-Strategie und mobilem Design. Mobiler Inhalt ist zwangsläufig von seiner Präsentation unabhängig. Mein Text muss in verschiedenen Browsern, aber z.B. auch mit Instapaper oder in einem mit Readlists generierten E-Book gut lesbar sein. Er muss also vor allem eine gute innere Struktur und Medien und sprechende Links an den richtigen Stellen aufweisen. Ich glaube—aber das ist eine anderes Thema—dass eine nichtlineare, von Topics ausgehende Inhaltsstruktur im Sinne der Darwin Information Typing Architecture sich für mobile Inhalte sehr gut eignet.
Adaptive Content als Herausforderung für die Inhaltsmacher
Ich weiss, dass ich hier nur ein paar sehr allgemeine Gedanken formuliert habe. Sie liegen nahe, wenn man überlegt, wie man mit Inhalten umgehen kann, wenn sie adaptiv sind, also sich algorithmisch gesteuert der Situation anpassen, in der sie aufgenommen werden. Mobiler Content ist nicht in erster Linie eine Herausforderung für Entwickler und Designer, sondern vor allem für alle, die Inhalte machen.