Gestern Abend habe ich ein Bezirkstreffen der Grünen im Grazer Griesviertel besucht. Ich bin im Frühjahr Mitglied der österreichischen Grünen geworden. Ich bin zum ersten Mal seit 40 Jahren in eine Partei eingetreten, weil ich den Aufschwung der Populisten und Xenophoben unerträglich finde. Ich muss zugeben: Ich denke immer öfter darüber nach, was für Carl Schmitts Definition des Politischen durch die Kategorie der Feindschaft spricht. Ich nehme die FPÖ in Österreich und ihre internationalen politischen Verbündeten als Feinde der politischen und gesellschaftlichen Werte wahr, die für mich selbstverständlich waren, seit ich überhaupt politisch denke.
Die Gruppe der Grünen hier im Griesviertel ist klein. Ich glaube, dass gestern zum ersten Mal seit dem Sommer mehr als 10 Leute dabei waren. Fast alle sind 30 bis 40 Jahre jünger als ich. Aber auch Peter Hagenauer aus der Gründergeneration der steirischen Grünen kommt regelmäßig. Er war lange im steirischen Landtag und im Grazer Gemeinderat, und wir können etwas von seiner politischen Erfahrung mitbekommen.
Bisher lerne ich vor allem. Ich erfahre einiges über die Grünen, nicht über ihre Ideologie, sondern über die Praxis. Mich frappiert, wie groß die Abhängigkeit der Organisation vom Apparat der Partei und seiner Finanzierung und von den Vertretungen in den Parlamenten von der Bezirks- bis zur Bundesebene ist. Ich meine das nicht negativ, ich bin eher positiv davon überrascht, wie sehr die Grünen eine parlamentarische Partei sind. Von dem, was sich insgesamt bei den Grünen tut, habe ich nur punktuelle Eindrücke. Mit aller Vorsicht: Sie sind in einer Orientierungskrise, die tiefer geht, als ich es von außen wahrgenommen habe. Vielleicht ist diese Krise eher die Ursache als die Folge ihres Falls aus dem österreichischen Nationalrat. Ich vermute, dass sich die Grünen damit nicht von den anderen alten Parteien unterscheiden.
Noch mehr lerne ich über das Griesviertel und politische Arbeit auf lokaler Ebene. Ich lerne mehr als Zuschauer als durch eigene Aktivität, denn viel Zeit für politische Arbeit habe ich im Augenblick nicht. Das Hauptthema der Grünen hier im Viertel ist eine Unterführung in der Nähe des Bahnhofs, durch die wesentlich mehr Verkehr über das Griesviertel in die Grazer Innenstadt fließen würde. Gemeinsam mit Ana habe ich—wie einige Bewohner des Viertels—einen Widerspruch gegen diesen Plan formuliert. Auch durch durch das Lesen der Widersprüche von Leuten mit mehr Erfahrung und Sachkenntnis weiss ich jetzt etwas mehr darüber, wie Planung auf lokaler Ebene funktioniert. Was ich leider dabei auch erfahren habe: Es gibt Gruppen, die auf mehr statt auf weniger Autoverkehr setzen, selbst in einer so wenig für Autos geeigneten Innenstadt wie der von Graz. Die Rechte heute, und in Graz ist sie leider im Augenblick in der Mehrheit, definiert sich auch durch ihr Engagement gegen die Umwelt.
Gestern nach dem Treffen bin ich mit Ana und ihrem Hund durch die Griesgasse zur Mur gegangen. Auch durch die Erfahrungen bei den Grünen fühle ich mich in diesem Viertel mehr zuhause als in den Teilen von Graz, in denen ich früher gewohnt habe. Je mehr ich diesen Mikrokosmos als öffentlichen Raum wahrnehme, desto lebendiger wird er für mich.