Ich bin gestern durch eine Facebook-Gruppe Grazer Webdesigner und -agenturen darauf gestoßen, die sich zu Recht brüskiert fühlen: Der Grazer Bürgermeister Nagl und die ÖVP machen Unternehmen ein Geschenk: Firmen erhalten eine Gratiswebsite, die von der Firma Digitalherz eingerichtet wird. digitalherz bietet Websites von der Stange z.B. für Sportvereine seit Jahren an. (Zum Protest in Graz siehe: Unmut in Kreativbranche: Grazer Bürgermeister “verschenkt” Website im Standard.)

Das ist einerseits eine Wettbewerbsverzerrung, die rechtens sein mag, aber den guten Sitten widerspricht. Ein Unternehmen (das eine ganz ähnliche Dienstleistung, wenn auch nicht gratis, bereits anbietet) erhält einen Auftrag, der anderen Unternehmen, die tatsächlich professionelle Websites gestalten und den dafür erforderlichen Preis verlangen, Kunden wegnimmt—falls Unternehmen auf dieses Angebot hereinfallen.

Zum zweiten handelt es sich um Bauernfängerei. Bei WordPress, tumblr oder Google kann man sich gratis Webauftritte anlegen, die bei weitem mehr bieten als das ÖVP-Angebot. Diese Websites bleiben dabei kostenlos, während man bei dem Grazer Angebot nach zwei Jahren zahlt.

Drittens, und das finde ich besonders ärgerlich, wird hier der Eindruck erweckt, eine Website sei der Weg in die digitale Zukunft. Das war vielleicht in den 90er Jahren teilweise richtig. Aber schon damals war nicht die Website wichtig, sondern die Kommunikation mit ihr. Heute gibt es dafür viele andere Wege, in erster Linie die sozialen Medien. Wer sich auf eine Website verlässt, die gratis gar nicht professionell betreut werden kann, bringt sich im Web um seine Chancen. Wer sich nicht um gute Inhalte und um eine Community kümmert, und wer seinen Webauftritt für so irrelant hält, dass er sich die Billigstlösung schenken lässt, der endet in der Google-Suche als digitale Karteileiche.

Durch ihre Aktion zeigt die ÖVP der Grazer Kreativszene, wie wenig sie von ihr weiss. Unternehmen, die sich im Web nicht auskennen, gibt sie ein falsches Signal: Zurück in die 90er, die Zeit der Websites! Und sich selbst präsentiert sie pseudofortschrittlich, mit digitalem Talmi. Sie sollte diese Aktion schnellsten beenden.

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