Seit einigen Wochen haben wir den Chromecast-Stick von Google zuhause—zuerst dank Freund Martin, der ihn in der kurzen Zeit gekauft hat, in der er nach dem Start auch diesseits des Atlantiks erhältlich war. Inzwischen kann man ihn wieder bestellen—er kostet allerdings etwas mehr als die $ 35, die man in den USA dafür zahlt.
Mit Chromecast kann man sich Videos und andere Internet-Inhalte auf einem HDTV-Fernseher ansehen. Das Gerät ist so groß wie eine USB-Stick. Man steckt ihn in einen HDMI-Anschluss des Fernsehers. Dann muss man noch eine IOS-, Android oder Chrome-App installieren. Man streamt entweder die Inhalte von YouTube und anderen Services direkt aus dem WLAN zum Fernseher und benutzt das Mobilgerät oder den Computer als Fernsteuerung, oder man überträgt ein Chrome-Browser-Fenster aufs TV—was allerdings nicht mit allen Medienformaten funktioniert. Simpelste Verwendung: Man öffnet eine YouTube-Video am Handy, klickt auf ein kleines Bildschirmsymbol und beamt damit das Video auf den Fernseher. Weil der Fernseher das YouTube-Video direkt aus dem WLAN saugt, kann man parallel z.B. twittern oder telefonieren. Time Magazine hat Chromecast zum Top Gadget des Jahre 2013 gewählt. Nach dem Start war es über Wochen das meistverkaufte elektronische Gerät bei Amazon.
Eine gute englische Einführung kommt von The Verge:
Das Ganze ist billig und, österreichisch gesagt, dodeleinfach. Chromecast ist der kürzeste, billigste und simpelste Weg, um deinen Fernseher ins Internet zu bringen (David Pogue).
Ich bin ein Fernsehmuffel und habe Chromecast sei Dank seit Jahren zum ersten Mal Lust, den Fernseher nicht nur zum gelegentlichen pflichtgemäßen Nachrichtensehen zu benutzen. Es hat etwas, ein Video wie den Bericht über den Auftritt von Tom Waits 1978 in Wien einfach auf den Fernseher im Nebenzimmer schieben zu können und es dort weiterzusehen. Bisher geht das nur mit wenigen Apps, aber das Software Development Kit wird es bald leicht machen, beliebige Services mit Chromecast-Fähigkeiten auszustatten. Außerdem ist es sehr praktisch, Websites am Großbildschirm anschauen und zeigen zu können. Mir ist klar, dass es für all das auch andere Wege gibt, aber es ist wohl keiner einfacher. Man kann übrigens auch den kompletten Bildschirm via Chromecast auf den Fernseher bringen —dieses Feature ist aber noch experimentell.
Chromecast und der Video- und Fernsehmarkt
David Pogue beschreibt in dem schon zitierten Artikel sehr ausführlich, wie das Gadget funktioniert. Für ihn ist der interessanteste Aspekt, dass Chromecast es einfacher und interessanter macht, Videos direkt aus dem Internet auf den Fernseher zu bringen, als einen Kabel-TV-Dienst zu nutzen. Internet-Video kann zum Standard für das Fernsehen werden, Kabel- und terrestrisches TV zu einem beschränkteren und komplizierteren Zusatzangebot.
Was bedeutet Chromecast für Webinhalte?
Durch Chromecast und ähnliche Technologien wird es bald selbstverständlich sein, beliebige Webinhalte auch auf Großbildschirmen anzusehen.
Chromecast bringt das Web in seiner reinsten Form auf das Fernsehen… Jeder Webinhalt kann nun Fernsehinhalt sein, und Fernsehanbieter dürften das kaum blockieren können, ohne das Web überhaupt zu blockieren—weil alles, was man in Chrome ansehen kann, es auch zum Chromecast schafft [How the Chromecast Shows Google’s Changing Priorities].
Das macht die für den Computerbildschirm entworfene Webseite noch unwichtiger, als sie es durch die mobilen Plattformen schon geworden ist. Es treibt dafür die Ansprüche an Video- und andere multimediale Inhalte weiter in die Höhe. Videos, die nicht Fernsehqualität haben, wird man nur noch in Ausnahmefällen verwenden können. Die Website wird zu einer Kollektion von vernetzten Inhalten, durch die man, je nach Bildschirmgröße, mit unterschiedlichen Mitteln navigiert. Für Angebote mit vielen Videos oder Fotos braucht man wahrscheinlich eigene, DVD-artige Navigationstools.
Damit werden längere Formen für das Online-Video interessanter. Es werden sich andere Formate entwickeln als die kurzen viralen Clips, die auf dem Computer-Bildschirm am erfolgreichsten sind. (Siehe dazu: How Google’s Chromecast Is Changing Digital Media.)
Den ersten ambitionierten Versuch, Chromecast für eine Webangebot zu verwenden, das nicht nur aus Videos besteht, macht die Washington Post. Die Apps wie die Website der Zeitung sind Chromecast-fähig. Man kann also Videos sofort an den Fernseher weiterschicken.
Chromecast ist ein weiteres Argument dafür, Webauftritte unter der Devise Content first! zu entwickeln. Wie und wo die Benutzer die Inhalte ansehen, lässt sich kaum mehr voraussehen. Wichtig ist es nur sicherzustellen, dass sie auf allen kleinen und großen Plattformen benutzbar sind.
Wie kann es weitergehen?
Seit Dezember unterstützt eine größere Anzahl von Apps Chromecast (siehe 10 neue Apps mit Google-Chromecast-Unterstützung – inklusive Plex » t3n). Google hat das Software Development Kit aber noch nicht freigegeben. Angekündigt sind die Freigabe des SDK und der internationale Start für 2014.
Weitere Informationen
Ausführlich über den aktuellen Stand informiert Chromecast in 2014: an open SDK, big international plans and maybe even new devices, (gefunden dank Google Chromecast soll 2014 international starten – futurezone.at). Ein Vergleich mit den wichtigsten Konkurrenzprodukten ist Stream Engines: How To Choose Between The Apple TV, Roku 2 And Chromecast – ReadWrite. Aktuelle Informationen findet man u.a. bei Google+ und bei Reddit.
Trotzdem werde ich mir keinen Fernseher kaufen … und weiter auf die interaktive Wand warten.