Joanna Woźny und Daniel Ender in der KUG

Am Samstag war ich mit Ana bei einem Abend an der KUG. Die Komponistin Joanna Woźny wurde vorgestellt — in einem kurzen einleitenden Gespräch mit Daniel Ender und dann durch die Aufführung ihrer Stücke suspended und some remains.

Zu Anfang des Abends sprach Joanna Woźny darüber, wie schwer es ist, über Musik zu reden, sobald es nicht nur um die Technik geht. Ich will gar nicht erst versuchen, die beiden Stücke genau zu beschreiben, die nach dem Gespräch aufgeführt wurden. Beide sind für ein kleines Ensemble geschrieben, in dem die verschiedenen Grundtypen von Instrumenten nur einmal vorkommen. Bei beiden spielt die Spannung zwischen Geräuschen, die mit diesen Instrumenten erzeugt werden, und kurzen Passagen mit Instrumentaltönen eine große Rolle. In beiden wechseln vorwärtsdrängende Bewegungsverläufe in einer rhythmisch geordneten Zeit und statische Passagen miteinander ab. Bei beiden Stücken gelang es den Aufführenden, jedes Geräusch und jeden Ton als Teil eines Zusammenhangs erscheinen zu lassen, den sie für das Publikum erschlossen. Die Spannung übertrug sich auf die nicht sehr zahlreichen Zuhörer, die lange applaudierten.
Mir fehlt das musikalische Wissen, um diese Stücke einordnen oder beurteilen zu können. Ich habe, wenn auch nicht oft, Aufführungen von Stücken Luigi Nonos und Helmut Lachenmanns miterlebt, die Joanna Woźny als Vorbilder nannte. Die Stücke am Samstag haben mich genauso fasziniert wie diese Konzerte. Man merkt, dass hier eine konsequente künstlerische Recherche stattfindet, bei der nichts in den verwendeten musikalischen Elementen als selbstverständlich behandelt wird, bei denen das Selbstverständlich, Bekannte — die von den Instrumenten bekannten Töne — in Konstellationen steht, die es als unwahrscheinlich und besonders zeigen.
Mir ist beim Hören durch den Kopf gegangen, wie sehr alles in einem Musikstück mit Erinnerung zusammenhängt, Erinnerung an das unmittelbar davor Gehörte, aber auch Erinnerung an früher Gehörtes, Ähnliches und Unähnliches, das die Erwartungen bestimmt. Auch das Stück selbst, deshalb schreibe ich jetzt vielleicht darüber, wird als etwas aufgeführt, das sofort nur noch Erinnerung ist.
Der Abend wird online und in einem Buch dokumentiert werden1 – eine andere Form der Erinnerung als die persönliche, subjektive beim und nach dem Hören. Aber gerade dieser Dokumentationscharakter und die Konzentration auf die Komponistin, deren Arbeit vorgestellt wurde, unterschied den Abend von vielen anderen Konzerten. Die Distanz zwischen Publikum und Künstlern war viel kleiner.
Ich möchte einen Gedanken anschließen, der mir immer wieder bei Aufführungen oder Vernissagen einfällt — er betrifft das Verhältnis der Aufführung oder des Kunstwerks zur Öffentlichkeit, also auch zu der kleinen, städtischen Öffentlichkeit hier in Graz. Ich frage mich, ob es nicht in Kunstwerken wie denen Joanna Woźnys implizit und auch explizit immer um das geht, was in einem bestimmten sinnlichen Material in einer Öffentlichkeit anziehend oder nicht anziehend ist. Vielleicht kann man das, was man früher als schön bezeichnet hat, sogar neu verstehen als etwas, das die Frage danach stellt, was öffentlich anziehend oder nicht anziehend ist oder sein sollte. Bei Musik geht es vielleicht mehr als bei anderen Künsten um die öffentliche und möglicherweise gemeinsame oder eben gerade nicht mögliche gemeinsame Erinnerung. In der künstlerischen Arbeit wird nicht etwas Schönes produziert, sondern es wird das öffentliche „Schöne“ oder Anziehende in seiner Bedingtheit und auch Entferntheit thematisiert.


  1. „Die Veranstaltung ist Basis für eine multimediale Dokumentation und erfährt im Sinne eines Archivs der Gegenwart auf der Homepage des Universitätsarchivs eine entsprechende Präsentation…. Zu den Veranstaltungen erscheinen Dokumentationsbände, worin sowohl die Veranstaltungsbeiträge als auch ergänzende Materialien zum Wirken der KomponistInnen enthalten sind.“ [Joanna Wozny im Porträt