Chris Langreiter weist — zustimmend — auf Konrad Paul Liessmanns Impulsreferat beim ISPA-Philosophicum hin. Ich weiß nicht… Ich würde den meisten Sätzen Liessmanns nicht widersprechen. Aber sie erinnern mich an ein Diktum meines Studienfreundes Martin Engelmeier: „Es gibt auch Sätze, die sind zu wahr!“. Auf der Allgemeinheitsstufe dieses Referats fallen die Unterschiede zwischen den Medien einfach nicht mehr auf. Was sagt es denn aus, dass Schrift, Buchdruck und Internet dazu dienen, Gesprochenes zu fixieren? (Sicher sind Liessmanns Thesen differenzierter, aber darauf laufen sie hinaus.) Hinter diesen scheinbaren Selbstverständlichkeiten verbergen sich erst die Probleme.
Vielleicht bin ich pedantisch, aber mich stören auch hier die Ungenauigkeiten im Detail. Liessmann spricht pauschal davon, dass das Schreiben in der Kulturgeschichte eine Sache der Sklaven gewesen sei. (Lauert da die Abwertung der Schrift und der Technik, die die ganze abendländische Philosophie durchzieht?) Das stimmt möglicherweise für das europäische Mittelalter, aber zum Beispiel für die Antike so sicher nicht.
Liessmann neigt dazu, Unterschiede einzuebnen. Das verschafft, möglicherweise gegen Liessmanns Intentionen, dem traditionell Gebildeten das beruhigende Gefühl, durch das Internet habe sich nichts Grundlegendes geändert — zumal es ja, wie er sehr schön sagt, sich selbst exemplifiziert
. Ich glaube dagegen, dass es heute zur Bildung gehört, die technische Seite der Medien zu verstehen, auch, aber nicht nur, um ihnen nicht einfach ausgeliefert zu sein. Was sich selbst exemplifiziert kann auch verdecken, was tatsächlich geschieht.
Ich mein‘, wo kämen wir denn hin, wenn wir zuließen, dass uns die Realität unsere schönen Hypothesen zunichte macht.
Das ist ein großartiger Satz:
„Ich glaube dagegen, dass es heute zur Bildung gehört, die technische Seite der Medien zu verstehen, auch, aber nicht nur, um ihnen nicht einfach ausgeliefert zu sein. Was sich selbst exemplifiziert kann auch verdecken, was tatsächlich geschieht.“
2 Fragen (an mich selbst):
Was genau heißt „die technische Seite der Medien verstehen“? „Technisch“ kommt mir hier vor wie eine ungenaue Abkürzung, die irreführend ist. (So als ob man Web 2.0 mit Ajax erklärt, z.B.) Es ist ja eher die mediale Seite, die die technische Seite einschließt.
Verstehe ich „Was sich selbst exemplifiziert“ richtig als „Indem Medien ‚einfach‘ zu funktionieren/passieren scheinen, verdecken sie …“?
Danke für den Kommentar, und danke für den impliziten Hinweis auf dein Blog. Hoffe, bald zum Lesen zu kommen!
Das „sich-selbst-Exemplifizieren“ kommt von Liessmann selbst. Er meint damit, grob gesagt, Techniken, die so einfach sind, dass man sie bei der Anwendung sofort versteht.
Auch mich interessiert, was „Technik“ hier eigentlich heisst. Wobei der Begriff „Medium“ nicht einfacher ist…