Heute ist Inauguration Day. Seit der Wahl François Mitterrands 1981 habe ich mich nicht mehr so über ein Wahlergebnis gefreut wie über die Wahl Obamas. (1981 war ich in Paris und konnte abends selbst mit auf der Bastille feiern.) Nicht nur deshalb ein paar Bemerkungen zu Obama: Welche Auswirkungen könnte seine Regierung auf das Internet und die Online-Medien hier bei uns haben?
Obama wird die Internetwirtschaft energisch förden; die Sicherung der Neutralität des Netzes und ein schneller Internetzugang für alle Bürger gehören zu seinen wichtigsten Zielen. Die europäischen Länder werden sich anstrengen müssen mitzuhalten, und auch hier wird mehr Geld in den Ausbau der Infrastruktur und die Internetwirtschaft fließen. Aber nicht nur damit dürfte die neue Administration auch Europa Inpulse geben. Sie wird auch bewirken, dass die Funktionen des Internet für die Öffentlichkeit in Europa besser verstanden werden.
Obama wäre ohne das Internet nicht gewählt worden — nicht nur, weil YouTube, facebook und Twitter wichtige Instrumente seiner Kampagne waren, sondern weil seine zentrale Botschaft in das Internet-Zeitalter gehört: Politik kann in direktem Dialog mit der Bevölkerung stattfinden; die eingerosteten Apparate der Repräsentation (Parlamentarismus, Massenmedien) haben kein Monopol mehr auf die politische Kommunikation.
Gestern hat AFP publiziert, dass die für den Übergang eingerichtete Website Change.gov ab heute abend unter whitehouse.gov erreichbar sein wird.
The new whitehouse.gov is expected to be the window for what is being touted as a bold experiment in interactive government based largely on lessons learned during the most successful Internet-driven election campaign in history [AFP: Change.gov coming to the White House].
Wenn die amerikanische Regierung das Web als politisches Kommunikations- und Entscheidungsinstrument benutzt, wird man Forderungen nach eine Wiki-Politik und nach Publikation aller für die Regierung und Verwaltung wichtigen Dokumente und Vorgänge im Web auch hier nicht mehr als exotisch abtun können. Der Druck auf Einsicht durch die Bürger und Mitentscheidung durch die Bürger jenseits der Parteibürokratien wird zunehmen. Damit würden nicht nur demokratische Rechte verwirklicht; Politik und öffentliche Verwaltung würden vor allem effizienter, schneller und sachgerechter arbeiten.
Das Gegenargument liegt auf der Hand: Obama werde nicht umsetzen, was er versprochen hat. Schon die Besetzung seiner Regierung zeige, dass er ähnlich regieren werde wie seine Vorgänger. Ich glaube, dass dieses Argument zu billig ist (und ich hoffe, dass ich nicht enttäuscht werde). Obama muss zu unorthodoxen Mitteln greifen, weil die Amerikaner so viel von seiner Regierung erwarten und weil die wirtschaftliche Lage so schwierig ist. Er hat viel vom Internet verstanden und muss es intensiv verwenden, wenn sich seine Regierung nicht sehr schnell abnutzen soll.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wie in vier Jahren in Österreich noch so groteske Diskussionen führen wie die über das Scheiß-Internet oder darüber, ob man das Internet als Medium ernst nehmen könne.