Im Herbst haben wir in unserem Studiengang mit einer kleinen Gruppe von Lehrenden ein teacher training begonnen. Meine Kollegin Jutta Pauschenwein hat es in ihrem Blog ausführlich beschrieben. Als ich damals sagte, dass ich auch mitmachen möchte, hat sie mich gewarnt, dass ich sicher nicht die Zeit dazu haben würde, und leider hat sie auch Recht behalten. Ich habe nur am Rande mitgemacht, wie es auch für die anderen Kolleginnen und Kollegen schwer war, Zeit für diese Reflexion des eigenen Unterrichts zu reservieren. Aber wir haben wahrscheinlich alle gemerkt, dass es wichtig ist, nicht nur zu unterrichten, sondern zusammen anzuschauen, wie wir unterrichten, was wir voneinander lernen und was wir verbessern können.
Ich habe nur einige der Aufgaben erfüllt, die uns Jutta gestellt hat. Ich bin froh, dass ich das getan habe, den ich habe einige Dinge erfahren, die ich sonst kaum bemerkt hätte.
Unterrichten über den Bildschirm
Ein Teil des Trainings bestand darin, sich in Zweiergruppen beim Unterricht zu zu beobachten und Feedback zu geben. Meine Partnerin war Rahel Bailie, die wahrscheinlich sehr darunter gelitten hat, dass von mir nur sehr wenig und sehr spät Feedback kam. Wir haben uns mit Webinaren beschäftigt, die wir am Studiengang mit Zoom durchführen. Aus Rahels Feedback habe ich vor allem entnommen, dass ich meine Präsentationen wesentlich besser strukturieren muss und dass ich die Texte auf Folien vor allem dazu verwenden muss, den Teilnehmern klar zu machen, um was es gerade geht—also nicht so sehr zur Vermittlung der Inhalte selbst.
Beim Ansehen eines langen aufgezeichneten Webinars sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich in der Rolle des Lehrenden nicht bemerkt habe. Sie hängen mit der Lernsituation an einem Bildschirm zusammen.
In erster Punkt, auf den ich wohl aufmerksam geworden bin, weil ich Chimeros What screens want gelesen habe: Bildschirme sind auf Bewegung ausgerichtet. Wenn sich auf dem Bildschirm nichts bewegt, nimmt die Aufmerksamkeit schnell ab. Wenn man eine Präsentation in einem Saal zeigt, dann sehen die Zuschauer außer der Präsentation vor allem die Person, die präsentiert. Bei guten Präsentation sind die Folien nur der Hintergrund für den Vortrag. Bei den üblichen Bildschirmpräsentationen, bei denen die Folien mehr oder weniger den gesamten Bildschirm einnehmen, entsteht der Effekt, den man von schlechten Präsentationen kennt: Man muss die Präsentation mehr oder weniger mitlesen. Das macht das Unterrichten mit Bildschirmpräsentationen schwierig: Man muss den Präsentationsmodus unterbrechen, wie es Rahel getan hat. Bei Webinaren ist es wesentlich angenehmer, die Person, die unterrichtet, tatsächlich zu sehen als nur mitlesen, was sie erzählen will.
Was die Person angeht, noch eine zweite Beobachtung: Wenn man bei einem Webinar in die Kamera spricht, wird man von den Zuschauern aus der Nähe wahrgenommen, in einer Großaufnahme. Diese Wahrnehmung aus der Nähe unterscheidet sich deutlich von der distanzierten Wahrnehmung eines Präsentators in einem Hörsaal oder Seminarraum. Sie kann sehr angenehm sein und stellt vielleicht sogar einen der Vorteile dieses Formats gegenüber Offline-Präsentationen dar. Man muss dazu diese Nähe zur persönlichen Kommunikation nutzen. Rahel hat das, z.B. wenn sie über ihre eigenen Erfahrungen berichtet hat, in einer sehr angenehmen Weise getan. Dieser persönliche Charakter wird übrigens dadurch unterstrichen, dass jemand aus einem privaten Raum ein Webinar durchführt und man diesen Raum auch sieht.
Noch eine Beobachtung aufgrund der Präsentation von Rahel: Wenn unterschiedliche Dokumente oder Dateien gezeigt werden, bei ihr z.B. Spreadsheets und Texte, wenn man also die Zuhörer durch eine Sammlung von Materialien führt, nutzt man auch einen der Vorteile von Computern und Bildschirmen aus: Computer-Screens sind ja dafür gemacht, durch verschiedene Arten von Informationen zu browsen. Sich so durch unterschiedliches Material zu bewegen ist in einem Webinar angenehm, während es in einem Offline-Unterrichtsraum eher verwirrt.
Einfühlen in die Rolle der Studierenden
Ich habe schon zu Anfang gesagt, dass ich kaum die Zeit gefunden habe, mich an den Übungen unseres Training zu beteiligen. Ich habe mich genauso verhalten, wie ich es bei Studierenden gelegentlich negativ bemerke. Ich habe vieles aufgeschoben und vieles gar nicht gemacht. Es war einer der von Jutta beabsichtigten Effekte des Trainings, dass man selbst weiß, wie man sich verhält, wenn man ein Studierender ist. Dazu gehört nicht nur die Schwierigkeit, mit der eigenen Zeit zurechtzukommen und Prioritäten beim Lernen zu setzen. Dazu gehört auch die Erfahrung, dass Instruktionen von Lehrenden, auch wenn diese noch so gut und genau formuliert sind, nur dann wahrgenommen werden, wenn sie irgendwie mit dem eigenen Handlungsprogramm zusammenstimmen. Das müssen wir bei unserer Kommunikation als Lehrende viel mehr berücksichtigen. Empathie mit den Studierenden war sicher das wichtigste Element unseres Trainings.
Lernen in der Gruppe
Noch ein drittes Ergebnis—eigentlich die erste persönliche Erfahrung, die ich dabei gemacht habe: Wir orientieren uns im Studiengang an dem Modell der E-tivities, das Gilly Salmon schon in der Frühzeit des Online-Lernens entwickelt hat. Wir haben dieses Modell zu Anfang des Trainings besprochen—ich in einer Online Session mit Jutta und Robert Gutounig, bei der ich übrigens einigermaßen eingeschränkt war, weil ich aus einem Zug der Deutschen Bundesbahn daran teilgenommen habe. Wir hatten uns darauf vorbereitet, uns das Konzept von Gilly Salmon wechselseitig vorzustellen und darüber zu reden. Dazu habe ich Texte wiedergelesen, die ich eigentlich ganz gut kenne, aber sie mit einem Kollegen besprochen, mit dem ich mich über diese Thematik noch nie unterhalten hatte. Ich habe realisiert, wie groß der Unterschied zwischen der individuellen Interpretation eines Textes und einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit einem Text ist, der einen Bezug zu einer gemeinsamen Praxis hat. Eigentlich kann wohl nur in diesem zweiten Fall von Lernen reden, wenn zum Lernen eine dauerhaft wirkende Veränderung gehört. Für mich war das ein fast schlagendes Erlebnis, bei dem mir klar geworden ist, wie treffend das konnektivistische Verständnis des Lernens als Vernetzen ist. In unserer Diskussion sind wir zwar nicht in die Tiefe des Ansatzes von Gilly Salon eingedrungen, aber wir haben für uns etwas stabilisiert. Wir haben uns in der kleinen Gruppe verändert und können jetzt etwas anders agieren als vorher.
Auf dieses Lernen als Teil einer Gruppe kommt es auch bei unserem Studium an. Durch das Teilen in der Gruppe unterscheidet sich ein Studium von einem Fernunterricht, der auf individuell reproduzierbaren Wissen ausgerichtet ist. Das Ergebnis ist dann mit der Gruppe verbunden, es entsteht ein gemeinsames Wissen. Dieses Wissen ist mehrdimensionaler als individuelle Erkenntnisse, die man durch die passive Aufnahme von Aussagen erwirbt. Man verbindet das Gelernte sofort mit Handlungsmöglichkeiten, mit Personen und unterschiedlichen Argumentationen, also mit Dingen, die man nicht individuell herstellen kann. Ich kenne die Grundaussagen des Konnektivismus schon lange, und ich habe schon viele Gelegenheiten zum Lernen in diesem Sinn gehabt—vor allem mit Monika König und Dörte Giebel beim mmc13— aber ich habe schon lange nicht mehr so unmittelbar in einer Gruppe erfahren, was dieses Konzept bedeutet, wie in unserem Training in den letzten Wochen.
danke für diese EInsichten, Heinz – bringt für mich die Bestätigung (und Beruhigung), dass in den Köpfen „meiner“ Lerngruppen ganz viel passiert, von dem ich wenig mitbekomme.
Darauf fußt mein großes Vertrauen in „meine“ Online-Lerngruppen (auch die COS-Lerngruppen!), die lernen ganz viel, auch ohne dass ich es als Trainerin/Lehrende im Detail mitbekomme. Mein Job ist nur, lästig zu sein und immer wieder zu erinnern.