Molterer wird mit einem Werbefilm präsentiert. Seine „Figur“, sein Körper als Allegorie seiner politischen Fähigkeiten. Ohr, Rückgrat, Fingerspitzen… Anfassbarkeit, wörtlich genommen.

Molterer redet. Ich weiß nicht, ob ich die Atmosphäre richtig erfasse, aber er muss sich ganz anders als Schüssel nicht rhetorisch behaupten. Er beginnt mit der Nennung der zwei dienstältesten Delegierten, spricht über die Fähigkeit Fehler zu machen, über Freundschaft. Blau gestreufte Krawatte, exakt die Farben des Hntergrunds. Molterer spricht in Leerformeln und manchmal betont unbeholfen („niemand außer wir“), aber auf die Inhalte legen jetzt wohl weder er noch die Delegierten Wert. Wichtig ist die ganz andere, kaum überhöhte Person.

„Ganz ehrlich gesagt, in der Sandkisten habe ich nicht dran gedacht, Parteiomann der Österreichischen Volkspartei zu werden“.

„Fast mit jedem im Saal habe ich schon geredet.“

„Ich habe das Glück, vier Eltern zu haben und einer von meinen Eltern ist heute hier.“

„Habe auch zur Kenntnis nehem müssen, nicht immer Recht zu haben … Man kann nur siegen, wenn man eine Meinung auch als persönliche… Aufgabe vertritt… Ich habe nicht vor, mich zu ändern“

„Nein sage ich zum Beispiel dann wenn versucht wird, … meine Familie zum Objekt der Medien zu machen“

„Ich weiß, dass zur Politik auch Inszenierung gehört… aber es darf nicht so weit kommen, dass sich die Person hinter dem Vorhang der Inszenierung versteckt“

„Ich halte es mit Nestroy: Die Welt ist die beste Schul'“

„Ein guter Kapitän weiß: Es kommt aufs Ganze an“

„Ein Kapitän muss den Willen und die Fähigkeit haben, Menschen zusammenzuführen und nicht auseinanderzudividieren.“

Molterer spricht zu den Delegierten lange nur über sich, und das äußerst geschickt.

„Ich bin nicht in der Lage und willens, für einen Wahlerfolg alles zu tun… Nie mehr zu versprechen, als man auch halten kann“ (deutlicher Applaus). ich mache das mit meinem Team “ Alle werden nur mit Vornamem genannt.

Volkspartei als Richtungsgeber. Mut zu Werten, Mut zum Neuen.

„Als Maßstab niemals den Zeitgeist“

„Ein moderner Konservativer, und das bin ich, will überzeugen und nicht überreden“

Jetzt kommt die politische tour d’horizon. Wenig ist neu, aber die Akzente sind interessant.

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Schützenhöfer übergibt den Vorsitz an Erwin Pröll.

Leitet über zum Bericht des Parteiobmanns. Wieder, wie am Anfang, Musik — Rondo Vienna und Barbara Helfgott. Die Intro hört nicht auf. „Lieber Wolfgang, wir meinen das nicht persönlich“. Die ewige Wiederkehr des Wohlfühlsounds? Jetzt beginnt Barbara Helfgott… „Music of the future“…

Das Stück – bisher der Höhepunkt des Ereignisses, wirkungsvoller als die Reden: pathetisch, eine Mischung unterschiedlichster Stile, immer etwa abgesoftet, für mich auch etwas zu laut. Lange Steigerungen, Angst vor dem Aufhören der Stimmung. Die vorsichtig erotisch inszenierten Musikerinnen auf beiden Bildschirmen. Anhaltender, lauter Applaus.

Harter Kontrast. Jetzt das routinierte Understatement Wolfgang Schüssels.

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WLan funktioniert — und schon spricht meine Landsfrau Angela Merkel via Video zu uns… (Würde die CSU auch so beginnen?)

Die Delegierten stehen auf, die Männer fast alle in Anzügen, und beklatschen den Einzug des Parteivorstands. Zwei Großleinwände zeigen die Stars zwischen Halbtotale und Nahaufnaheme – und jetzt die applaudierenden Delegierten. Alles inszeniert als großes – und lautes – emotionales Fest.

Schüssel beginnt, eröffnet offiziell – „hier im modernen Amadeus-Terminal… Abflug heißt immer, dass es hinaufgeht“. Begrüßungen… Dank an Förderer… Begrüßung der internationalen Gäste aus der Slowakei, aus Bayern, Südtirol, Slowenien, Tschechien, Ungarn, den USA.

Die Delegierten erheben sich zum Totengedenken.

Wilfried Haslauer hält die erste Rede. Er hebt drei Personen hervor: „Alois Mock als großen Österreicher und großen Europäer“ (langer Applaus), Wolfgang Schüssel – „ein Mann, dessen Verdienste noch von berufeneren gewürdigt werden … 12 Jahre Parteiobmann dieser bündisch organisierten Patei – das zusammenzuhalten ist eine große Leistung… im Ausland… man merkt das Schwingen der Frage – wie macht’s ihr das eigentlich in Österreich?“ Nun geht Haslinger zur Würdigung der Rolle der ÖVP über. Jetzt geht der Ton (leider) ins Wahlkampfhafte über. Willi Molterer wird als Dritter gewürdigt.

Wieder der Flughafen als symbolträchtiger Ort. „Der Willi tritt heute eine Reise an… In einigen Jahren möchten wir dir alle sagen können: Wunderbar, dass wir mit dir an diesem Ziel angekommen sind.“ Applaus nach der kurzen und als eine einzige Steigerungsbewegung aufgebauten Rede.

Schüsssel leitet den Ounkt 2 ein, geschäftsordnungsmäßige Beschlüsse..

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<leitartikelnd>Der ÖVP-Parteitag wirft seine medialen Schatten voraus, und ich frage mich, auf was ich dort als Blogger achten soll. Es kann ja nicht darum gehen, so zu berichten wie die anderen Medien. Für mich kommt erschwerend hinzu, dass ich kein gelernter Österreicher bin, sondern erst seit 2004 hier wohne. Mir ist erst langsam klar geworden, dass sich die österreichischen Parteien von ihren deutschen Schwesterparteien ziemlich stark unterscheiden, und dass sie auch in ganz anderen Traditionen stehen. Ein Phänomen wie das Dollfuß-Regime und den Austrofaschismus hat es in Deutschland nicht gegeben. Das Verhältnis zu Europa ist in Österreich viel distanzierter als in dem Alt-EU-Land Deutschland, in dem man lange froh war, sich auf Europa statt auf das 1000jährige Reich berufen zu können.

Worauf werde ich besonders achten? Da ich mich mit digitalen Medien und auch mit IT beschäftige, interessieren mich Themen mit Technikbezug: die Bürgerrechte im digitalen Zeitalter, das Problem der Urheberrechte und die Frage der „digitalen Kluft“. Werden diese Themen auf dem Parteitag überhaupt eine Rolle spielen? Welche Positionen werden bezogen, welche Fragen gestellt? Ich hoffe, dass sich die Positionen der ÖVP beim Schutz der Bürgerrechte von denen des deutschen Innenministers Schäuble und seines Vorgängers unterscheiden werden.

Ein Themenkomplex, auf den die ÖVP-Politiker sicher eingehen werden, ist Forschung und Entwicklung. Auch die Aussagen dazu interessieren mich besonders. Ich unterrichte digitale Medien, und es ärgert mich, dass fast alle Innovationen auf diesem Gebiet aus den USA kommen. Um es etwas pathetisch und Politiker-like zu formulieren: Der Schlüssel zur Zukunft liegt für ein Land wie Österreich in der Fähigkeit zu Innovationen. Dazu gehören wirtschaftliche Mittel, soziale Voraussetzungen und vor allem Einstellungen wie Experimentierfreudigkeit und Offenheit für Alternativen. Die ÖVP muss zum Beispiel den Mut haben, auf große, politisch unabhängige und wirtschaftlich potente Hochschulen zu setzen. (Plakativ formuliert: Lieber 6 Milliarden für die Forschung als 6 Milliarden für den Koralmtunnel!)

Zurück zum Bloggen: Die Zeiten, in denen man Antworten auf solche Fragen aus unzerreißbaren Weltanschauungen (Musil) ableiten konnte, sind vorbei — wenn es sie gegeben hat. Lösungen werden sicher oft am besten in sozialen Netzwerken entwickelt, die mit sozialen Medien (damit bin ich bei meinemThema…) kommunizieren. Wenn die ÖVP die Möglichkeiten dieser Medien nutzt, also nicht nur PR mit ihnen macht, hat sie einen Vorsprung vor den anderen Parteien. Dass unser Blogger-Grüppchen nach Salzburg eigeladen wurde, ist vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass die ÖVP auf die [wisdom of the crowds](http://www.randomhouse.com/features/wisdomofcrowds/ „Surowwiecki: Wisdom of the Crowds, Homepage) (nicht zu verwechseln mit Volkes Stimme !) setzen wird.</leitartikelnd>

Ich muss mich auch als „anerkannter Politikblogger“ outen. Ich frage ich mich, womit ich das verdient habe. Wenn ich die täglichen Ergebnisse von Feedburner und Google Analytics zusammenkratze, komme ich auf vielleicht 100 regelmäßige Leser meines Blogs; mit Politik habe ich mich nur indirekt beschäftigt (und da sind meine Sympathien linkslinkslinks-liberal).

Nach anfänglichem Unglauben freut mich die Einladung. Nicht nur weil eine große österreichische Partei die street credibility von sozialen Medien anerkennt. Sondern — ich gebe es zu — weil sie Aussicht auf mehr Leser, vielleicht sogar kommentierende Leser macht. (Lost and Found kann dadurch nur besser werden.)

Ob die ÖVP allerdings bekommt, was sie erwartet? Und: ob sie klare Erwartungen hat? Sie lädt Blogger wie die Vertreter von Zeitungen und Fernsehen ein. Weblogs funktionieren aber anders, sie sind keine „objektiven“, einer allgemeinen Öffentlichkeit verpflichteten Medien. Weblogs sind Lokalst-Medien, sie geben die individuelle Perspektive und die individuellen Erfahrungen ihres Autors wieder. Der ÖVP würde ich deshalb vor allem empfehlen, das Bloggen in ihrer Organisation und vor allem im Dialog mit ihren „Zielgruppen“ zu fördern; das wird ihr viel mehr bringen, als über sich bloggen zu lassen. (Michaela Mojziz hat das wohl erkannt.)

Wenn ich das organisieren kann, fahre ich nach Salzburg. Ich hoffe, dass ich einen Weg finde, von dort zu bloggen und nicht nur „Bericht zu erstatten“.

Kleinere Texte des Soziologen Jan van Dijk gelesen, v.a. Outline of a Multilevel Theory of the Network Society. Van Dijk hat als erster oder einer der ersten den Terminus „Network Society“ verwendet. Er tritt ein für eine „Multilevel Network Theory“, die nicht nur physikalische, biologische, neuronale, soziale und mediale Netzwerke zusammen analysiert, sondern auch Netzwerke auf der Mikro-, Meso- und Makroebene. Van Dijk verknüpft seinen eigenen Ansatz im Detail mit der soziologischen Tradition der Netzwerk-Analyse, die man sich über ihn, wie mir scheint, sehr gut erschließen kann. Er wendet sich gegen die Verwechslung von Netzwerken als Formen mit der sozialen „Substanz“, wie er sie Manuel Castells vorwirft. (Er spricht hier auch von „reification“.)

Van Dijk bezeichnet Netzwerke als anpassungsfähige „relativ offene Strukturen“, die immer wenigstens drei „relativ geschlossene Strukturen“ integrieren. Grundlegende Funktionen aller Netzwerke — und die Ursache ihrer Anpassungsfähigkeit — sind Interaktion, Variation und Selektion.

Van Dijk argumentiert sehr differenziert und vor dem Hintergrund einer sehr komplexen Theorie, so dass sich seine Thesen kaum nach einer ersten und oberflächlichen Lektüre resümieren lassen.

Ich beschäftige mich mit van Dijk, weil mich interessiert, wie sich die Verwendung sozialer Medien „evaluieren“ lässt. Im folgenden ein paar Zitate van Dijks, die in diesem Zusammenjang möglicherweise interessant sind:

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