Gestern abend habe ich mich an einen guten Vorsatz aus dem Urlaub gehalten und nach dem Abendessen keinen Wein getrunken. Stattdessen habe ich mir im Fernsehen die Debatte zwischen Alexander Van der Bellen und Jörg Haider angesehen. Ich muss zugeben: Es ist mehr nicht ganz leicht gefallen, nüchtern zu bleiben, so öde war diese Diskussion, so langweilig diese Pflichtveranstaltung im Wahlkampf.
Nachher habe ich mich vor allem gefragt: Wer berät eigentlich den Vorsitzenden der Grünen? Van der Bellen vermittelt in allem den Eindruck, dass er nicht nur nicht mit seinem Gegenüber sprechen möchte — in diesem Fall verständlich — sondern dass er auch nicht beabsichtigt, auch nur irgendwie durch persönliche Attraktivität, durch wenigstens einen Funken von Verführungsfähigkeit Wähler zu überzeugen. Er spricht, wenn er sich nicht amtsgmäß bemüht, polemisch zu werden, unpersönlich, abstrakt, im Namen von objektiven Tatsachen: als Stimme der Wahrheit. Manchmal hat er mich an den Bundespräsidenten Fischer erinnert, zu dessen Amt es allerdings gehört, nicht als Vertreter einer Partei, einer bestimmten politischen Position aufzutreten.
Damit hat er für Haider den Raum geöffnet, den dieser dann in der von ihm gewohnten rücksichtslosen polemischen Art genutzt hat. Haider achtet sehr genau auf die Sprache, die er benutzt. Er personalisiert, drückt sich gerne dialektal aus, spricht bezogen auf ein Gegenüber, verwendet die Sprache immer wie eine plastische Masse. Er kann damit die Aufmerksamkeit der Zuschauer oder Zuhörer auf sich lenken, während Van der Bellen darum kämpfen muss, Interesse für wichtige, aber bekannte und häufig auch eher langweilige Aussagen zu erhalten.
Man kann den Vorsitzenden der Grünen damit entschuldigen daß er sich als sachlichen Gegenpol zu einem Populisten wie Haider präsentieren muß. Nur: Er erreicht damit niemanden außer der grünen Stammklientel. Jüngere Leute, mögliche Wechselwähler, Leute aus wissensorientierten Berufen, die für neue Argumente und Argumentationsstile offen sind — sie alle werden so nicht angesprochen. Der Vorsitzende der Grünen wirkt mit dieser Sprache nur auf Leute, die er auch mit schriftlichen Statements überzeugen könnte.
Ich lebe noch nicht lange in Österreich, und ich kenne die Geschichte der österreichischen Grünen nur wenig. Ich habe den Verdacht, dass diese Partei viel zu sehr im eigenen Saft kocht, viel zu sehr von der Richtigkeit ihrer Positionen überzeugt ist, um sich genug Mühe zu geben, Außenstehende, nicht schon Überzeugte, zu gewinnen — und sich von ihnen gewinnen zu lassen. Auf Entwicklungen, die neuer sind als die Partei selbst, insbesondere auf die Prozesse im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, auf die ganze Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft, scheinen sich die Grünen auch nur sehr schwer einzustellen. Ein Christoph Chorherr kann mit seinen dialogorientierten Wahlkampfvorschlägen — oder sollte man besser sagen: Diskussionsmethoden? — die Kampagne der Grünen offenbar nur minimal beeinflussen.