Ich habe hier schon etwas länger nichts Längeres mehr geschrieben. Ein Grund ist dafür, dass ich in den letzten Wochen an der Vorbereitung der ersten Vergabe des Courageous Scientists Award for Environmental and Climate Justice beteiligt habe, darunter an der Pressearbeit. (Erfolgreich war dieser Teil der Vorbereitungen bisher nicht. Bisher sind in österreischischen Zeitungen nur zwei Artikel über den Preis erschienen, die durch persönliche Kontakte anderer Mitglieder unserer Gruppe angeregt wurden [Machreich, 2025; Pack-Homolka, 2025].)
Zu diesem Projekt bin ich durch Norbert Mayr gekommen, mit dem zusammen ich vor einem Jahr die Herbsttagung der ÖGEW gestört habe. Norbert hat den Preis initiiert und die Preissumme gestiftet. Hinter dem Preis steht dieselbe Absicht wie hinter unserem Engagement für Scientist Rebellion: Wissenschaftler:innen und Akademiker:innen müssen gegen die weitere Verschärfung der globalen Erhitzung mit der Radikalität kämpfen, die den drohenden Katastrophen angemessen ist. Dazu gehört die Bereitschaft, persönliche Risiken einzugehen. Für uns hier in Mitteleuropa sind diese Risiken noch überschaubar. In vielen Ländern riskieren Wissenschaftler:innen ihre berufliche Existenz, ihre Gesundheit und sogar ihr Leben, wenn sie die Konsequenzen aus dem aktuellen Forschungsstand ziehen.
Erst bei der Verleihung des Preises am vergangenen Samstag im Porgy&Bess habe ich richtig verstanden, dass diese Initiative noch eine andere Dimension hat, die das Wissenschaftsverständnis betrifft.
Die Ansprachen, in denen sich die fünf Preisträger:innen für die Auszeichnung bedankten, bezogen sich alle auf dasselbe Thema: Wissenschaftliche Praxis, persönliches Engagement und Verbundenheit mit Betroffenen sind nicht voneinander lösbar. Der Mut, für den die Preisträger:innen ausgezeichnet wurden, ist eine Folge der Leidenschaft für ihre Themen. Dieser Leidenschaft gehen sie als Teil von Gruppen nach, mit denen sie eng verbunden sind. Die Ansprachen aller fünf Preisträger:innen waren bewegend, weil sie den Preis – so wirkte es auf mich – auch als Anerkennung dieses persönlichen Involviertseins verstanden haben.
In einer Antwort Lizzy Priviteras auf eine Frage des wissenschaftlichen Beirats des Preises wird deutlich, dass dieses Involviertsein mehrere Dimensionen hat:
The first understanding I have of courage is not being afraid to deal with complexity. It is easy to escape into simple solutions—especially in the name of urgency, profit, or the need to performatively produce results. This tendency is even more pronounced today with the pervasive presence of AI. Courage, instead, is about consciously “staying with the trouble” (Haraway, 2016)—that is, remaining engaged with difficult, messy realities rather than seeking quick fixes. It means learning how to navigate the unknown and becoming comfortable with the discomfort of uncertainty. [Privitera, 2025]
In ihren Statements verweist Lizzy Privitera auf Isabelle Stengers’ Forderung nach einer zivilisierten „langsamen Wissenschaft“ (Stengers, 2018).
Bei diesem Preis geht es um mehr als darum, Zivilcourage als eine moralische Qualität zu würdigen – so wichtig die Zivilcourage ist. Ausgezeichnet wird auch ein Umgang mit Wissenschaft, bei dem Forschung nicht auf Teilfunktionen in bürokratisch und wirtschaftlich gesteuerten Apparaten reduziert wird. Eine Aufgabe dieses Preises sehe ich darin, ein Wissenschaftsverständnis in Frage zu stellen, das scharf zwischen wissenschaftlicher Arbeit und „privaten“ politischen Ansichten trennt – nicht damit politische Positionen Forschungsergebnisse bestimmen, sondern damit ein nicht-reduktionistischer Zugang zu Themen unbekannte und unbequeme Aspekte erschließt.