In meinem letzten Post habe ich den Artikel Stop blaming Facebook for Trump’s election win zitiert, über den ich eigentlich schon bloggen wollte, als er erschienen ist. In diesem Artikel beschreiben eine Medienwissenschaftlerin und ein Medienwissenschaftler Faktoren, die zur Wahl von Donald Trump geführt haben. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass man Facebook und Twitter auf gar keinen Fall die Schuld am Sieg Trumps geben kann. Der Artikel enthält sehr viele interessante Punkte und Links zu Forschungsarbeiten, die populäre Mythen über das Netz in Frage stellen. Über die Websites von Eszter Hargittai und Keith Hampton findet man mehr und neueres Material.
Empirische Fakten zu News im Netz
Die empirischen Tatsachen zur Wirkung von News im Netz unterscheiden sich sehr deutlich von dem, was vielfach in der Öffentlichkeit als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Sie stellen auch einiges von dem in Frage, was ich in der letzten Zeit zur Wirkung von Facebook gesagt und geschrieben habe. Ich habe hier einige der Zitate, die ich mir damals notiert habe, mit Hilfe von DeepL ins Deutsche übersetzt, um einen Eindruck von den Forschungen der beiden Autorinnen zu geben.
Haben Facebook und Twitter die Wahl entschieden?
So wie das Internet uns nicht sozial isoliert oder gestresster macht, haben Facebook- und Twitter-Feeds die Wahl nicht entschieden.
(Just as the internet does not make us socially isolated or more stressed, Facebook and Twitter feeds did not decide the election.)
Sind soziale Medien in den USA die Hauptquelle für Nachrichten?
Wenn Amerikannerinnen und Amerikaner gefragt werden, an was sie sich hinsichtlich Nachrichten erinnern, dann dominieren
… TV und Radio … als Quellen. Der durchschnittliche Facebook-Nutzer klickt nur auf 7 Prozent der harten Nachrichteninhalte, die in seinen Feeds verfügbar sind. Weitaus mehr Amerikaner erhalten ihre Nachrichten aus dem Fernsehen als aus den sozialen Medien.
(… TV and radio dominate as sources. The average Facebook user clicks on only 7 percent of the hard news content available on their feeds. Far more Americans get their news from television than from social media.)
Verändern Nachrichten und Fake News die Meinungen ihrer Rezipienten?
Wir müssten ein halbes Jahrhundert Kommunikationsforschung ignorieren, um zu akzeptieren, dass echte oder gefälschte Nachrichten über alle Medien hinweg einfach die Meinung zugunsten einer Geschichte oder Anzeige ändern. (We would need to ignore a half century of communication research to accept that real, or fake, news through any media simply changes opinion in favor of a story or ad.)
Erleichtern soziale Medien die Bildung ideologischer Silos?
Das Argument, dass Social Media Menschen ermutigt, mehr als bisher in ideologischen Silos zu interagieren, wird nicht durch Beweise gestützt. (The argument that social media encourages people to interact in ideological silos more than they did before is not supported by evidence.)
War Trump vor allem in den sozialen Medien stark?
Medien spielten eine Rolle beim Zustandekommen der Ergebnisse, es waren die Massenmedien, in denen Trump die Nase vorn hatte (media did play a role in deciding the results, it was in the mass media where Trump outperformed).
War zu viel oder zu wenig Internet entscheidend für Trumps Wahl?
Was war verantwortlich für Trumps Sieg? Das Internet, genauer gesagt, der Mangel daran, mag immer noch ein entscheidender Faktor gewesen sein. (What was responsible for Trump’s win? The internet, or more precisely, the lack of it, may still have been a deciding factor.)
Welche Gruppen haben Trump am meisten unterstützt und wie nutzen sie das Netz?
Dennoch wich eine wichtige demographische Gegebenheit stark vom bisherigen Abstimmungsverhalten ab (Yet, one key demographic strongly diverged from prior voting behavior) … Diejenigen ohne Hochschulabschluss unterstützten Trump mit einer 9-Punkte-Marge (52 Prozent gegenüber 43 Prozent). Im Jahr 2012 drückten Menschen ohne Hochschulabschluss fast die gleiche Unterstützung für die demokratischen und republikanischen Kandidaten aus. (Those without a college-degree backed Trump by a 9-point margin (52 percent to 43 percent). In 2012, people without a college degree expressed almost equal support for the Democratic and Republican candidates.)
Trump hatte den größten Vorsprung unter allen Bevölkerungsgruppen bei den Weißen ohne College-Abschluss, nämlich 39%. Er kam hier auf 67%, Hillary Clinton nur auf 28%. Nie seit 1980 hat sich diese soziale Gruppe so deutlich hinter einen Kandidaten gestellt.
Eine wichtige Tatsache bei dieser Gruppe: Ihre Angehörigen gehören am ehesten zu den 15 Prozent der Amerikaner, die das Internet nicht nutzen (An important fact about this group: they are the most likely to be among the 15 percent of Americans who do not use the Internet).
Ansichten, die Einwanderer als eine Belastung abstempel, finden sich in hoher Konzentration vor allem bei denen, die sich in direkter wirtschaftlicher Konkurrrenz zu ihnen sehen, bei den weißen Männern ohne Hochschulabschluss (views that frame immigrants as a burden sharply concentrated among those who see themselves in direct economic competition: white men without a college degree).
Sieg durch Intoleranz, nicht durch Algorithmen
Hamon und Hargittai kommen zu dem Ergebnis:
Trumps Botschaft der Intoleranz brachte ihn zum Sieg, nicht Social Media Algorithmen. (Trump’s message of intolerance pushed him to victory, not social media algorithms)
Wie sie feststellen, kann es
kein Zufall sein, dass die gleiche demographische Gruppe, die den geringsten Zungang zum Internet hat, am ehesten für Trump stimmen würde (not be a coincidence that the same demographic that is most likely to be disconnected from the internet was most likely to vote for Trump).
Dass hier ganz andere Faktoren wirken als soziale Medien oder das Internet, zeigt die entgegengesetzte Entwicklung in Kanada:
Beim altruistischen Verhalten hat sich dieser Trend im gleichen Zeitraum in Kanada in die entgegengesetzte Richtung bewegt, wo eine positive öffentliche Meinung hinsichtlich Vielfalt und Einwanderergruppen weiterhin sehr stark ist ist. ( This trend in altruistic behavior over the same time period has moved in the opposite direction in Canada, where positive public opinion toward diversity and immigrant groups remains high.)
Aber—nicht zu vergessen—die Wurzeln der Intoleranz sind mit Ungleichheit verbunden, und es war die Ungleichheit und Intoleranz, die diese Wahl entschieden hat. (But lest we forget, the roots of intolerance are tied to inequality, and it was inequality and intolerance that decided this election.)
Die knappe Mehrheit derjenigen, die Donald Trump in das Amt gewählt haben, wird von denen angeführt, die am wenigsten verbunden sind, online und offline.
(The narrow majority of those who elected Donald Trump into office are led by those who are the most disconnected, on and offline.)
Zu den Kernaussagen dieses Textes, eigentlich zu den Erkenntnissen, auf die er bereits zurückgreift, gehört, dass Nachrichten die Einstellungen ihrer Rezipienten nicht direkt verändern, sondern dass umgekehrt die Einstellungen dafür verantwortlich sind, wie Nachrichten interpretiert und verwendet werden. Gegen Intoleranz und Ungleichheit vorzugehen ist deutlich schwerer, als auf Facebook und Twitter zu zeigen und ihnen die Schuld an Veränderungen zu geben, deren Hauptursachen anderwo liegen.