Ich versuche die Notizen zu ordnen, die ich mir am Dienstag beim Vortrag von Ernst Giselbrecht im Haus der Architektur gemacht habe. Vorgestellt wurde die neue Publikation Ernst Giselbrecht + Partner – Vernetzte Architektur über die Projekte des Büros in den vergangenen 10 Jahren.
Am Ende seines Vortrags zeigte Giselbrecht ein Video über die Fassade des Showroom Kiefer technic. Giselbrecht entschuldige sich beinahe für den spektakulären Charakter des Videos. Es zeigt einige der Qualitäten seiner Projekte sehr gut, vor allem den technischen Zugang, der doch und gerade eine beinahe kontemplative Wahrnehmung der Gebäude erlaubt, und die Konzentration auf die Beziehungen von Bau und Umraum.
Giselbrecht hatte seinen Vortrag mit einem Hinweis auf die Digitalisierung und die Menge der Kommunikationssysteme in neuen Autos begonnen—diesen Zugang überträgt er auf die Architektur. Vereinfacht gesagt: Er entwickelt Architektur ausgehend von der Kommunikation des Gebäudes mit den Nutzern und der Realität außerhalb des Gebäudes. Bei Autos, darauf wies Giselbrecht ausdrücklich hin, muss diese Kommunikation über die Grenzen von Typen hinweg funktionieren. Genauso funktionieren Gebäude nicht allein, sondern zusammen mit den anderen Gebäuden in der Umgebung—auch das ein Leitmotiv im Vortrag Giselbrechts. Dabei schließt er ein, was er Einplanung der Zukunft nannte: Funktionen und Auftraggeber ändern sich oft schon in der Planungsphase mehrfach.
Dass Fassaden das auffälligste Element der Gebäude des Büros sind, liegt daran, dass Fassaden die wichtigste Schnittstelle zwischen dem Gebäude und der Außenwelt sind. Ähnlich sorgfältig werden aber auch die Wege in ein Gebäude und aus einem Gebäude gestaltet.
Die Fassaden sind bei Giselbrecht zum einen technische Werkzeuge, für die die neuesten Technologien benutzt werden. Daher die Analogie mit den Autos. Andererseits haben sie eine ikonische Qualität.
Giselbrechts Büro ist vor allem für Krankenhäuser bekannt. Heute sei
Gesundheit fast ein religiöses Thema, so dass Krankenhäuser Kulturbauten werden.
Giselbrecht arbeitet als Ingenieur, der einen Apparat konstruiert, der seine Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden Techniken erfüllt. Er komponiert zugleich, indem er das Gebäude auf die User und den Raum/Umraum, den diese wahrnehmen und in dem sie sich bewegen, abstimmt.
Giselbrecht sprach vom beinahe sakralen Charakter moderner Krankenhausarchitektur und benutzte das Wort Merkqualität. Diese Merkqualität, den Verweis auf sich selbst, durch den man sie wahrnimmt und der es erlaubt, sich positiv an die Situationen zu erinnern, die man in ihnen erlebt hat, strebt sein Büro überall an.
Giselbrecht stellte in seiner Präsentation gelungene Projekte vor. Er wies aber auch auf Vorhaben hin, die an der Uneinsichtigkeit der Auftraggeber gescheitert sind, und sprach deutlich vom Niedergang handwerklicher Qualität hier in der Steiermark. So habe keine der Firmen überlebt, die bei der HTL-Kaindorf mitgearbeitet hätten, weil sie alle mit ihrer Qualität gescheitert seien. Ein Kapitel der steirischer Handwerkskunst gehe hier zu Ende. Auch das Zitat eines potenziellen Auftraggebers, mit dem Giselbrecht schloss, sagt etwas über das Scheitern von architektonischen Ambitionen heute—und es lässt sich leicht auf andere Designdisziplinen übertragen
Ich will ein Gebäude das nichts mit Architektur zu tun hat—ist viel zu kompliziert—aber ich will ein Gebäude das so ausschaut, als wenn ein Architekt dabei ist.
Lernen für die Contentstrategie?
Bei Gelegenheiten wie diesen versuche ich etwas über Architektur zu lernen. Aber ich überlege auch, ob sich Muster und Haltungen von der Architektur auf die Contentstrategie übertragen lassen. Wenn wir von Giselbrechts Zugang lernen wollen, dann
- müssen wir wie Ingenieure an den Content herangehen, die seine technischen Eigenschaften beherrschen und weiterentwickeln,
- immer zuerst den Kontext und die Öffentlichkeit berücksichtigen,
- die Merkqualität anstreben, die damit zusammenhängt, wie empathisch auf die Situation und die Bedürfnisse der Menschen eingegangen wird, die den Content benutzen.
Links und Stichwörter zu den Projekten aus Giselbrechts Präsentation
HTL Kaindorf: nextroom.at: HTBLA Kaindorf an der Sulm, Ernst Giselbrecht – 1994&mdashgiselbrecht.at: HTBLA Kaindorf—Stichwörter: Satellit bringt völlig neue Struktur (1000 Schüler/innen 2000-Seelen Gemeinde.—Beratung mit Landschaft—Zeitgemäße Fassade zeigt Inhalt der Schule —Wohnhaus Russ: giselbrecht.at: Wohnhaus Russ—Peter Eder Architekturphoto Archiv: Haus Russ, Lochau—Stichwörter: Klimatisierung ohne Kühlanlage, Land- wie Seewind gehen durch das Gebäude —Vorarlberger Medienhaus/Russmedia: giselbrecht.at: Vorarlberger Medienhaus—Stichwörter: Alle Bauteile werden gezeigt und laufen frei aus —Biokatalyse Graz: nextroom.at: Biokatalyse TU Graz – 2004—giselbrecht.at: Biokatalyse TU Graz—Stichwörter: Südfassade wie ein großer Monitor—Stein im Wasser, innen starke Farbausprägung—HNO Klinik LKH Graz: nextroom.at: HNO Klinik Graz – Umbau und Neubau 2000—giselbrecht.at: HNO-Klinik, LKH Graz—Stichwörter: Großer EU Preis wegen Brauchbarkeit für moderne Maschinen ohne dass alte Gebäude anzutasten—Roter Container als Akzent für die Orientierung der Patientinnen und Patienten—Krankenhaus Leoben: nextroom.at – LKH Leoben – Funktionstrakt/Eingangszentrum—giselbrecht.at: LKH Leoben – Eingangszentrum—Stichwörter: Wie gehen wir mit Gebäuden von 1968 um? Brücke zum Park und Dachbegrünung —Strahlenmedizin Leoben: giselbrecht.at: Strahlentherapie, LKH Leoben—LKH Graz Zahnmedizin: nextroom.at – Zahnmedizin – LKH-Univ. Klinikum Graz – 2015—giselbrecht.at: Zahnmedizin, LKH Graz—Stichwörter: Endhaltestelle 7er—Tunnel mit Gehwegen—Urbane Qualität im Eingangsbereich —Zubau Bürohaus Hartenaugasse Graz: Bürohaus Hartenaugasse 6 Stichwörter: Glasvorhang.