Ich habe mich in den letzten Tagem mit Texten und Podcasts zu Peter Thiel beschäftigt. Mich interessiert, welche Rolle er angesichts der Klimakrise und des ökologischen Kollaps in der amerikanischen Politik spielt und spielen will. In den vielen Artikeln über Thiel, die vor allem seit der zweiten Amtsübernahme Donald Trumps – den Thiel übrigens nicht unterstützt hat (Gellman, 2023) – erschienen sind, habe ich diese Fragestellung bisher nicht explizit gefunden. Ich halte sie für wichtig, um die Motive Thiels zu verstehen und die Risiken zu erkennen, die sich aus dem Einfluss Thiels in der amerikanischen Politik ergeben.1

Thiel agiert nicht auf der Ebene simpler Interessenpolitik. Ihm geht es um eine Defininition von Politik und politischen Institutionen, die wirkungsvolles staatliches und internationales Handeln gegen die ökologisch-soziale Polykrise unmöglich macht.

Thiels Schlüsselrolle

Wie groß der Einfluss Thiels ist – und wie erfolgreich er immer wieder im Hintergrund agiert hat, um diesen Einfluss auszuweiten – wird in den meisten Darstellungen zu Thiel sehr deutlich. Aufschlussreich ist dazu der Peter-Thiel-Podcast des Deutschlandfunks (deutschlandfunk.de, 2025)2. Er informiert detailliert, spannend und oft auch unterhaltsam über die Biografie Thiels bis hin zu seinen aktuellen politischen Aktivitäten. Thiel wird immer wieder als Strippenzieher, als Schachspieler im Hintergrund dargestellt. Die letzte Folge legt nahe, dass er an der Etablierung von JD Vance als autoritärem Führer der USA arbeitet, grundiert durch Ideologeme aus der politischen Theologie in der Nachfolge Carl Schmitts (dazu unten mehr).

Man erfährt, dass Thiel seit seinem Studium als Contrarian agiert hat, dass er immer auf Personen und Investments gesetzt hat, die von der Mehrheit abgelehnt wurden – darunter vor den US-Wahlen 2016 auf Donald Trump. Der Podcast porträtiert Thiel als Schlüsselakteur der US-Politik, der erfolgreich so handelt, wie es sonst Verschwörungstheorien von dunklen Mächten im Hintergrund der großen Politik behaupten. Man erfährt auch viel über das Umfeld Thiels, so über Curtis Yarvin, der ein Ende der amerikanischen Demokratie fordert.

Thiel ist ein Investor und ein politischer Akteur, aber er tritt in der Öffentlichkeit vor allem als Intellektueller auf. Die New York Times bezeichnet ihn in einem Interview als den möglicherweise einflussreichsten rechten Intellektuellen der letzten 20 Jahre (Thiel, 2025b; dazu hörenswert: Borrud et al., 2025). Dabei sind seine politischen Konzepte und sein Handeln kongruent – wenn er damit auch nicht immer unmittelbar erfolgreich war. In der ersten Amtszeit Trumps hat Thiel versucht, administrative und regulierende staatliche Institutionen zu zerschlagen. Damals wurde er gebremst. In der zweiten Amtszeit Trumps setzen andere die Zerstörung des administrativen Staats durch, die Thiel damals gefordert hat – während Thiel selbst sich möglicherweise schon mit den nächsten Schritten beschäftigt. Angesichts der Machtposition von Thiel und mit ihm verbundenen Politikern sind seine Theorien – so extravagant sie wirken – deshalb ernst zu nehmen.

Thiel und die Klimakatastrophe

Welche Rolle spielen Thiel und sein Umfeld in der noch nicht geschriebenen Geschichte der Klimakatastrophe und des Endes des Holozäns? Welche Rolle werden sie spielen, wenn sie niemand daran hindert?

In der fünften Folge des Podcast wird erwähnt, dass Thiel als Mitglied von Trumps Exekutiv-Komitee nach der Wahl 2016 versucht hat, den Klimaleugner William Happer zum Wissenschaftsberater Trumps zu machen. Die letzte Folge zitiert eine der – von ihm mehrfach wiederholten (u.a. Thiel & Cowen, 2018) – negativen Bemerkungen Thiels über Greta Thunberg, führt das Thema aber nicht weiter aus. Klima- und Klimakrise sind in diesem Podcast nur Nebenthemen.

Ob aus taktischen Gründen, aus Einsicht in die eigene wissenschaftliche Kompetenz oder aus Unterschätzung der Bedeutung des Themas: Thiel äußert sich selbst zur globalen Erhitzung und ihren Ursachen nur selten und meist undeutlich. Deutlich ist aber,

  • dass er den Prozess der Great Acceleration, zu dem die Klimakrise gehört, um jeden Preis fortsetzen und vorantreiben will,
  • dass er die Risiken dieses Prozesses nicht unterschätzt,
  • und dass er gerade angesichts dieser Risiken politische Strukturen installieren will, die verhindern, dass die Bekämpfung der Risiken eine weitere Fortsetzung disruptiver Wachstumsprozesse verhindert.

Mit dem, was er im Titel eines Aufsatzes Back to the Future (Thiel, 2020) nennt, meint Thiel die Fortsetzung von technischen Innovationen wie etwa denen, die zur Mondlandung 1969 geführt haben. Er stellt in der Gegenwart „Stagnation“ fest, vermisst also die großen technischen und wirtschaftlichen Veränderungen der Nachkriegszeit und ihre Auswirkungen im Alltagsleben. (Dabei erwähnt er nicht, dass hinter diesen Veränderungen vor allem öffentliche Investitionen und starke demokratische Staaten standen.) Er stellt wiederholt fest, dass die wirtschaftlichen und technischen Innovationsprozesse zu existentiellen Risiken für die gesamte Menschheit führen. Neben ökologischen Krisen nennt er KI und die nukleare Bedrohung – die Fixierung auf Greta Thunberg zeigt aber, dass für ihn die Reaktion der Öffentlichkeit auf die ökologischen Krisen das Hauptgewicht hat.

Aus dem Wissen um existentielle Risiken zieht Thiel aber nicht die Konsequenz, diese Risiken zu verringern. Den Kern seiner Position macht es aus, dass er den Prozess der großen Beschleunigung (den er selbst nicht so nennt) fortsetzen will. Er schätzt das Risiko, dass ein „Weltstaat“ jede weitere radikale Innovation verhindert als größer ein als die Risiken unkontrollierbarer Ereigniss bei einer fortgesetzten „Great Accelaration“ (Thiel & Cowen, 2018). Deshalb fordert er politische Strukturen, die einen interventionistischen Staat oder Weltstaat verhindern. Diese Bewertung ist an eine gesellschaftliche und ökonomische Position gebunden. Nur wenn man, wie der Multimilliardär Thiel, darauf setzen kann, dass man selbst zu den Überlebenden oder zu den Gewinnern globaler Katastrophen und Krisen gehört, kann man aus einer Risikobewertung wie der von Thiel ableiten, die Prozesse, die die Risiken vergrößern, noch zu beschleunigen.

Diese Position drückt Thiel in letzter Zeit vor allem mit dem Verweis auf Figuren aus der neutestamentlichen Apokalyptik aus und greift dabei auf Carl Schmitt zurück (Thiel, 2024, 2025a; dazu: Manemann, 2025). In der von Thiel gewählten religiösen (und popkulturellen) Einkleidung ist der ökologische Kollaps eine Gestalt des Armaggedon (so dass man über seine Ursachen schwer sprechen kann). Globales Handeln gegen die Klimakrise wird zu einer Forderung des Antichrist, der sich damit an die Stelle Gottes setzt (und mit dem Thiel Greta Thunberg vergleicht). Gegen den Antichrist wird die Figur eines Aufhalters (griechisch: kat echon) mobilisiert: Eine Figur, die die bestehende Ordnung erhält statt sie durch die utopische Ordnung des Antichrist zu ersetzen.

Playbook für autoritäre Staaten und gegen kollektives Handeln

Übersetzt man diese Statements in die politische Praxis, die Thiel seinen eigenen Aussagen zufolge am meisten interessiert, dann ergibt sich aus ihnen die Forderung nach einem starken Staat, der vor allem verhindert, dass noch stärkere politische Akteure Gleichheit und Regulierung durchsetzen. Auch die Neoliberalen des 20. Jahrhunderts haben autoritäre Regime unterstützt. Aber damals war der Gegner der Sozialismus. Bei Peter Thiel ist der Gegner eine Politik, die das Armageddon, also die Apokalypse verhindern will, die, wie er ausdrücklich sagt, durch den technischen Fortschritt möglich geworden ist. Thiel spricht von einem Weg zwischen Armaggedon und Antichrist, beschwört aber das Risiko, dass der „Aufhalter“, der kat echon, zum Antichrist mutiert (Thiel & Cowen, 2018).

Thiel entscheidet sich angesichts globaler existentieller Risiken gegen Demokratie und Regulierung und für extreme Risikobereitschaft – vergleichbar mit dem heroischen Realismus, der den Nationalsozialismus mitvorbereitet hat (Hof, 1974). Der autoritäre Staat sichert einen ungebremsten technischen Fortschritt (und damit den Return of Investment für Milliardäre wie Thiel). Das gemeinsame Handeln gegen das Armageddon für wird dagegen als menschenunmöglich und – durch den Verweis auf den Antichrist – sogar häretisch bezeichnet und ausgeschlossen.

Rechtfertigen lässt sich das Eingehen enormer Risiken mit der Erwartung extremer Gewinne (zu denen für Thiel offenbar auch das Erreichen der Unsterblichkeit gehört hat oder gehört, Gellman, 2023). Es bleibt aber offen, wer in den Genuss dieser Gewinne kommen wird. Auch wenn man das simple ad hominem-Argument nicht verwenden will, dass vom Eingehen existentieller Risiken allenfalls Milliaräre wie Thiel selbst profitieren werden: Die Masse der derzeit lebenden Menschen kann in Thiels Geschichtstheologie nur die Rolle von Opfern spielen.

Thiel ignoriert die Erkenntnisse der Erdsystemwissenschaften zu den Folgen der Überschreitung der planetaren Grenzen. Seine Ideen sind trotz der Idealisierung des technischen Fortschritts im Ansatz antiwissenschaftlich – für die aktuelle Wissenschaft in den USA und die Universitäten hat er fast nur Verachtung übrig (Thiel, 2020). Er ist nicht so dumm, wissenschaftlicher Erkenntnisse einfach zu leugnen, aber er stellt die vorhandene Wissenschaft unter den Generalverdacht der bürokratischen Unproduktivität.

Fazit

Wie sich die Klimakrise weiter entwickeln wird, beeinflusst Thiel (und die Gruppe, für die er steht) nicht durch direkte Intervention im Sinne einer bestimmten Energiepolitik. Er agiert nicht auf der Ebene der Vertreter der Fossilindustrie und der Petrostaaten, auch wenn er in einer Koalition mit ihnen handelt. Er agiert auch nicht auf der Ebene der Tech-Branche, die auf schnelle Geschäfte und Schutz vor Regulierungen zu ihren Ungunsten aus ist (deshalb wäre es unpassend gewesen, wenn er mit dieser Gruppe bei der zweite Inauguration Trumps aufgetreten wäre). Thiels Ziel ist es staatliche und institutionelle Strukturen zu zerschlagen, die dazu in der Lage sind, die Klimakatastrophe zu begrenzen. Dieses Ziel verfolgt in den USA wie international, denn auch internationale Kooperation führt zu Regulierungen. Die Handlungsebene, auf der er sich als Investor und Ideologe bewegt, macht ihn dabei wirkungsvoller und gefährlicher als die vielen reinen Interessenvertreter, die Regierungsentscheidungen beeinflussen wollen.

Nachweise

Borrud, G., Conor, D., & Ward Agius, M. (Directors). (2025, July 4). Pay attention to Peter Thiel’s narrative [Broadcast]. Deutsche Welle. https://www.dw.com/en/pay-attention-to-peter-thiels-narrative/audio-73155264
deutschlandfunk.de. (2025). Die Peter Thiel Story. Deutschlandfunk. https://www.deutschlandfunk.de/die-peter-thiel-story-100.html
Gellman, B. (2023, November 9). Peter Thiel Is Taking a Break From Democracy. The Atlantic. https://www.theatlantic.com/politics/archive/2023/11/peter-thiel-2024-election-politics-investing-life-views/675946/
Hof, W. (1974). Der Weg zum heroischen Realismus: Pessimismus und Nihilismus in der deutschen Literatur von Hamerling bis Benn. Rotsch.
Manemann, J. (2025, July 2). Herrschaft in Permanenz – Zur Katechontik Peter Thiels und Carl Schmitts – Philosophie InDebate. Philosophie InDebate. https://philosophie-indebate.de/herrschaft-in-permanenz-zur-katechontik-peter-thiels-und-carl-schmitts/
Thiel, P. (2020, March 1). Back to the Future. First Things, 2020(3). https://perch.app/post/0616e1d6-33a9-42d1-857a-bf27988a3662
Thiel, P. (2024, December 7). Transcript: Apocalypse Now? Peter Thiel on Ancient Prophecies and Modern Tech – The Singju Post (P. Robinson, Interviewer) [Interview]. https://singjupost.com/transcript-apocalypse-now-peter-thiel-on-ancient-prophecies-and-modern-tech/
Thiel, P. (2025a, March 10). Transcript of Part II: Apocalypse Now? Peter Thiel on Ancient Prophecies and Modern Tech – The Singju Post (P. Robinson, Interviewer) [Interview]. https://singjupost.com/transcript-of-part-ii-apocalypse-now-peter-thiel-on-ancient-prophecies-and-modern-tech/
Thiel, P. (2025b, June 26). Peter Thiel and the Antichrist (R. Douthat, Interviewer) [The New York Times]. https://www.nytimes.com/2025/06/26/opinion/peter-thiel-antichrist-ross-douthat.html
Thiel, P., & Cowen, T. (2018, July 7). Peter Thiel on Political Theology (Ep. 210) [Podcast-Transkript]. https://conversationswithtyler.com/episodes/peter-thiel-political-theology/
Fediverse Reactions
  1. Ich spreche vom „Anthropozän“ statt vom „Kapitalozän“, weil die Folgen des Endes des Holozän weit länger dauern werden als der Kapitalismus. ↩︎
  2. Dank an Johann Gaisbacher, der mich dazu gebracht, diesen Podcast tatsächlich anzuhören. ↩︎

One thought on “Peter Thiel und das Anthropozän

  1. Gründlich recherchiert. Habe es mit Interesse gelesen und bin nun ziemlich deprimiert. Gibt es jemanden, der gegen ihn wirkt? Kann man ihn überhaupt beeinflussen/hindern?
    Grüße Sie aus Dubrovnik,
    Marina D.

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