Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich hier eine Binsenweisheit notiere: Interaktive Kommunikation lernt man nur interaktiv. Ich wundere mich nicht nur darüber, dass mir diese Selbstverständlichkeit nie bewusst geworden ist. Ich stelle auch fest, dass ich selbst viel zu oft versucht habe und versuche, interaktive Medien in einer nicht interaktiven Weise zu unterrichten.
Vor zwei Tagen haben ich mich mit einer Kollegin unterhalten, die einen Kurs über das Bloggen besucht. Die Kollegin ist selbst eine sehr erfolgreiche Lehrerin, hat aber wenig praktische Erfahrung mit Webmedien. Die Teilnehmer des Kurses, den sie besucht, sollen sich das Bloggen dadurch erschließen, dass sie Texte darüber lesen und dann selbst probieren, zu bloggen.
Meine Kollegin sagte mir:
Wenn man Social Media dadurch lernen könnte, dass man sie sieht und etwas darüber liest, dann könnte man auch leicht jede Fremdsprache lernen, wenn es nur genug Texte in ihr gibt. Um eine Fremdsprache zu lernen, braucht man jemand, der sie vermittelt, der zeigt wie man spricht und korrigierend eingreift. Genauso ist es mit den sozialen Medien.
Social Media lassen sich nur durch Interaktion lernen, durch den Austausch mit anderen, die diese Medien verwenden. Und dieser Austausch muss didaktisch auf diejenigen zugeschnitten sein, die die Medien erlernen wollen.
Mit interaktivem Lernen meine ich nicht, dass man Social Media dadurch erlernt, dass man sie selbst benutzt. Das ist nur ein Aspekt. Man erlernt sie in einem Dialog, in dem man diese Kommunikationsformen für sich selbst sinnvoll machen kann, in dem man sie für sich selbst übersetzt. Die oder der Lehrende unterstützt diesen Übersetzungsvorgang. Zum Lehren braucht man nicht vor allem ein Wissen über den Gegenstand, also soziale Medien, sondern man muss sich auf die Besonderheiten des Übersetzungsvorgangs einstellen können, also verstehen, wo die oder der Lernende gerade ist. Vielleicht ist das ähnlich wie beim Übersetzen: Sich in der eigenen Sprache ausdrücken zu können ist dafür wichtiger, als die Fremdsprache zu beherrschen.
Eine Schwierigkeit liegt wohl darin, dass man die Interaktion in sozialen Medien leicht mit der Interaktion beim Lernen verwechselt. Diese Verwechslung wird noch dadurch erleichtert, dass soziale Medien selbst ein Instrument des interaktiven Lernens sind. Aber auch soziale Medien müssen für die Lernenden und von den Lernenden vermittelt, transformiert werden, sie vermitteln sich nicht selbst.
Wenn man soziale Medien unterrichtet, muss man sie also in Lern-Settings einbetten, zu denen soziale Medien gehören, die aber nicht nur aus sozialen Medien bestehen. Diese Settings müssen aber ihrerseits zu den sozialen Medien »passen«, sie dürfen diese nicht zu einem Fremdkörper machen, auf den man von außen schaut. BarCamps sind vielleicht ein Beispiel für ein Setting, in dem soziale Medien verwendet und thematisiert und dabei auch vermittelt werden.
Mir fällt hierbei spontan das Technology Acceptance Modell von Davis ein. Bevor die Technik angewendet werden kann, muss der Nutzer von der Nützlichkeit und der Bedienbarkeit überzeugt sein. Das heißt: er muss sie aktiv verwenden und den individuellen Nutzen für sich selbst erkennen (Transfer).
Interessant, dass du das ansprichst! Eine Kollegin, Claudia Linditsch, hat mich vor einiger Zeit darauf hingewiesen, und daraufhin hat einer unsere Studenten, Alexander Logar, darüber eine Bachelor-Arbeit geschrieben. Wie wollen sie in die WLL-Publikationen integrieren. – Ich würde das Modell selbst gerne in Verbindung zu den Untersuchungen von Lucy Suchman zu Technologie und Innovation bringen. In jedem Fall lässt es sich praktisch gut benutzen, um Schwierigkeiten bei der Einführung von Technologien strukturiert zu erfassen.