Der Podcast einer exponierten Klimaökonomin wird nicht fortgesetzt – offenbar auch, weil Claudia Kemfert von weit rechts aus attackiert wird (Dowideit, 2025). Gegen eine renommierte Juristin, die für das Bundesverfassungsgericht kandidiert, wird ein Plagiatsvorwurf erhoben – weil Frauke Brosius-Gersdorfs Ehemann (!) in seiner Habilschrift in einigen Passagen so argumentiert und zitiert wie sie in ihrer drei Jahre vorher erschienenen Dissertation (Rödle, 2025). Was ist ähnlich? Angegriffen werden in der Öffentlichkeit erfolgreiche Professorinnen. Beide vertreten ihre Positionen öffentlich. Beide argumentieren im Rahmen und im Sinne von institutionellen Gefügen, die zum Kern der demokratischen Bundesrepublik Deutschland gehören: Wissenschaft und Recht. Beide sind ausgewiesene Expertinnen, die eine politische Rolle spielen, ohne Politikerinnen zu sein.
Ähnlich ist auch, wie die Angriffe erfolgen: intransparent und denunziatorisch. Sie sollen den Eindruck erwecken, ihre Opfer seien „extremistisch“ oder „aktivistisch“ – sie hätten sich von Haltungen zur Abtreibung oder zur Energiepolitik entfernt, die selbstverständlich und normal seien. Dabei erfolgen die Angriffe ausgehend von Positionen, die keine Mehrheitspositionen sind. Dass diejenigen, die Claudia Kemfert und Frauke Brosius-Gersdorf attackieren, wie Heckenschützen vorgehen, dürfte auch damit zusammenhängen, dass radikal konservative Positionen zur Abtreibung und zu fossilen Energien in der Öffentlichkeit bei weitem nicht so akzeptiert sind wie es die Aktivismus- und Extremismus-Vorwürfe voraussetzen.
Die Angriffe waren wenigstens teilweise erfolgreich. Sie bringen die Angegriffenen unter Rechtfertigungszwang. Im Fall des Podcasts von Claudia Kemfert geht es „nur“ um seriöse Information in den öffentlich-rechtlichen Medien. Bei Frauke Brosius-Gersdorf betrifft der Schaden das Bundesverfassungsgericht und damit eine zentrale Institution der deutschen Demokratie. Polarisierung und Politisierung bringen – gezielt – in die Defensive, was bisher in der Bundesrepublik tatsächlich selbstverständlich war: unabhängige Wissenschaft und unabhängige Rechtsprechung. Dass akademischer und öffentlicher Erfolg von Frauen nicht selbstverständlich ist, ist dabei ein entscheidendes Mittel der Unterstellungen: Die Positionen, die als extremistisch und aktivistisch denunzieren werden sollen, werden denen zugeschrieben, die „anders“ sind und größere Schwierigkeiten haben sich durchzusetzen als Männer.
In beiden Fällen, so unterschiedlich sie sind, sollen Argumentationsräume geschlossen, Argumentationen punziert und Diversität ausgeschlossen werden. Verhindert werden soll, dass diese Frauen – im Sinne der athenischen Demokratie – „furchtlos reden“ (was Frauen in der Antike verwehrt war). Claudia Kemfert wird ein öffentliches Forum genommen. Wenn sie bei einem anderen Podcastformat mitmachen darf, dann hat sie darin nicht mehr die Autorität der Hauptautorin. Frauke Brosius-Gersdorf soll im Verfassungsgericht nicht argumentieren dürfen – und wenn doch, dann beeinträchtigt durch Rechtfertigungszwang.
Claudia Kemfert und Frauke Brosius-Gersdorf ist auch gemeinsam, dass sie von großen Teilen der CDU akzeptiert werden. Claudia Kemfert hätte Ministerin in einem CDU-regierten Landeskabinett werden können, Frauke Brosius-Gersdorf wurde auch von den CDU-Mitgliedern des Wahlausschusses als Kandidatin für das Verfassungsgericht vorgeschlagen. Die Angriffe auf diese beiden Frauen zeigen, dass es in der CDU inzwischen eine starke Tea-Party gibt. Möglicherweise werden sie zurückgeschlagen, auch von CDU-Mitgliedern, die nicht wollen, dass sich ihre Partei auf einen Meloni- oder PIS-Kurs begibt. Ein dauerhafter Erfolg dieser Angriffe wäre ein Signal dafür – im Bundestag und in den öffentlich-rechtlichen Medien – dass Deutschland dem Kipppunkt zur illiberalen Demokratie einen großen Schritt näher gekommen ist.
Es ist deprimierend, welche rückwärtsgewandten Wege in Deutschland gegangen werden. Es sind nicht die einzigen Frauen, bei denen vor allem politische Kräfte von äußerst rechts Denunziation betreiben.
Esken, Dröge, Hasselmann, Klöckner, Faeser oder Bas. Sie alle werden aus meiner Sicht anderes behandelt als männliche Kollegen. Häufig schwingen dabei „Argumente“ mit, die inakzeptabel sind und die doch von Teilen unserer Bevölkerung übernommen und weitergeführt werden. Wen wundert es angesichts dieser Unfairness und Unlauterkeit, dass sich weniger Frauen für politische Ämter interessieren?